BGH Urteil v. - VI ZR 42/05

Leitsatz

[1] Durch § 545 Abs. 2 ZPO ist die Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen, auch wenn das Berufungsgericht die Revision zur Klärung der von ihm vertretenen Auffassung zur sachlichen Zuständigkeit zugelassen hat.

Gesetze: ZPO § 545 Abs. 2

Instanzenzug: AG Strausberg 25 C 405/03 vom LG Frankfurt (Oder) 6a S 179/04 vom

Tatbestand

Das klagende Land verlangt aus übergegangenem Recht wegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten vom die Erstattung von Krankengeld und Versicherungsbeiträgen sowie der Kosten des Krankentransports und der stationären Krankenhausbehandlung des Opfers.

Am beantragte der Kläger beim Amtsgericht C. den Erlass eines Mahnbescheids, mit welchem er die Erstattung von Krankengeld sowie von Versicherungsbeiträgen begehrte. In dem Mahnbescheidantrag bezeichnete er das Amtsgericht S. als das zuständige Gericht für ein streitiges Verfahren. Mit Schreiben vom teilte der Kläger eine neue Anschrift des Beklagten mit und benannte nunmehr das Amtsgericht F. als Streitgericht. Nach Eingang des Widerspruchs gab das Mahngericht das Verfahren jedoch an das Amtsgericht S. ab.

Am beantragte der Kläger beim Amtsgericht C. einen weiteren Mahnbescheid gegen den Beklagten, mit dem er aus demselben Vorfall die Erstattung von Krankentransport- und Krankenhauskosten begehrte. Er benannte das Amtsgericht F. als Streitgericht. Mit Schreiben vom teilte er die Anschrift des Beklagten mit und bat um Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht S.. Nach Eingang des Widerspruchs gab das Mahngericht das Verfahren an dieses Gericht ab.

Das Amtsgericht S. hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Nachdem es auf Bedenken gegen die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts wegen Überschreitens der Wertgrenze nach Verbindung der Verfahren hingewiesen und der Beklagte die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gerügt hatte, hat es die Klage mit Urteil vom als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Berufungsbegehren weiter, die Sache unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Verfahrens an das Amtsgericht S. zurückzuverweisen.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Amtsgericht habe die Klage nach Verbindung der Verfahren zu Recht wegen der fehlenden sachlichen Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.

Die nach § 147 ZPO vorgenommene, im Ermessen des Gerichts stehende Verbindung der Verfahren sei zulässig gewesen. Der Kläger begehre aus übergegangenem Recht aus demselben Haftungsgrund von dem Beklagten die Erstattung von Leistungen, die er an die Krankenkasse des Verletzten bezahlt habe, und beide Verfahren seien zum Zeitpunkt der Verbindung beim Amtsgericht S. anhängig gewesen.

Zwar werde die bis dahin bestehende sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts durch einen Verbindungsbeschluss grundsätzlich nicht berührt. Etwas anderes gelte aber, wenn der Kläger erkennbar durch eine willkürliche Zerlegung seines Gesamtanspruchs in mehrere Verfahren die Zuständigkeit des Amtsgerichts wider Treu und Glauben erschleichen wolle. Ein solcher Fall liege hier vor, insbesondere weil der Vertreter des Klägers im Termin vor dem Amtsgericht eingeräumt habe, dass die Geltendmachung der Ansprüche in zwei Klagen allein deshalb erfolgt sei, um die Zuständigkeit des Amtsgerichts zu erreichen und die Kosten eines Rechtsanwalts zu sparen.

II.

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts gerichtete Revision ist zwar statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch als unbegründet zurückzuweisen.

1. Das Amtsgericht hat die Klage wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit abgewiesen, weil nach Verbindung beider Verfahren wegen Überschreitung der Wertgrenze des § 23 Nr. 1 GVG die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben sei. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung bestätigt, jedoch die Revision zugelassen, offenbar um eine Überprüfung der Erwägungen zu ermöglichen, mit denen es ausnahmsweise in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Gericht eine Änderung der sachlichen Zuständigkeit nach Verbindung der Verfahren angenommen hat. Die Revision wendet sich gegen diese Auffassung und möchte eine Zurückverweisung an das Amtsgericht S. erreichen.

2. Mit diesem Begehren hat sie keinen Erfolg, weil die hier maßgebliche Frage der sachlichen Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts nicht der Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt.

Nach § 545 Abs. 2 ZPO kann die Revision nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Nach der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift sollen dadurch im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Revisionsgerichts Rechtsmittelstreitigkeiten vermieden werden, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden. Zugleich soll die Neuregelung vermeiden, dass die von den Vorinstanzen geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 106). Da die Vorschrift nach der Gesetzesbegründung insbesondere auch eine Verfahrensbeschleunigung und eine Entlastung des Revisionsgerichts im Auge hat, ist durch sie die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz der Nachprüfung durch das Revisionsgericht schlechthin entzogen (vgl. - NJW 2005, 1660, 1661 und Beschluss vom - III ZR 91/03 - NJW 2917; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 545 Rn. 16). Dies gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht die Revision zur Klärung der von ihm vertretenen Auffassung zur Zuständigkeit zugelassen hat (vgl. - NJW 1988, 3267, 3268 und Beschluss vom - III ZR 91/03 - aaO). Eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur für die internationale Zuständigkeit (vgl. BGHZ 153, 82, 84 ff.; -, WM 2003, 1542). Im vorliegenden Fall wäre eine revisionsrechtliche Prüfung im Übrigen auch nach einer im Schrifttum vertretenen einschränkenden Auffassung (vgl. MünchKomm/Wenzel, ZPO-Reform, § 545 Rn. 15; Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl., § 545 Rn. 12) ausgeschlossen, weil das Berufungsgericht die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt hat.

Demnach ist die Revision zwar statthaft, aber unbegründet (vgl. - MDR 1980, 203; vom - I ZR 27/87 - aaO; Beschluss vom - III ZR 91/03 - aaO).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2006 S. 1360 Nr. 25
NJW-RR 2006 S. 930 Nr. 13
KAAAC-03041

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja