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BGH Beschluss v. - V ZR 330/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 286 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 527; ZPO § 528 a.F.; GKG § 8 a.F.

Instanzenzug:

Tatbestand

Der Kläger verkaufte im Dezember 1999 ein landwirtschaftliches Anwesen an die Beklagten. Diese müssen nach den Behauptungen des Klägers für den Kaufpreis und weitere vereinbarte Leistungen lediglich 400.000 DM aufwenden, während die verkauften Grundstücke nebst mitveräußertem Inventar einen Wert von mindestens 800.000 DM haben sollen.

Der Kläger hält den Kaufvertrag wegen Wuchers, zumindest aber als wucherähnliches, sittenwidriges Geschäft für nichtig. Nach Aufhebung eines ersten Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht hat er zudem behauptet, er habe sich bei Vertragsschluß in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden, der eine freie Willensbildung ausgeschlossen habe. Die Nichtigkeit der Vereinbarungen sei deshalb unabhängig von der Frage der Sittenwidrigkeit gegeben. Der Kläger verlangt von den Beklagten in erster Linie, seiner Wiedereintragung als Grundstückseigentümer zuzustimmen, hilfsweise, die Rückauflassung der Grundstücke an ihn. Mit dem nach Zurückverweisung der Sache erlassenen Urteil hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die - von dem Senat zugelassene - Revision des Klägers.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht geht von der Wirksamkeit des Kaufvertrages aus. Zwar sei ein grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu bejahen, die hierauf gestützte Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch erschüttert. Damit seien Sittenwidrigkeit und Wucher ausgeschlossen. Auf seine Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe sich der Kläger selbst nicht berufen.

Dies hält in einem wesentlichen Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

Die Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers übergangen hat, er sei sowohl zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am als auch bei der Nachtragsbeurkundung am nicht geschäftsfähig gewesen.

1. Allerdings hatte der Kläger sein Vorbringen zunächst auf eine Nichtigkeit des Kaufvertrages wegen Wuchers oder wegen Sittenwidrigkeit auf Grund eines wucherähnlichen Geschäfts beschränkt. Nur in diesem Zusammenhang hat der Kläger behauptet, er sei physisch und psychisch nicht in der Lage gewesen, sachgerechte Entscheidungen zu treffen. Dies hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung am vor dem Berufungsgericht klargestellt. Nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht hat der Kläger indessen seinen Vortrag erweitert und im Schriftsatz vom ausdrücklich und unter Beweisantritt behauptet, er sei im maßgeblichen Zeitraum nicht geschäftsfähig gewesen. Dieses neue Vorbringen hat das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Andernfalls wäre der Hinweis des Berufungsgerichts nicht verständlich, der Kläger habe sich auf seine Geschäftsunfähigkeit "selbst nicht berufen." Zudem ergibt sich die Nichtberücksichtigung dieses Vorbringens daraus, daß der Tatbestand des Berufungsurteils - abgesehen von einer pauschalen Bezugnahme auf die gewechselten Schriftsätze - nicht über die Sachverhaltsdarstellung in dem zuvor ergangenen Urteil des Senats hinausgeht, bei der die erst später aufgestellte neue Behauptung noch keine Erwähnung finden konnte.

2. Die Nichtberücksichtigung dieses neuen Vorbringens durch das Berufungsgericht stellt einen Verfahrensfehler dar. Da der Vortrag in zulässiger Weise in den Rechtsstreit eingebracht worden ist, hätte er nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO Beachtung finden müssen. Nach der Zurückverweisung an das Berufungsgericht sind die Parteien nur nach den allgemeinen Vorschriften - hier auf Grund der Präklusionsbestimmungen der §§ 527, 528 ZPO a.F. (§ 26 Nr. 5 EGZPO) - an neuem Vorbringen im Berufungsverfahren gehindert (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 563 Rdn. 6). Ob die Voraussetzungen für eine Zurückweisung des Vorbringens gegeben waren, bedarf keiner Entscheidung; denn der Senat vermag die von dem Berufungsgericht unterlassene Präklusion nicht nachzuholen (vgl. , NJW 1990, 1302, 1304).

3. Der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ist für dessen Entscheidung ursächlich geworden. Bleibt - wie hier - Vorbringen unberücksichtigt, so genügt für die Ursächlichkeit der Rechtsverletzung bereits die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung des Berufungsgerichts (Senat, Urt. v. , V ZR 187/02, NJW 2003, 3205, 3206). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt; denn sollte der Kläger seine fehlende Geschäftsfähigkeit beweisen können, wäre die Klage wegen der Nichtigkeit der Willenserklärungen des Klägers (§ 104 Nr. 2, § 105 BGB) bereits im Hauptantrag begründet.

4. Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben (§ 562 ZPO). Wegen der Notwendigkeit weiterer Feststellungen ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

5. Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem weiteren Verfahren vorbehalten. Für die Revisionsinstanz hält der Senat die Voraussetzungen des § 8 GKG a.F. (§ 72 Nr. 1 GKG n.F.) für gegeben.

Fundstelle(n):
ZAAAC-02265

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein