Leitsatz
[1] Auch bei Mandaten, die noch nicht unter die Regelung des § 5 RVG fallen, kann der Rechtsanwalt je nach den Umständen eine Vergütung in Höhe der vollen gesetzlichen Gebühren verdienen, wenn er sich durch einen Assessor vertreten läßt. Dies ist in der Regel jedenfalls dann der Fall, wenn der Assessor bei dem Rechtsanwalt angestellt ist. Die so verdiente Vergütung hat der Prozeßgegner unter den Voraussetzungen des § 91 Abs. 1 ZPO zu erstatten; sie ist im Verfahren nach den §§ 104 ff. ZPO unter den dort geltenden Voraussetzungen festzusetzen.
Gesetze: BRAGO § 4; RVG § 5; BGB § 612; ZPO § 91 Abs. 1; ZPO §§ 104 ff.
Instanzenzug: LG Zwickau vom AG Plauen
Gründe
I.
Die Beklagten wenden sich mit der Rechtsbeschwerde dagegen, daß der Rechtspfleger des Amtsgerichts in einem Zivilrechtsstreit im Rahmen der Kostenfestsetzung zugunsten des Klägers eine Verhandlungs- und eine Vergleichsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 2, § 23 BRAGO) als erstattungsfähig berücksichtigt hat, obwohl der Kläger in dem einzigen Verhandlungstermin, in dem auch der Vergleich geschlossen wurde, nicht durch seine Prozeßbevollmächtigten, sondern durch den bei diesem angestellten Assessor M. vertreten wurde.
Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie von dem Landgericht als Beschwerdegericht zugelassen worden ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist auch im übrigen zulässig. Der auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde zu berücksichtigende Beschwerdewert des § 567 Abs. 2 ZPO von mehr als 50 € ist erreicht.
Die Rechtsbeschwerde ist aber unbegründet. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat die festgesetzten Gebühren zu Recht als erstattungsfähig anerkannt.
1. § 4 BRAGO, der bisher eine Regelung für die Vergütung von Tätigkeiten enthält, die der Rechtsanwalt nicht persönlich vornimmt, nennt den Assessor - im Gegensatz zu der demnächst geltenden Regelung des § 5 RVG - nicht. Zu der Frage, ob ein Rechtsanwalt, der in einem Termin nicht persönlich auftritt, sondern sich durch einen Assessor vertreten läßt, die gesetzlichen Gebühren verdient und ob der von ihm vertretenen Partei insoweit ein Erstattungsanspruch zusteht, wurden bisher unterschiedliche Auffassungen vertreten. Die Lösungsvorschläge reichten von der Aberkennung jeder Gebühr über die Erstattung von Auslagen oder angemessener Auslagen bis hin zur Zuerkennung der vollen Gebühr (vgl. die Darstellung bei Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 4 Rn. 10).
2. Der Senat folgt der Auffassung, daß der Rechtsanwalt, der sich durch einen Assessor vertreten läßt, auch schon nach der bisher geltenden Rechtslage je nach den Umständen eine Vergütung in Höhe der vollen gesetzlichen Gebühren verdienen und daß seiner Partei ein entsprechender Erstattungsanspruch zustehen kann. Dies wird in der Regel jedenfalls dann der Fall sein, wenn - wie hier - der Assessor bei dem Prozeßbevollmächtigten angestellt ist und im übrigen auch seine Zulassung als Rechtsanwalt betreibt.
a) Im Gesetzgebungsverfahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß es nicht gerechtfertigt ist, dem Rechtsanwalt bei der Vertretung durch einen Assessor bei einem Rechtsanwalt den Gebührenanspruch ganz oder teilweise zu versagen. In der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts war die jetzt mit § 5 RVG Gesetz gewordene Regelung bereits enthalten und wurde - unter Hinweis auf den Streitstand - wie folgt begründet (BT-Drs. 15/1971, S. 78, 188): Insbesondere im Hinblick auf die höhere Qualifikation eines Assessors sei es nicht gerechtfertigt, daß der Rechtsanwalt zwar für eine Vertretung durch einen Stationsreferendar die volle Vergütung erhalten solle, bei einer Vertretung durch einen Assessor dagegen nicht. Daher sei es sachgerecht, daß auch die Vertretung durch einen Assessor in dem vorgesehenen § 5 RVG genannt werde. Diese Erwägungen leuchten aus Sachgründen ohne weiteres ein.
b) Allerdings kann der Anspruch nicht unmittelbar aus § 4 BRAGO hergeleitet werden. Dort ist der Assessor nicht genannt. Dies erklärt sich aus der Entwicklung dieser Vorschrift. Solange es noch des Status des Anwaltsassessors gab, war dieser in § 4 BRAGO aufgeführt. Nach der Abschaffung dieses Status wurde der Assessor aus der Vorschrift gestrichen (vgl. dazu E. Schneider, KostRsp. § 4 BRAGO Nr. 3). Die ersatzlose Streichung läßt sich allerdings allenfalls damit rechtfertigen, daß für den Gebührenanspruch nicht auf die Rechtskenntnisse des Vertreters, sondern auf seine öffentlichrechtliche Verantwortung abzustellen und dann in Betracht zu ziehen ist, daß auch der angestellte Assessor nur als Privatperson tätig wird (vgl. dazu Hartmann/Albers, Kostengesetze, 33. Aufl., § 4 BRAGO Rn. 7 f.).
c) Von der Sache her ist indes jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art eine Gleichstellung geboten. Insoweit kann dahinstehen, ob § 4 BRAGO "korrigierend" angewendet werden kann (für eine solche Lösung z.B.: OLG Frankfurt, MDR 1975, 767 f.; OLG Düsseldorf, AnwBl. 1978, 426).
Der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts folgt aus § 612 BGB. Die Partei, die zwar nicht von ihrem Anwalt persönlich, wohl aber von einem von diesem gestellten Volljuristen ordnungsgemäß vertreten wird, kann - sofern sich nicht aus abweichenden Vereinbarungen oder sonstigen Umständen etwas anderes ergibt - nicht erwarten, die entsprechenden Leistungen kostenlos zu erhalten. Deshalb wird für die alte Rechtslage bei Einschaltung eines Assessors die vereinbarte (§ 612 Abs. 1 BGB) oder beim Fehlen einer Vereinbarung die übliche Vergütung (§ 612 Abs. 2 BGB) geschuldet. Die übliche Vergütung wird sich beim Auftreten eines bei dem bestellten Rechtsanwalt angestellten Assessors in der Regel auf die vollen Gebühren der Bundesrechtsanwaltsordnung belaufen. Eine entsprechende Beurteilung haben die Gerichte auf Tatsachenebene vorzunehmen. Die Erstattungsfähigkeit dieser von der Partei ihrem Rechtsanwalt geschuldeten Vergütung ergibt sich sodann, sofern nicht die Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts ausnahmsweise zu verneinen ist, aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung erfolgt im Verfahren nach § 104 ff. ZPO.
Mit dieser Lösung (dafür z.B.: OLG Frankfurt, MDR 1995, 103 f.; OLG Hamm, AnwBl. 1992, 286; KostRsp. § 4 BRAGO Nr. 37 mit zustimmender Anm. von N. Schneider; LG Bochum, RPfleger 1988, 426 f.; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, aaO, Rn. 10 - 12; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO, 8. Aufl., § 4 Rn. 9; E. Schneider, KostRsp. § 4 BRAGO Nr. 4; N. Schneider, KostRsp. § 4 BRAGO Nr. 34) wird - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - § 4 BRAGO nicht umgangen. Denn diese Vorschrift besagt nur, in welchen Vertretungsfällen die Vergütung des Rechtsanwalts unmittelbar nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung zu bemessen ist. Eine differenzierende Regelung für von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Fallgestaltungen wird dadurch nicht ausgeschlossen.
3. Im Streitfall ist es nach den in den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden, daß ein Vergütungsanspruch des Prozeßbevollmächtigten des Klägers in voller Höhe der Gebührensätze der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung berücksichtigt worden ist. Die Rechtsbeschwerde greift nur die rechtlichen Grundlagen der Festsetzung, nicht die getroffenen Feststellungen an.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
UAAAC-02592
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja