BGH Beschluss v. - VII ZB 16/05

Leitsatz

[1] Der Insolvenzverwalter muß den Fortbestand seiner Berechtigung als Rechtsnachfolger im Sinne des § 727 Abs. 1 ZPO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweisen.

Gesetze: ZPO § 727 Abs. 1

Instanzenzug: AG Stuttgart

Gründe

I.

Die K.-GmbH erwirkte gegen den Schuldner einen Vollstreckungsbescheid. Mit Beschluß des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - wurde über das Vermögen der K.-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsteller als Insolvenzverwalter bestellt. Unter Hinweis auf diesen Umstand beantragte der Antragsteller bei dem Vollstreckungsgericht, den Vollstreckungsbescheid auf ihn als Insolvenzverwalter umzuschreiben. Zu diesem Zweck legte er den Eröffnungsbeschluß und die Bestallungsurkunde in von ihm beglaubigter Kopie vor.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel zurückgewiesen, weil die Urkunden nicht in der Form des § 727 ZPO vorgelegt worden und die Rechtsnachfolge nicht offenkundig sei.

Im Beschwerdeverfahren hat sich der Antragsteller darauf berufen, daß das zuständige Insolvenzgericht sämtliche relevanten Daten im Internet veröffentliche und seine Rechtsnachfolge damit offenkundig sei.

Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag auf Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel weiter.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 727 ZPO kann dem Insolvenzverwalter, soweit der Anspruch das von ihm verwaltete Vermögen betrifft, eine vollstreckbare Ausfertigung eines zugunsten des Insolvenzschuldners ergangenen Vollstreckungsbescheids erteilt werden, wenn er seine Funktion durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweist oder sie bei dem Gericht offenkundig ist. Der Antragsteller hat entsprechende öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden zum Nachweis seines Amtes nicht vorgelegt. Entscheidend ist daher, ob wegen Offenkundigkeit auf einen Nachweis durch derartige Urkunden verzichtet werden kann.

1. Das Beschwerdegericht hat Offenkundigkeit verneint. Aus der Veröffentlichung der Bestellung im Bundesanzeiger ließen sich keine sicheren aktuellen Erkenntnisse für den Fortbestand der Bestellung gewinnen. Allein die Einstellung entsprechender Informationen des Insolvenzgerichts in das Internet könne nicht zur Annahme der Offenkundigkeit führen, weil der Nutzerkreis des Internets zwar groß sein möge, seine Nutzung aber noch nicht derart verbreitet sei, daß eine Gleichstellung mit den Printmedien möglich wäre.

2. Die Rechtsbeschwerde ist demgegenüber der Auffassung, die Ernennung des Antragstellers sei bereits durch die Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses im Bundesanzeiger offenkundig. Von dem zuständigen Insolvenzgericht würden zudem im Internet auf der Webseite "www.insolvenzbekanntmachungen.de" sämtliche Bekanntmachungen gemäß § 9 InsO veröffentlicht. Der aktuelle Verfahrensstand sowie sämtliche relevanten Daten zu dem Insolvenzverfahren seien über diese Webseite allgemein frei zugänglich und damit offenkundig. Darüber hinaus habe der Schuldner die Bestellung des Antragstellers und dessen Berechtigung nach § 727 ZPO nicht bestritten. Nach der Geständnisfunktion des § 138 Abs. 3 ZPO sei daher von der Erfüllung der Umschreibungsvoraussetzungen durch den Antragsteller auszugehen.

3. Das Beschwerdegericht hat zu Recht festgestellt, daß die von dem Antragsteller behauptete Tatsache, Insolvenzverwalter der K.-GmbH zu sein, nicht offenkundig ist.

Aufgrund der Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses im Bundesanzeiger ist zwar offenkundig, daß der Antragsteller zum Insolvenzverwalter bestellt wurde. Es ist aber der erforderliche Nachweis, daß er dieses Amt auch weiterhin innehat, nicht geführt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß das zuständige Amtsgericht die im Insolvenzverfahren vorzunehmenden öffentlichen Bekanntmachungen auf der Webseite "www.insolvenzbekanntmachungen.de" veröffentlicht. Durch das Insolvenzänderungsgesetz vom (BGBl. I S. 2710) wurde in § 9 Abs. 1 InsO die Möglichkeit geschaffen, die erforderlichen öffentlichen Bekanntmachungen in einem für das Gericht bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystem vorzunehmen. Von der in § 9 Abs. 2 InsO erfolgten Ermächtigung, die Einzelheiten der Veröffentlichung zu bestimmen, hat das Bundesministerium der Justiz mit der zum in Kraft getretenen Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren im Internet (BGBl. I 677) Gebrauch gemacht. Gemäß § 1 Satz 1 InsIntBekV ersetzt die Veröffentlichung im Internet diejenige im amtlichen Verkündungsblatt, wenn sie durch die Landesjustizverwaltung für das Gericht bestimmt worden ist.

Auf der genannten Webseite werden damit im Internet lediglich die Entscheidungen öffentlich bekannt gemacht, deren Veröffentlichung in der Insolvenzordnung vorgeschrieben ist. Zu diesen Entscheidungen gehört die Entlassung des Insolvenzverwalters nicht. Ob der einmal bestellte Insolvenzverwalter noch im Amt ist, läßt sich daher durch Überprüfung der Webseite "www.insolvenzbekanntmachungen.de" nicht ermitteln.

Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, daß der Schuldner seiner Behauptung, er sei Insolvenzverwalter der K.-GmbH, nicht widersprochen hat. Ein Geständnis nach § 288 ZPO ist darin nicht zu sehen. Die vom Antragsteller behauptete Tatsache kann auch nicht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden angesehen werden, weil der Schuldner zu dem Umschreibungsantrag geschwiegen hat. Im Klauselerteilungsverfahren besteht für den Schuldner keine Erklärungslast (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 727 Rdn. 20 unter Hinweis auf Münzberg, NJW 1992, 201), wie sie für das Erkenntnisverfahren in § 138 Abs. 1 ZPO bestimmt ist. Die Vorschrift des § 138 Abs. 3 ZPO kommt daher nicht zum Tragen (, zur Veröffentlichung bestimmt). Darüber hinaus würde selbst ein Geständnis des Schuldners die Vorlage von Urkunden der in § 727 ZPO bestimmten Art nicht entbehrlich machen, da nicht nur die Rechtsstellung des Schuldners, sondern auch der Insolvenzschuldnerin als Altgläubigerin in Frage steht.

Der Antragsteller kann die Umschreibung des Vollstreckungsbescheids dementsprechend nur erreichen, wenn er die ihm gemäß § 56 Abs. 2 InsO erteilte Bestallungsurkunde dem Gericht im Original oder in öffentlich beglaubigter Abschrift vorlegt.

Fundstelle(n):
DNotZ 2006 S. 44 Nr. 1
DStZ 2006 S. 96 Nr. 3
NJW-RR 2005 S. 1716 Nr. 24
WM 2005 S. 1823 Nr. 38
ZIP 2005 S. 1474 Nr. 33
LAAAC-03139

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein