BGH Urteil v. - VII ZR 180/04

Leitsatz

[1] Die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauunternehmers " Die Geltendmachung von Aufrechnungen mit nicht rechts- kräftig festgestellten Gegenansprüchen sowie von Zurückbehal- tungsrechten ist ausgeschlossen." ist dahin zu verstehen, daß Zurückbehaltungsrechte und damit auch Leistungsverweigerungsrechte nach §§ 320, 641 Abs. 3 BGB generell ausgeschlossen sind. Insoweit ist die Klausel unwirksam.

Gesetze: AGBG § 9 Bf; AGBG § 9 Cl

Instanzenzug: LG Berlin

Tatbestand

Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter der V.-GmbH, der früheren Klägerin (im folgenden nur noch: Klägerin), Restwerklohn. Die Beklagte beruft sich darauf, daß die Klägerin mangelhaft gearbeitet habe. In der Revision streiten die Parteien insbesondere darüber, ob ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wirksam ausgeschlossen werden konnte.

Die Beklagte beauftragte im März 1994 die Klägerin mit der schlüsselfertigen Erstellung einer Fachklinik zu einem Pauschalpreis von 40.600.000 DM brutto. Es war Ratenzahlung nach Baufortschritt vereinbart. Die 21. Rate in Höhe von 2.030.000 DM war fällig nach Abnahme und Behebung der Abnahmemängel. Die 22. Rate ebenfalls in Höhe von 2.030.000 DM war fällig nach Übergabe des Bauvorhabens und einer Gewährleistungssicherheit. Ferner war in § 6 des Vertrages folgendes vereinbart:

"1.

Abs. 6:

... Die bei Beseitigung der protokollarisch festgehaltenen Abnahmemängel fällig werdende Rate ist bei teilweiser Erledigung der Abnahmemängel bis auf einen Betrag auszuzahlen, der dem dreifachen Aufwand für die Erledigung der restlichen Abnahmemängelbeseitigungsarbeiten entspricht.

Abs. 7:

Werden nach dem Zahlungsplan fällige Zahlungen nicht innerhalb von 14 Kalendertagen nach Eingang der Rechnung nebst Bautenstandsnachweis des bauleitenden Architekten bei dem AG geleistet, sind die betreffenden Beträge von ihrer Fälligkeit an mit 5 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ohne Mahnung zu verzinsen. Die Zahlung setzt die Bestätigung des Architekten des AG voraus; ... .

2.

Die Geltendmachung von Aufrechnungen mit nicht rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen sowie von Zurückbehaltungsrechten ist ausgeschlossen."

Bei der Abnahme am und danach wurden von der Beklagten zahlreiche Mängel gerügt. Sie behielt von der 21. Rate 198.000 DM ein. Auf die 22. Rate zahlte sie, nachdem die Klägerin diese unter dem in Rechnung gestellt hatte, am und am jeweils 500.000 DM.

Mit ihrer am zugestellten Klage hat die Klägerin den noch offenen Betrag von 1.228.000 DM nebst Zinsen seit dem in einer bestimmten Staffelung geltend gemacht. Widerklagend hat die Beklagte begehrt, die Schadensersatzpflicht der Klägerin wegen zahlreicher Mängel festzustellen. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Beklagte sich gegen die Abweisung der Widerklage gewandt und hinsichtlich der Klage erreichen wollen, daß sie einen Teilbetrag von 100.000 DM nur Zug um Zug gegen Beseitigung von 50 Mängeln ohne Zinsen sowie aus der darüber hinausgehenden Forderung Zinsen erst ab Rechtshängigkeit zahlen muß. Die Berufung ist bis auf einen geringfügigen Teil bei den Zinsen ohne Erfolg geblieben. Der Senat hat die Revision der Beklagten nicht angenommen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Widerklage gewandt hat, und im übrigen angenommen. In diesem Umfang verfolgt die Beklagte ihr zweitinstanzliches Begehren weiter.

Gründe

Die Revision hat im Umfang der Annahme Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB, § 26 Nr. 7 EGZPO).

I.

Das Berufungsgericht ist der Meinung, die Forderung der Klägerin sei insgesamt fällig. Die Beklagte könne sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen. Der Einbehalt eines Teils der 21. Rate sei nicht berechtigt gewesen. Als protokollarisch festgehaltene Abnahmemängel kämen nach dem Vortrag der Beklagten nur der fehlende Automatikantrieb der schweren Brandschutztüren sowie eine dem Stand der Klinik nicht entsprechende optische Gestaltung dieser Türen in Betracht. Die Klägerin habe jedoch spezifiziert vorgetragen, die Türen technisch nachgerüstet zu haben. Das habe die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht substantiiert bestritten. Hinsichtlich der Gestaltung der Brandschutztüren habe die Beklagte nicht dargetan, welche Ausführung von den Parteien vereinbart worden sei und inwieweit die tatsächliche Ausführung hiervon abweiche.

Bezüglich der übrigen von der Beklagten gerügten Mängel sei ein Zurückbehaltungsrecht und damit auch ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB durch § 6 Nr. 2 des Vertrages ausgeschlossen. Es handele sich um eine von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung, die der Inhaltskontrolle nach den §§ 24, 9 AGBG standhalte. Ein Verstoß gegen § 9 AGBG werde nur dann angenommen, wenn ein Zurückbehaltungsrecht auch wegen rechtskräftig festgestellter, entscheidungsreifer oder unbestrittener Gegenforderungen ausgeschlossen sei. Die Klausel sei dahin auszulegen, daß sie Zurückbehaltungsrechte aufgrund rechtskräftig festgestellter Forderungen nicht ausschließe. Die ungenaue Formulierung begründe keine Zweifel an dieser Auslegung, so daß die Unklarheitenregelung des § 5 AGBG nicht eingreife. Zinsen aus der 22. Rate stünden der Klägerin ab dem zu; die Beklagte habe sich ab diesem Zeitpunkt in Verzug befunden. Der Vertrag sei dahin auszulegen, daß für die Fälligkeit der 21. und 22. Rate die Rechnungsstellung, nicht aber der Bautenstandsnachweis des Architekten erforderlich gewesen sei.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung weitgehend nicht stand.

1. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte könne ihr Leistungsverweigerungsrecht nicht auf Fehler wegen der optischen Gestaltung der Brandschutztüren stützen. Insoweit hat die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen, daß das Werk der Klägerin nicht vertragsgemäß und damit fehlerhaft war. Die schlichte Behauptung, die Türen seien nur für eine Industriehalle, nicht aber für den repräsentativen Eingangsbereich der Klinik geeignet, genügt nicht.

2. Verfahrensfehlerhaft geht das Berufungsgericht davon aus, daß der im Abnahmeprotokoll festgehaltene Mangel des Automatikantriebs der Brandschutztüren nachträglich beseitigt worden sei. Insoweit übergeht das Berufungsgericht den im Schriftsatz vom enthaltenen Vortrag, nach dem die Beseitigung des Mangels bestritten und das weitere Vorhandensein des Mangels unter Bezugnahme auf einen Beweissicherungsantrag behauptet wird. Der Senat weist darauf hin, daß der Unternehmer die Beweislast dafür trägt, daß er einen Mangel beseitigt hat.

3. Rechtsfehlerhaft ist die Ansicht des Berufungsgerichts, ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten nach §§ 320, 641 Abs. 3 BGB sei gemäß § 6 Nr. 2 des Vertrages ausgeschlossen. Diese Klausel ist unwirksam, soweit ein Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen ist. Sie benachteiligt die Beklagte insoweit entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 9 AGBG).

a) Es handelt sich um eine von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung.

b) Zutreffend ist die Auslegung des Berufungsgerichts, daß durch die Klausel auch ein Leistungsverweigerungsrecht nach §§ 320, 641 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein soll. Eine Klausel, die das Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers ohne Einschränkung ausschließt, hält der Inhaltskontrolle nicht stand (, BGHZ 92, 312, 316). Um eine solche Klausel handelt es sich hier. Der Senat folgt nicht der Auslegung des Berufungsgerichts, wonach das Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrecht nur wegen nicht rechtskräftig festgestellter Gegenansprüche ausgeschlossen ist. Es kann deshalb dahinstehen, ob eine Klausel mit einem solchen Inhalt wirksam wäre.

aa) Der Senat kann entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung die Auslegung der Klausel durch das Berufungsgericht uneingeschränkt überprüfen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Klausel in mehreren Oberlandesgerichtsbezirken verwendet.

bb) Das Berufungsgericht entfernt sich mit seiner Auslegung unvertretbar von dem Verständnis der Klausel, das der verständige und redliche Vertragspartner aufgrund ihrer Gestaltung haben muß. Der Wortlaut der Klausel enthält keine Einschränkung, daß das Zurückbehaltungsrecht nur wegen nicht rechtskräftig festgestellter Gegenansprüche ausgeschlossen ist. Im Gegenteil ist danach nur die Aufrechnung mit nicht rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen ausgeschlossen. Es wäre sprachlich leicht zu fassen gewesen, wenn der Verwender der Klausel auch den Ausschluß des Zurückbehaltungsrechts hätte beschränken wollen. Daß diese leicht zu bewerkstelligende sprachliche Fassung nicht gewählt worden ist, muß bei einem objektiven Vertragspartner den Eindruck erwecken, das Zurückbehaltungsrecht sei generell ausgeschlossen.

Das Berufungsgericht geht zu Unrecht davon aus, daß der rechtlich beratene Verwender nicht nur beim Ausschluß der Aufrechnung, sondern auch beim Ausschluß des Zurückbehaltungsrechts die rechtlich zulässige Form wählen wollte und dies von dem rechtlich beratenen Vertragspartner des Verwenders in gleicher Weise verstanden worden ist. Ein dahingehender Erfahrungssatz existiert nicht. Auch kann nicht die Rede davon sein, daß es Gewohnheiten im Geschäftsverkehr gibt, wonach Zurückbehaltungsrecht und Aufrechnung gleichartig geregelt werden. Die Auslegung des Berufungsgerichts führt dazu, daß der Vertragspartner des Verwenders sich über viele Zweifelsfragen hinwegsetzen müßte, um zu dem vom Berufungsgericht gewünschten Ergebnis zu gelangen. Eine derartige Auslegung beachtet nicht, daß der Ausschluß von gesetzlichen Rechten klar und zweifelsfrei, also transparent formuliert sein muß, vgl. auch § 5 AGBG.

Die Unwirksamkeit führt dazu, daß die Beklagte Zurückbehaltungsrechte und damit auch ihr Leistungsverweigerungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB ohne jede Einschränkung geltend machen kann.

4. Auch der Zinsausspruch des Berufungsgerichts kann keinen Bestand haben. Soweit der Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, muß sie weder Verzugs- noch Prozeßzinsen zahlen (vgl. , BauR 2004, 1616 = NZBau 2004, 611 = ZfBR 2005, 49). Das gilt unabhängig davon, in welcher Höhe die Beklagte ihr Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht hat (vgl. , BauR 1993, 600, 601 = ZfBR 1993, 214; insoweit in BGHZ 121, 210 nicht abgedruckt).

Der Senat weist für das weitere Verfahren darauf hin, daß die Auslegung des Vertrags durch das Berufungsgericht dahin, daß hinsichtlich der 22. Rate ein Bautenstandsnachweis des Architekten nicht Fälligkeitsvoraussetzung sei, nicht zu beanstanden ist. Ob dies auch hinsichtlich der 21. Rate zutrifft, kann offenbleiben. Insoweit wurden der Klägerin Zinsen erst ab Rechtshängigkeit zugesprochen.

III.

Das Berufungsgericht wird nunmehr Feststellungen zu den Mängeln zu treffen haben.

Fundstelle(n):
DB 2005 S. 1792 Nr. 33
YAAAC-03327

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein