Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: AGBG § 9 Abs. 1; InVorG § 16 Abs. 1
Instanzenzug:
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom verkaufte die W. GmbH i.L. unter Beteiligung der - damals unter dem Namen Treuhandanstalt handelnden - Klägerin ein 2.830 m² großes Grundstück in L. zum Preis von 990.500 DM an den Beklagten. Unter § 9 des Vertrages verpflichtete sich der Beklagte, innerhalb von zwei bzw. vier Jahren nach Erteilung der Baugenehmigung in zwei Bauabschnitten ein Wohn- und Geschäftshaus zu errichten und hierfür 6.509.000 DM zu investieren; außerdem übernahm er die Verpflichtung zur Schaffung von drei Arbeitsplätzen. Für den Fall der nicht fristgerechten Durchführung des Vorhabens sollte der Verkäuferin ein Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks und auf Zahlung einer Vertragsstrafe zustehen. Nach § 11 der Urkunde mußte der Beklagte bei einer Weiterveräußerung des Grundstücks alle von ihm übernommenen Verpflichtungen dem Erwerber auferlegen. Zudem ist in § 5 des Vertrages unter der Überschrift "Mehrerlösabführung" bestimmt:
(1) Veräußert der Käufer den Kaufgegenstand ganz oder teilweise bis einschließlich , so hat er den über dem Kaufpreis liegenden Mehrerlös in Höhe von 80 % an den Verkäufer abzuführen. Bei einer Veräußerung nach dem , aber bis einschließlich , sind 50 % des Mehrerlöses abzuführen. ...
(2) Liegt der erzielte Kaufpreis unter dem Verkehrswert, sind 80 % bzw. 50 % des Betrages an den Verkäufer abzuführen, um den der zum Zeitpunkt der Veräußerung bestehende Verkehrswert den Kaufpreis übersteigt. Kommt eine Einigung über den Verkehrswert zwischen den Parteien nicht zustande, ist dieser durch einen von ihnen gemeinsam zu benennenden öffentlich bestellten, vereidigten Sachverständigen verbindlich festzustellen. Kommt auch über dessen Bestellung keine Einigung zustande, wird der Sachverständige auf Antrag einer der Vertragsparteien vom Präsidenten derjenigen Industrie- und Handelskammer bestimmt, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich der Kaufgegenstand belegen ist.
Da er nicht in der Lage war, das Investitionsvorhaben durchzuführen, verkaufte der Beklagte das Grundstück mit notariellem Vertrag vom wiederum zum Preis von 990.500 DM weiter und ließ sich hierbei die Erfüllung der Investitions- und Arbeitsplatzverpflichtungen zusichern. Die Erwerber haben das Anwesen inzwischen vereinbarungsgemäß bebaut.
Die Klägerin ging davon aus, daß der Weiterverkauf des Grundstücks zu einem Preis unter dem Verkehrswert erfolgt war. Nachdem sie sich mit dem Beklagten nicht auf einen Sachverständigen einigen konnte, ermittelte der von der Industrie- und Handelskammer benannte Sachverständige einen Verkehrswert des Grundstücks zum von Höhe von 1,4 Mio. DM.
Auf der Grundlage dieser Wertermittlung hat die Klägerin von dem Beklagten Zahlung von 204.750 DM als hälftigen Differenzbetrag zwischen Verkehrswert und Kaufpreis sowie Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von 3.060,15 DM verlangt. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht hat ihr das Oberlandesgericht in Höhe von 104.687,01 € (= 204.750 DM) stattgegeben. Mit seiner - in dem Berufungsurteil zugelassenen - Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Gründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hält - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - den Beklagten für verpflichtet, den hälftigen Differenzbetrag zwischen Kaufpreis und Verkehrswert an die Klägerin zu zahlen. Zwar handele es sich bei der hierfür maßgeblichen Vereinbarung unter § 5 Abs. 2 des Kaufvertrages um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nach § 9 Abs. 1 AGBG zu überprüfen seien. Dies führe aber nicht zur Unwirksamkeit der Vertragsklausel, weil sich eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten nicht feststellen lasse. Es gehe vielmehr darum, einen Teil der Gegenleistung abzuschöpfen, den der Beklagte aus der Weiterveräußerung erzielt habe. Dabei trete der Veräußerungsgewinn zwar nicht offen zu Tage, es liege aber bei einem Verkauf unter Verkehrswert die Annahme nahe, daß sich der Beklagte über die vertraglich ausgewiesene Gegenleistung weitere Leistungen habe versprechen lassen. Außerdem solle durch die Klausel eine Weiterveräußerung wegen der mit ihr verbundenen Gefahr einer Verzögerung und der geschwächten Durchsetzbarkeit des Investitionsvorhabens erschwert werden. Der Verkehrswert des Anwesens zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs ergebe sich in Höhe von 1,4 Mio. DM sowohl aus dem von der Klägerin eingeholten Gutachten als auch aus den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung des hälftigen Differenzbetrages zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und dem Kaufpreis bei dessen Weiterveräußerung zu. Die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs, der sich allein aus § 5 Abs. 2 des Kaufvertrages vom ergeben kann, sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zwar geht das Berufungsgericht ohne weiteres davon aus, daß eine Zahlungsverpflichtung immer schon dann besteht, wenn der bei der Weiterveräußerung erzielte Kaufpreis hinter dem Verkehrswert des Grundstücks zurückbleibt. Das trifft jedoch nicht zu. Vielmehr ist die betreffende Vertragsklausel dahin zu verstehen, daß sie einen zwischen dem Ersterwerb und der Weiterveräußerung gestiegenen Verkehrswert des Grundstücks voraussetzt. Das Berufungsgericht läßt ersichtlich außer acht, daß auch bei einer ihrem Wortlaut nach eindeutigen Willenserklärung eine Auslegung notwendig ist, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (BGHZ 86, 41, 46). Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat die unterlassene Auslegung nachholen (BGHZ 65, 107, 112; 124, 39, 45; Senat, Urt. v. , V ZR 334/98, NJW-RR 2000, 894, 895). Sie führt zu dem dargestellten Ergebnis unabhängig davon, ob die Vertragsklausel Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Individualvereinbarungen zum Inhalt hat. Deshalb bedarf es auch keiner Entscheidung über die Wirksamkeit der Klausel für den Fall der Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes.
1. Handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, so sind diese gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (vgl. BGHZ 102, 384, 389 f; , NJW 2001, 2165, 2166). Der Senat hat für eine in den entscheidenden Punkten vergleichbare "Spekulationsklausel" (vgl. Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992, 293, 299) bereits entschieden, daß nach ihr nur der bei der Weiterveräußerung nicht ausgeschöpfte Mehrwert auszugleichen ist, der in einer nach dem Ersterwerb eingetretenen Wertsteigerung des Grundstücks liegt (Senat, Urt. v. , V ZR 78/02, Umdruck S. 7 ff, zur Veröffentlichung vorgesehen). Im vorliegenden Fall gilt nichts anderes.
a) Auch hier verlangen der Gesamtzusammenhang der Vertragsklauseln und der mit der Vereinbarung unter § 5 Abs. 2 verfolgte Zweck eine restriktive Auslegung der Klausel. Der Kaufpreis wurde unter § 4 des Vertrages endgültig festgelegt; seine nachträgliche Überprüfung (Nachbewertung) soll durch die Vereinbarungen unter § 5 schon nach der Überschrift ("Mehrerlösabführung") nicht ermöglicht werden. Die Vertragsbedingungen zeigen demnach eine Struktur, die für den typischen Vertragspartner in § 5 nur eine Regelung erwarten läßt, mit der nach dem Erwerb eingetretene Vorteile abgeschöpft werden sollen. Damit ist nicht allein ein tatsächlich erzielter Mehrerlös angesprochen, für den unter § 5 Abs. 1 eine Regelung getroffen ist. Möglich ist vielmehr auch, daß für den Ersterwerber bei dem Weiterverkauf ein Wertzuwachs zwar realisierbar ist, aber gleichwohl nicht oder nicht voll ausschöpft wird. Einen solchen Fall will § 5 Abs. 2 ersichtlich regeln, um zu verhindern, daß die in § 5 Abs. 1 geregelte Verpflichtung zur Mehrerlösabführung durch einen manipulativ niedrigen Kaufpreis umgangen werden kann. Demnach setzen beide Klauseln voraus, daß nach dem Ersterwerb eine - nicht auf Aufwendungen des Erwerbers zurückzuführende (vgl. § 5 Abs. 3 des Vertrages) - Steigerung des Verkehrswerts eingetreten ist.
b) Im vorliegenden Fall hat sich der Verkehrswert des Grundstücks nach dessen Verkauf an den Beklagten nicht erhöht. Selbst die Klägerin hat einen solchen Wertzuwachs nicht behauptet, sondern im Gegenteil vorgetragen, nach den Bodenrichtwerten hätte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Dezember 1992 statt der vereinbarten 350 DM/m² für die Kaufpreisbemessung 600 DM/m² zugrunde gelegt werden müssen. Dagegen errechnen sich aus dem Verkehrswert, den die Klägerin für den Zeitpunkt der Weiterveräußerung mit 1,4 Mio. DM behauptet, nur etwa 495 DM/m². Nach dem Vortrag der Klägerin ist also von einer sogar rückläufigen Entwicklung des Verkehrswertes in der Zeit nach dem Verkauf an den Beklagten auszugehen.
c) Im Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem zitierten Urteil des Senats vom zugrunde lag, mußte der Beklagte allerdings die Verkäuferin für den Fall des Bestehens eines Anspruchs nach § 16 Abs. 1 InVorG uneingeschränkt von allen Forderungen freistellen, die über den gelei-steten Kaufpreis hinausgingen (§ 8 Abs. 7 des Kaufvertrages). Gleichwohl brauchte der typische Erwerber auch hier nicht zu befürchten, daß es im Fall einer Weiterveräußerung des Grundstücks zu einer nachträglichen Überprüfung des fest vereinbarten Kaufpreises nach Maßgabe des damaligen Verkehrswertes kommen werde. In der fraglichen Vertragsklausel wird nämlich darauf hingewiesen, daß das Grundstück "zum Verkehrswert" veräußert sei. Selbst wenn dieser Hinweis nach dem Verständnis der Vertragsparteien die Einbeziehung der übernommenen Investitions- und Arbeitsplatzverpflichtung in die Gegenleistung des Käufers voraussetzte, konnte der typische Erwerber davon ausgehen, daß er vor Nachforderungen gesichert war, wenn er zu denselben Konditionen weiterverkaufte, zu denen er selbst erworben hatte. Dann entsprach die Gegenleistung des Zweiterwerbers ebenfalls dem vertraglich vorausgesetzten Verkehrswert, weshalb eine Freistellungsverpflichtung gegenüber der Verkäuferin nicht erwartet werden mußte. Hierauf kann sich der Beklagte berufen. Er verkaufte das Grundstück zu den Bedingungen des eigenen Erwerbs weiter; er vereinbarte nicht nur den Kaufpreis in gleicher Höhe, sondern verpflichtete die Erwerber auch zur Erfüllung der von ihm geschuldeten Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen.
d) Die Investitions- und Arbeitsplatzverpflichtungen, die der Beklagte hier - wiederum im Unterschied zu dem durch das Urteil des Senats vom entschiedenen Fall - übernommen hat, führen ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Zur Durchsetzung der Investitions- und Arbeitsplatzziele vermag die Verpflichtung, im Falle einer Weiterveräußerung einen Teil der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem damaligen Verkehrswert abzuführen, nichts beizutragen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin im Regelfall nicht daran interessiert sein, durch eine Nachforderung auf den Kaufpreis eine Weiterveräußerung zu erschweren. Das Grundstück gelangt auf diesem Weg nämlich in die Hände eines Erwerbers, der im Unterschied zum Erstkäufer über die finanziellen Mittel oder auch über die Risikobereitschaft verfügt, das Investitionsvorhaben - zu dessen Durchführung er sich jedenfalls gegenüber dem Verkäufer verpflichten mußte - zu realisieren.
2. Liegt keine formularvertragliche Vereinbarung, sondern eine Individualabrede vor, so hat die Auslegung im Unterschied zu den vorstehenden Überlegungen die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 77, 116, 118; 79, 117, 118 f). Auch dies führt jedoch zu demselben Ergebnis, wonach die Klägerin nur einen Ausgleich des - bei der Weiterveräußerung nicht ausgeschöpften - Wertzuwachses verlangen kann, der in der Zeit nach dem Erwerb des Grundstücks durch den Beklagten entstanden ist. Es gibt weder Hinweise auf einen hiervon abweichenden übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien, noch auf Verständnismöglichkeiten des Beklagten, die von denen eines typischen Erwerbers abweichen. Insbesondere ist nichts für besondere Begleitumstände oder für eine Interessenlage ersichtlich, die nicht mit der stets wiederkehrenden Situation - wie sie für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen maßgeblich ist (vgl. BGHZ 60, 377, 380; , NJW 1999, 1711, 1714) - übereinstimmt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstelle(n):
QAAAC-02216
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein