BGH Beschluss v. - V ZB 59/02

Leitsatz

[1] Die Zulassung einer kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde durch das Berufungsgericht bindet das Rechtsbeschwerdegericht nicht.

Gesetze: ZPO § 574 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 3

Instanzenzug: OLG Rostock vom LG Schwerin

Gründe

I.

Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang die Beklagte dem Kläger Ersatz für Einbußen in der Bewirtschaftung von gepachteten Ackerflächen zu zahlen hat, die dieser ihr für den Bau der Bundesautobahn A 20 überlassen hatte. Das Landgericht hat der Klage durch ein der Beklagten am zugestelltes Urteil dem Grunde nach stattgegeben. Die von der Beklagten hiergegen am eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht durch Beschluß als unzulässig verworfen, weil die Berufungsschrift von dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten nicht unterschrieben sei. Das am Ende der Berufungsschrift angebrachte Schriftgebilde sei nur eine Paraphe, keine Unterschrift. Dagegen richtet sich die von dem Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

1. Sie ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO von Gesetzes wegen statthaft, weil sie sich gegen einen Beschluß richtet, durch den die Berufung als unzulässig verworfen worden ist. Zulässig ist sie aber nach § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Das ist nicht der Fall.

2. Das Berufungsgericht hat die Rechtsbeschwerde zwar zugelassen und damit implizit das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bejaht, ohne dies allerdings näher auszuführen. An diese Beurteilung ist der Senat aber nicht gebunden, weil § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO, der eine solche Bindung bestimmt, auf Rechtsbeschwerden, die kraft Gesetzes statthaft sind, nicht anwendbar ist. Die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde hängt zwar in der Sache stets davon ab, daß die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO gegeben sind. Anders als bei der Revision, die bei Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen von den Berufungsgerichten und, wenn diese eine zulassungsfähige Revision nicht zulassen, (im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde) auch vom Revisionsgericht, zugelassen werden kann, sind bei Rechtsbeschwerden Verfahren und Entscheidungskompetenz in den beiden Fallgruppen des § 574 Abs. 1 ZPO unterschiedlich geregelt. Grundsätzlich soll die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde von ihrer Zulassung durch das Berufungs- oder Beschwerdegericht abhängen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), dem deshalb auch die alleinige Kompetenz zur Entscheidung darüber zugewiesen ist, ob die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen (§ 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Das Ergebnis dieser Prüfung soll bei Zulassung wie auch bei Ablehnung bindend sein. In bestimmten, für den Rechtschutz besonders bedeutsamen Fällen soll die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde dagegen bewußt nicht von einer Zulassung durch das Berufungs- oder Beschwerdegericht abhängen, sondern ohne weiteres gegeben sein (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Da in solchen Fällen eine Zulassung nicht stattfindet, kann die gleichwohl erforderliche Prüfung der Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sinnvollerweise nur durch das Rechtsbeschwerdegericht erfolgen, dem diese Prüfung auch allein zugewiesen ist. In diesem Punkt sind die Vorschriften über die Zulassung der Rechtsbeschwerde mit den Vorschriften des früheren Revisionsrechts vergleichbar. Jenes hatte mit der Rechtsbeschwerde gemein, daß die Entscheidungskompetenz über die Durchführung des Rechtsmittels zwischen dem Ausgangsgericht und dem Rechtsmittelgericht nach Sachkriterien (dort Wert der Beschwer, hier Statthaftigkeit des Rechtsmittels von Gesetzes wegen) verteilt war. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts in der dem Revisionsgericht vorbehaltenen Materie war nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne Wirkung (BGHZ 69, 93, 95; Beschl. v. , I ZR 30/79, NJW 1980, 786; v. , IVa ZR 136/82, NJW 1984, 927). Nichts anderes gilt hier. Die Zulassung einer kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde durch das Berufungs- oder Beschwerdegericht entbehrt einer gesetzlichen Grundlage und löst deshalb auch keine Bindungswirkung aus. Dies entspricht auch den Vorstellungen des Gesetzgebers bei Schaffung der Vorschriften über die Zulassung der Rechtsbeschwerde. In den Fällen, in denen die Rechtsbeschwerde kraft Gesetzes statthaft ist, "obliegt die Überprüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen stets dem Rechtsbeschwerdegericht", heißt es dazu in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4722 S. 116).

3. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung in der Sache ist auch weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Anforderungen, die an das Vorliegen einer gültigen Unterschrift zu stellen sind, sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem geklärt (, NJW 1997, 3380 f. m.w.N.), was auch die Beschwerdebegründung nicht verkennt. Es geht nur um die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall. Diese hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und läßt über den Fall hinausreichende Erkenntnisse nicht erwarten. Rechtsfehler, die eine Zulassung erfordern könnten, sind nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
NAAAC-01874

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja