Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 568 Satz 1; ZPO § 568 Satz 2 Nr. 2; ZPO § 568 Satz 2; ZPO § 348 Abs. 1 a.F.; ZPO § 568 Satz 3; ZPO § 547 Nr. 1
Instanzenzug: OLG Dresden vom
Gründe
I.
Die Beklagten sind in dem zugrundeliegenden Schadensersatzprozeß vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht (jeweils in Sachsen) von Rechtsanwalt S. vertreten worden, der einer überörtlichen Sozietät mit Kanzleisitzen sowohl im alten als auch im neuen Bundesgebiet angehört. Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht am kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Beklagten haben beantragt, die Rechtsanwaltsgebühren in voller Höhe ohne sogenannten "Ostabschlag" festzusetzen. Sie haben sich dabei auf einen Beschluß des Kammergerichts Berlin berufen, wonach bei überörtlichen Anwaltssozietäten, die ihren Sitz in den alten und in den neuen Bundesländern haben, die Kürzung von 10% nach den Vorschriften des Einigungsvertrages entfalle.
Der Rechtspfleger hat die Gebühren um 10% gekürzt festgesetzt. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten mit Beschluß des Senatsvorsitzenden als Einzelrichter vom zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser beantragen die Beklagten weiterhin die Heraufsetzung der Rechtsanwaltsgebühren. Sie rügen vorab die fehlerhafte Besetzung des Beschwerdegerichts (§ 547 Nr. 1 ZPO, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
II.
1. Die angefochtene Einzelrichterentscheidung unterliegt der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Dies rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht.
Dem angefochtenen Beschluß ist zu entnehmen, daß der Einzelrichter einerseits seine Zuständigkeit gemäß § 568 Satz 1 ZPO angenommen, andererseits eine grundsätzliche Bedeutung der Sache bejaht und deshalb die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Hierin liegt ein durchgreifender Verfahrensfehler. Der Einzelrichter durfte nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren wegen der von ihm bejahten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gem. § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO auf den Kollegialspruchkörper übertragen müssen. Er verfügt bei Rechtssachen, denen er grundsätzliche Bedeutung beimißt, über kein Handlungsermessen. Die Formulierung in der Begründung des Regierungsentwurfes zu § 568 Satz 2 ZPO deutet zwar auf ein Ermessen hin. Dort heißt es noch, daß der Einzelrichter die Sache unter den entsprechenden Voraussetzungen übertragen könne (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 111). Diese Formulierung wurde aber nicht in den Wortlaut des Gesetzes übernommen. Nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO überträgt der Einzelrichter das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung unter anderem, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Übertragungskriterien im einzelnen enthalten zwar unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Ausfüllung Aufgabe des originären Einzelrichters ist, diese sind aber bereits langjährig in der zivilprozeßrechtlichen Praxis erprobt worden, denn sie entsprechen denen in § 348 Abs. 1 ZPO a.F.. Grundsätzliche verfassungsrechtlich bedenkliche Auswirkungen auf die Bestimmtheit des gesetzlichen Richters haben sich in der bisherigen Praxis dabei nicht gezeigt.
Im vorliegenden Fall hat der Einzelrichter § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO auch nicht deshalb falsch angewendet, weil er die Norm in ihren Voraussetzungen falsch ausgelegt hätte, er hat vielmehr die gesetzlichen Grenzen seiner Entscheidungszuständigkeit bewußt nicht beachtet. Das von ihm in Anspruch genommene Übertragungsermessen besteht nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht. Die Vorschrift ist zwingend. Von ihr konnte der Einzelrichter auch nicht deshalb abweichen, weil er sich für die Rechtsauffassung, die seiner Entscheidung zugrunde liegt, auf die Rechtsprechung des Senats des Beschwerdegerichts stützen könnte, dem er angehört. Für eine solche Differenzierung läßt die genannte Vorschrift im Einzelfall keinen Raum (vgl. Senatsbeschluß vom - VI ZB 54/02 - noch nicht veröff. u. - zur Veröff. vorgesehen in BGHZ, m.w.N.). Bei dieser Sachlage erfüllt die Nichtübertragung des Verfahrens auf den Kollegialspruchkörper die Voraussetzungen der objektiven Willkür, so daß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt ist (vgl. BVerfGE 96, 68, 77; ferner BGHZ 85, 116, 118 f.; - zur Veröff. vorgesehen in BGHZ).
2. Die Rechtsbeschwerde weist zu Recht darauf hin, daß das Nachprüfungsverbot nach § 568 Satz 3 ZPO der auf § 547 Nr. 1 ZPO und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gestützten Rüge nicht entgegensteht. § 568 Satz 3 ZPO betrifft zum einen den Fall, daß bei Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Kollegium wegen der Bindung an diese Zulassung nicht mit dem Rechtsmittel geltend gemacht werden kann, die Sache sei doch nicht grundsätzlich und daher vom Beschwerdegericht in falscher Besetzung entschieden worden. Zum anderen soll im Fall der aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung statthaften Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) eine Verkennung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO durch den Einzelrichter der Nachprüfung entzogen werden. Ließe man die entsprechende Rüge im Rechtsbeschwerdeverfahren zu, fiele die Einzelrichterentscheidung bereits wegen des Verfahrensfehlers nach § 576 Abs. 3, § 547 Nr. 1 ZPO stets der Aufhebung anheim. Die Anwendung des § 568 Satz 3 ZPO auf Fälle der vorliegenden Art hätte hingegen zur Folge, daß die Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf den gesetzlichen Richter erst im Wege der Verfassungsbeschwerde nach Abschluß des Instanzenzuges gerügt werden könnte. Dies kann nicht Sinn des § 568 Satz 3 ZPO sein.
Fundstelle(n):
UAAAC-02553
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein