BGH Beschluss v. - V ZB 17/06

Leitsatz

[1] Die Auslegung der in das Grundbuch eingetragenen Befugnis eines Wohnungseigentümers, auf dem Dach des gemeinschaftlichen Gebäudes "eine Funkfeststation" zu betreiben, führt nicht dazu, dass der Betrieb einer Mehrzahl solcher Anlagen gestattet wäre.

Gesetze: WEG § 7 Abs. 1; WEG § 13 Abs. 2

Instanzenzug: LG München I 1 T 15984/04 vom OLG München 34 Wx 16/05 vom

Gründe

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage in O. . Die Antragsgegnerin ist die Wohnungseigentümerin der Einheit Nr. 89. Die Antragsteller sind die übrigen Wohnungseigentümer. Nach § 22 der in das Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung (GO) ist der jeweilige Eigentümer der Einheit Nr. 89 berechtigt,

"... auf dem Dach des Gebäudes eine standortbezogene Funkfeststation und/oder Antennenanlage einschließlich aller hierfür erforderlichen Einrichtungen und Anlagen, insbesondere Stromanschluss, Stromzähler, Technikeinheit uneingeschränkt zu errichten, wieder aufzubauen, baulich zu ändern, instand zu setzen, instand zu halten, dauernd zu unterhalten und zu nutzen. ... Eine Funkfeststation besteht insbesondere aus der Versorgungs-einheit, den Antennenträgern und der Antennenanlage. ..."

Auf dem Dach des Gebäudes befindet sich derzeit eine Mobilfunkanlage. Die Antragsgegnerin beabsichtigt die Montage zweier weiterer Anlagen.

Hiergegen wenden sich die Antragsteller. Das Amtsgericht hat einem entsprechenden Unterlassungsantrag stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen. Es meint, das Vorhaben der Antragsgegnerin bedeute eine nach der Gemeinschaftsordnung zulässige bauliche Änderung der vorhandenen Anlage. Das Oberlandesgericht München möchte der hiergegen gerichteten sofortigen weiteren Beschwerde der Antragsteller stattgeben. Es sieht sich daran durch den (NZM 2002, 612) gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 45 Abs. 1 WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG).

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, das Vorhaben der Antragsgegnerin bedeute die Errichtung weiterer eigenständiger Funkfeststationen neben der bereits vorhandenen Anlage. Dies sei von der Gemeinschaftsordnung nicht gedeckt. Die Gestattung, "eine" Funkfeststation zu errichten, sei im Sinne eines Zahlworts zu verstehen. Da die vorhandene Funkfeststation bei Beschluss der Gemeinschaftsordnung bestanden habe, spreche vieles dafür, dass die bestehende Anlage rechtlich abgesichert werden sollte. Dem entspreche der spätere Versuch des ursprünglichen Eigentümers der Wohnanlage, die Gestattung auf die Errichtung mehrerer Funkanlagen zu erweitern.

Demgegenüber vertritt das Oberlandesgericht Köln in der Vergleichsentscheidung, die eine nahezu wortgleiche Gemeinschaftsordnung betrifft, die Ansicht, der Berechtigte sei zur Errichtung weiterer Anlagen befugt. Die Formulierung "eine Funkfestanlage" sei im Sinne eines unbestimmten Artikels zu verstehen, dessen Zweck in der Abgrenzung gegenüber anderen möglichen technischen Einrichtungen bestehe und keine Beschränkung der Anzahl der Anlagen bedeute.

Die Divergenz zwischen dem vorlegenden Oberlandesgericht und dem Oberlandesgericht Köln rechtfertigt die Vorlage. Zwar betrifft die Abweichung lediglich die Auslegung eines Rechtsgeschäfts, nämlich einer in das Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung als Bestandteil einer Teilungserklärung. Da die in Rede stehende Regelung jedoch über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus Verwendung findet, weist sie normähnlichen Charakter auf und ist deshalb einer bundesrechtlichen Vorschrift im Sinne des § 28 Abs. 2 FGG gleichzustellen (vgl. Senat, BGHZ 113, 374, 376; 121, 236, 238; BGH, BGHZ 88, 302, 304; 92, 18, 21).

III.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG, §§ 27, 29, 22 Abs. 1 FGG). Sie hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts können die Antragsteller nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG von der Antragsgegnerin verlangen, die Montage weiterer Mobilfunkanlagen zu unterlassen.

1. Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit der Beteiligtenbezeichnung in der Antragsschrift die Wohnungseigentümer mit Ausnahme der Antragsgegnerin als Antragsteller angesehen. Das trifft zu.

Nach der neueren Rechtsprechung des Senats bildet die Wohnungseigentümergemeinschaft einen teilrechtsfähigen Verband, der Beteiligter eines gerichtlichen Verfahrens sein kann (Senat, BGHZ 163, 154 ff.). Soweit zur Bewirtschaftung des gemeinschaftlichen Gebäudes und des Grundstücks der Abschluss von Rechtsgeschäften mit Dritten erforderlich ist, erfolgt dies durch den insoweit rechtsfähigen Verband, der aus den abgeschlossenen Verträgen berechtigt und verpflichtet wird. Gerichtliche Verfahren wegen Ansprüchen aus solchen Verträgen sind von dem bzw. gegen den Verband anhängig zu machen. Im Verhältnis der Wohnungseigentümer zueinander sind die Ansprüche auf Erfüllung der regelmäßigen und besonderen Beiträge dem Verband zugeordnet und daher von diesem gegenüber den Wohnungseigentümern gerichtlich geltend zu machen.

Der Verband ist jedoch weder Mitglied der Eigentümergemeinschaft noch Miteigentümer des Grundstücks. Unterlassungsansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück stehen daher weder dem Verband zu, noch können sie ohne einen entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümer von dem Verband gerichtlich geltend gemacht werden (vgl. Senat, BGHZ 116, 332, 335; ferner Wenzel, ZWE 2006, 2, 6; Briesemeister, ZWE 2006, 15; Demharter, NZM 2006, 81, 82). Dem entspricht die Inanspruchnahme der Antragsgegnerin durch die Antragsteller. Ein den Verband ermächtigender Beschluss der Wohnungseigentümer, von der Antragsgegnerin gerichtlich zu verlangen, die Errichtung weiterer Mobilfunkstationen auf dem Dach des Gebäudes zu unterlassen, ist nicht getroffen.

2. Der Antrag ist auch nicht deshalb zurückzuweisen, weil die Antragsteller im vorliegenden Verfahren durch ihren gemeinschaftlichen Bevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, nicht wirksam vertreten wären. Der Bevollmächtigte der Antragsteller ist von der Verwalterin der Eigentümergemeinschaft beauftragt worden, die Interessen der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin gerichtlich geltend zu machen. Nach § 7 Abs. 3 des Verwaltervertrages vom ist der Verwalter "in gerichtlichen Verfahren ... ermächtigt, nach Genehmigung durch den Verwaltungsbeirat auch einen fachkundigen Rechtsanwalt ... einzuschalten und Maßnahmen zu treffen, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines sonstigen Rechtsstreits/Rechtsnachteils erforderlich sind". Diese Regelung soll dem Verwalter in Angelegenheiten, die keinen Aufschub bis zur nächsten ordentlichen Eigentümerversammlung dulden, die Befugnis geben, die Ansprüche Wohnungseigentümer im Hinblick auf ihre Mitberechtigung an dem Grundstück und dem Gebäude zu wahren. Hieran hat sich durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft in der Entscheidung des Senats vom , BGHZ 163, 154 ff, nur insoweit etwas geändert, als die interessengerechte Auslegung der in dem Verwaltervertrag zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und der Verwalterin (vgl. Abramenko, ZMR 2006, 6, 7) enthaltenen Bestimmung nunmehr dahin führt, dass der Verwalter in den genannten Fällen bevollmächtigt ist, die Ansprüche des Verbands in dessen Namen und die gemeinschaftsbezogenen Ansprüche aus dem Miteigentum im Namen der Wohnungseigentümer wahrzunehmen und hierzu einem Rechtsanwalt Untervollmacht zu erteilen.

Die Voraussetzungen der Bestimmung liegen vor. Bei Antragstellung am lag ein Eilbedürfnis vor. Die Montage weiterer Funkeinrichtungen auf dem Dach des Hauses durch die Antragsgegnerin stand unmittelbar bevor. Die Zustimmung des Verwaltungsbeirats mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Geltendmachung der hiergegen gerichteten Ansprüche der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin durch die Verwalterin ist am erteilt worden.

3. Die Entscheidung, ob eine Neuerrichtung oder - wie das Beschwerdegericht meint - lediglich eine bauliche Änderung einer Funkfeststation vorliegt, hängt maßgeblich davon ab, was nach der Gemeinschaftsordnung unter einer solchen Anlage zu verstehen ist.

Die Gemeinschaftsordnung definiert eine Funkfeststation als Einrichtung, die aus drei Bauteilen besteht, nämlich den Antennenträgern, der Antennenanlage und der Versorgungseinheit. Daraus ergibt sich, dass jede Einheit, die über diese Bauteile verfügt, nach dem Verständnis der Gemeinschaftsordnung eine Funkfeststation darstellt. Ist ein Vorhaben daher - wie im vorliegenden Fall - auf die Montage sämtlicher drei Komponenten gerichtet, so bedeutet dies keine Erweiterung einer bestehenden, sondern die Errichtung einer weiteren Anlage.

Ein solches Recht gewährt § 22 GO der Antragsgegnerin nicht. Die Auslegung der Gemeinschaftsordnung, die der Senat als Gericht der sofortigen weiteren Beschwerde selbst vornehmen kann (Senat, BGHZ 139, 288, 292; 157, 322, 331; 160, 354, 361 f), ergibt, dass lediglich die Aufstellung einer einzigen Funkfeststation gestattet ist.

a) Bei der Auslegung einer in das Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung ist - wie bei der Auslegung von Grundbucheintragungen allgemein - auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt. Umstände außerhalb der Eintragung können nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (Senat, BGHZ 113, 374, 378; 121, 236, 239; 139, 288, 292; 156, 192, 197; 160, 354, 362). Soweit die Gemeinschaftsordnung ein Sondernutzungsrecht gewährt, ist dies zwar hinsichtlich der örtlichen Situation der Fall, nicht jedoch hinsichtlich der Entstehungsgeschichte der Ordnung und ihrer einzelnen Regelungen, soweit sich diese nicht aus dem Grundbuchinhalt ergeben (KG NJW-RR 1989, 140; OLG Karlsruhe, ZMR 2001, 385, 386; KK-WEG/Elzer, § 3 Rdn. 38; Kreuzer in Festschrift für Merle, S. 203, 206).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann den von dem vorlegenden Gericht für wesentlich angesehenen Auslegungskriterien keine Bedeutung beigemessen werden. Weder die Tatsache, dass bei Abfassung der Gemeinschaftsordnung bereits eine Funkfestanlage vorhanden war, noch der Gesichtspunkt, dass eine spätere Änderung der Gemeinschaftsordnung gescheitert ist, sind dem unbefangenen Betrachter bekannt oder für diesen ohne weiteres erkennbar. Diese Umstände ergeben sich weder aus der tatsächlichen Situation noch aus dem Grundbuch. Sie müssen bei der gebotenen Auslegung daher außer Betracht bleiben. Maßgeblich für die Entscheidung, ob § 22 GO zur Errichtung mehrerer Mobilfunkanlagen berechtigt, sind vielmehr allein der Wortlaut, der Regelungszweck und die Systematik dieser Bestimmung.

b) Aus dem Wortlaut der Regelung allein lassen sich noch keine eindeutigen Erkenntnisse zu deren Auslegung gewinnen. Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, wird das Wort "ein" in der deutschen Sprache sowohl als Zahlwort als auch als unbestimmter Artikel gebraucht. Aus dem Regelungszweck und der Systematik des § 22 GO ergibt sich jedoch, dass die Bezeichnung im vorliegenden Fall (jedenfalls auch) im Sinne eines Zahlworts zu verstehen ist.

aa) Enthält eine Gemeinschaftsordnung eine dem § 22 GO entsprechende Vorschrift, so besteht deren Zweck maßgeblich darin, die widerstreitenden Interessen des jeweiligen Berechtigten einerseits und der übrigen Wohnungseigentümer andererseits im Hinblick auf die Nutzung des Dachs zu regeln. Ein Regelungsbedarf besteht dabei aus Sicht beider Seiten in zweierlei Hinsicht.

So ist es zunächst erforderlich, die Qualität der erlaubten Nutzung zu regeln und diese gegenüber unzulässigen anderen Gebrauchsformen abzugrenzen. Insoweit weist das Oberlandesgericht Köln zutreffend darauf hin, dass durch die Erlaubnis zur Errichtung einer Funkfeststation eine Nutzung durch andere mögliche technische Einrichtungen ausgeschlossen werden soll.

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Köln verfolgt die Vorschrift jedoch darüber hinaus noch ein weiteres Ziel. Aus Sicht der Beteiligten besteht ein Regelungsbedarf im Allgemeinen nicht nur in qualitativer, sondern auch und erst recht in quantitativer Hinsicht. Die Anzahl der erlaubten Funkfeststationen auf dem Dach des gemeinschaftlichen Gebäudes ist nämlich für sämtliche Beteiligten von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Dabei stehen sich die Interessen des jeweiligen Berechtigten und der übrigen Wohnungseigentümer gegenüber. Während der Berechtigte bei Errichtung mehrerer Anlagen höhere Mieteinnahmen von den Mobilfunkbetreibern erzielen wird, kann dies bei den Wohnungen der anderen Eigentümer zu einem gravierenden Wertverlust führen (vgl. Kniep, WuM 2002, 598, 600; Bobka, RDM-Informationsdienst für Sachverständige 2003, 10, 16). Angesichts dieser widerstreitenden Interessen ist davon auszugehen, dass die Bestimmung im Zweifel nicht nur zur Art, sondern auch zum Umfang der erlaubten Nutzung eine Regelung herbeiführen soll.

bb) Dieses Ergebnis wird durch die systematische Auslegung der Bestimmung bestätigt. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass die Gemeinschaftsordnung dem Berechtigten nicht nur die Errichtung einer Festfunkstation, sondern auch deren Wiederaufbau gestattet. Für die gesonderte Benennung dieser Befugnis besteht nur dann ein Grund, wenn sich die Erlaubnis zur Errichtung einer Anlage auf ein einmaliges Ereignis bezieht. Anders ist die ausdrückliche Gestattung des Wiederaufbaus nicht sinnvoll zu erklären. Wenn die Errichtung von Funkfeststationen jederzeit in beliebiger Anzahl zulässig sein soll, fehlt es an einem Bedürfnis, die Befugnis zum Wiederaufbau einer Anlage zu regeln. Die Regelung hat nur dann einen vernünftigen Gegenstand, wenn die in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Berechtigung auf die Errichtung einer einzigen Anlage beschränkt ist. Nur in diesem Fall kann die Frage nach der Befugnis zur Wiedererrichtung der Anlage nach deren Zerstörung oder Beseitigung Bedeutung gewinnen.

IV.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten der Beschwerderechtszüge folgt aus § 47 Satz 1 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, diese der Antragsgegnerin aufzuerlegen, weil sie unterlegen ist. Hingegen besteht kein Anlass, von dem in Wohnungseigentumssachen geltenden Grundsatz aus § 47 Satz 2 WEG abzuweichen, wonach die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG. Sie orientiert sich an den nicht angegriffenen Wertfestsetzungen der Vorinstanzen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
DB 2006 S. 1109 Nr. 20
DNotZ 2006 S. 765 Nr. 10
NJW 2006 S. 2187 Nr. 30
WM 2006 S. 1824 Nr. 38
AAAAC-01767

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja