BGH Urteil v. - V ZR 162/04

Leitsatz

[1] Der Berechtigte ist bei der Restitution eines Grundstücks in der Form eines Unternehmensrests nicht zum Wertausgleich nach § 7 VermG, sondern nur zur Ablösung von Verbindlichkeiten nach Maßgabe von § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG verpflichtet.

Gesetze: VermG § 6 Abs. 6a; VermG § 7

Instanzenzug: AG Neuruppin

Tatbestand

Am verkaufte die Rechtsvorgängerin der Beklagten auf Grund eines Investitionsvorrangbescheids vom ein Gaststättengrundstück für 153.000 DM an einen Investor. Das Grundstück gehörte zu dem 1952 enteigneten und danach stillgelegten Land- und Gastwirtschaftsunternehmen des W. W. , dessen Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist. Das Gaststättengebäude wurde 1974 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Die übrigen elf Grundstücke des Unternehmens wurden der Klägerin durch Bescheid des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom zurückübertragen.

Die Beklagte kehrte der Klägerin 22.600 DM als Kaufpreisanteil für das Grundstück aus. Die Auskehrung auch des auf das Gaststättengebäude entfallenden Anteils am Kaufpreis in Höhe von 129.400 DM (= 66.161,17 €) verweigerte sie unter Hinweis auf einen noch zu leistenden Wertausgleich nach § 7 VermG.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Gegen ihre über 1.201,54 € hinausgehende Verurteilung hat die Beklagte Berufung eingelegt, die das Oberlandesgericht zurückgewiesen hat. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht ist der Meinung, der Klägerin stehe als Berechtigter nach dem Vermögensgesetz auch der auf das Gaststättengebäude entfallende Kaufpreisanteil zu. Zwar müsse sich der Berechtigte auf den an ihn auszukehrenden Erlös einen Ausgleich für Wertverbesserungen anrechnen lassen, den er auch im Fall der Restitution zu leisten habe. Dieser Ausgleich richte sich bei dem hier vorliegenden Fall der Rückgabe eines Grundstücks als sog. Unternehmensrests nicht nach § 7 VermG, sondern allein nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG, dessen Voraussetzungen die Beklagte nicht dargelegt habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe § 7 VermG zwar 1996 auf den Fall der Restitution von Unternehmensresten analog angewandt. Diese Rechtsprechung sei aber durch eine zwischenzeitlich eingetretene Gesetzesänderung überholt und vom Bundesverwaltungsgericht seitdem auch nicht mehr aufrechterhalten worden. Ein Anspruch auf Wertersatz nach zivilrechtlichen Vorschriften stehe der Beklagten nicht zu, weil sie tatbestandlich nicht vorlägen und im übrigen auch durch die Sonderregelungen des Vermögensgesetzes ausgeschlossen seien.

II.

Diese Erwägungen treffen zu.

1. Die Klägerin kann von der Beklagten Auszahlung des gesamten Kaufpreises verlangen. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG, weil das Gaststättengrundstück auf Grund des Investitionsvorranggesetzes veräußert wurde, das die Entschädigung des Berechtigten nach § 1 Satz 2 eigenständig regelt und einen Rückgriff auf § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG verschließt (Rapp in RVI, § 16 InVorG Rdn. 117; Wellhöfer in RVI, § 6 VermG Rdn. 249).

2. Diesem Anspruch der Klägerin kann die Beklagte keinen Anspruch auf Wertverbesserung infolge der Ersetzung des alten Gaststättengebäudes durch ein neues entgegenhalten.

a) Ein solcher Anspruch bliebe allerdings nach § 11 Abs. 2 Satz 1 InVorG von der investiven Veräußerung des Grundstücks unberührt. Der nach § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG zu zahlende Erlös tritt als Surrogat an die Stelle des Grundstücks (Senatsurt. v. , V ZR 82/00, VIZ 2001, 602, 603 f.; BVerwG, VIZ 2001, 96, 98 f.; v. Drygalski/Hecker in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 16 InVorG Rdn. 27 f.; Kimme/Wegner, Offene Vermögensfragen, § 16 InVorG Rdn. 20 f; Rapp in RVI § 16 InVorG Rdn. 41, 52). Er dürfte deshalb dem Berechtigten in entsprechender Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Nr. 2 HyAblV erst ausgezahlt werden, wenn der Berechtigte eine Verpflichtung zum Wertausgleich nach § 7 VermG erfüllt oder hierfür Sicherheit geleistet hätte.

b) Ein Verpflichtung zum Wertausgleich nach § 7 VermG besteht im vorliegenden Fall indes nicht, so daß auch die Grundlage für die Anwendung von § 4 Abs. 1 HypAblV fehlt.

aa) § 7 VermG ist nur anzuwenden, wenn dem Berechtigten im Rahmen einer Einzelrestitution ein Grundstück zu übertragen oder an Stelle des Grundstücks der Veräußerungserlös auszuzahlen ist. Hier wäre dem Kläger das Gaststättengrundstück nicht als einzelner enteigneter Vermögenswert nach § 3 VermG, sondern als Rest des enteigneten Unternehmens von W. W. nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG zu übertragen gewesen. Für die Unternehmensrestitution nach § 6 VermG gilt § 7 VermG nach seinem Absatz 6 nicht. Als Unternehmensrestitution in diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch bis 1996 nur die Restitution noch bestehender Unternehmen angesehen, nicht hingegen die Restitution der Reste nicht mehr bestehender Unternehmen. Diese sah es als einen der Einzelrestitution so stark angenäherten Sonderfall der Unternehmensrestitution an, daß ein Ausschluß nach § 7 Abs. 6 VermG nicht anzunehmen und Wertausgleich auch bei der Restitution von Unternehmensresten zu leisten war (VIZ 1996, 210, 212; 339, 340; inhaltlich anders noch in VIZ 1994, 187).

bb) Das entsprach nicht den Vorstellungen des Gesetzgebers. Er wollte auch die Restitution von Unternehmensresten nach den Grundsätzen der Unternehmensrestitution behandelt wissen (BT-Drucks. 13/7275 S. 47). Um das sicherzustellen, hat er mit dem Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz vom (BGBl. I S. 1823) § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG neu gefaßt (BT-Drucks. 13/7275 S. 47). Der Berechtigte hat nach dem geänderten § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG nicht die Wertverbesserung des zurückzugebenden Unternehmensrestes auszugleichen, sondern bestimmte Verbindlichkeiten anteilig abzulösen. Das ist mit der Verpflichtung zum Ausgleich der Wertsteigerung eines einzelnen Unternehmensgegenstandes inhaltlich unvereinbar. Dieser Sy-stemwechsel entzieht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts inhaltlich den Boden (Wasmuth, RVI, § 7 VermG Rdn. 152; VG Gera, VIZ 2003, 188, 190; inhaltlich ebenso schon LG Erfurt OLG-NL 1996, 176, 177). § 7 Abs. 6 VermG ist deshalb seit dieser Änderung auf die Restitution von Unternehmensresten anzuwenden. Damit ist ein Wertausgleich aber insoweit kraft Gesetzes ausgeschlossen.

cc) Daß der Anspruch auf Restitution von Unternehmensresten nur nach § 6 Abs. 6a Sätze 1 und 2 VermG zu messen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem von dem Berufungsgericht zitierten Urteil vom (VIZ 1998, 144, 146) ausdrücklich anerkannt. Deshalb hat es darin die Aufhebung des Bescheids auch nicht wegen Fehlens einer Entscheidung nach § 7 VermG, sondern wegen Fehlens einer Entscheidung nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG bestätigt. Nichts anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision aus dem (VIZ 2004, 66, 68). Dort hat das Bundesverwaltungsgericht die Restitution eines Unternehmensrestes gegen Zahlung eines Ausgleichs auf der Grundlage von § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG mit der Erwägung bestätigt, die Erfüllung der Ausgleichsansprüche nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG müsse genauso sichergestellt werden wie die Erfüllung der Wertersatzansprüche nach §§ 7, 7a VermG bei der Einzelrestitution. Das setzt gedanklich voraus, daß beide Vorschriften auf die Unternehmensrestitution in der Form der Rückgabe von Unternehmensresten nicht anwendbar sind. Jedenfalls leitet das Bundesverwaltungsgericht eine Ausgleichspflicht des Berechtigten seit der Neufassung von § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz ausschließlich aus dieser Vorschrift, und nicht mehr aus § 7 VermG ab (BVerwG, ZOV 1998, 213, 214; VIZ 2004, 27, 28).

c) Ansprüche auf Ersatz einer Wertverbesserung lassen sich bei der Restitution von Unternehmensresten auch nicht in Analogie zu § 6 Abs. 3 VermG begründen. Zum einen ist der Berechtigte bei der Restitution eines noch lebenden Unternehmens gerade nicht verpflichtet, die Verbesserung an einzelnen Vermögensgegenständen des Unternehmens auszugleichen. Entscheidend ist vielmehr, ob der Wert des Unternehmens insgesamt gestiegen ist. Deshalb stellt § 6 Abs. 3 Satz 1 VermG auch nicht auf eine Bewertung der einzelnen Vermögensgegenstände, sondern auf die Gesamtbilanz des Unternehmens ab. Zum anderen soll der Berechtigte bei der Restitution einzelner Grundstücke eines nicht mehr bestehenden Unternehmens nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG nur bestimmte Verbindlichkeiten anteilig abzulösen haben. Das schließt die Anwendung von § 6 Abs. 3 VermG aus. Die Wertverbesserung, die ein dem Berechtigten zurückübertragener Unternehmensgegenstand erfahren hat, ist im System der Unternehmensrestitution nicht gesondert auszugleichen, sondern nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EntschG auf die Entschädigung für den Verlust des Unternehmens anzurechnen.

d) Zivilrechtliche Ausgleichsansprüche bestehen neben den Ausgleichsverpflichtungen nach dem Vermögensgesetz nicht.

4. Einen hiernach nur in Betracht kommenden Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen hat zwar noch nicht entschieden, ob auf den Erlös aus dem Verkauf des Gaststättengrundstücks zu übernehmende Verpflichtungen anzurechnen sind. Es hat in seinem Bescheid aber die Restitution der anderen elf Grundstücke des Unternehmens nicht von einer Zahlung nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG abhängig gemacht, weil anrechenbare Verbindlichkeiten nicht bestünden. Daß und aus welchen Gründen das gerade bei dem verkauften Grundstück und dem jetzt auszukehrenden Erlös anders sein könnte, hat die Beklagte trotz eines entsprechenden Hinweises des Berufungsgerichts nicht dargelegt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW-RR 2005 S. 967 Nr. 14
RAAAC-02006

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja