BGH Beschluss v. - NotZ 21/01

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BNotO § 50 Abs. 3; BNotO § 54 Abs. 1 Nr. 2; BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8

Instanzenzug: OLG Celle

Gründe

I. Der Antragsteller ist seit 1978 als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht und Landgericht G. zugelassen. Seit 1985 ist er Notar mit dem Amtssitz in R..

Durch Verfügung vom enthob der Antragsgegner den Antragsteller nach §§ 54 Abs. 1 Nr. 2, 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO vorläufig seines Amtes als Notar, weil seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdeten. Zur Begründung wurden erhebliche Steuerschulden und Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts G. angeführt. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das zurückgewiesen.

Mit Verfügung vom hat der Antragsgegner dem Antragsteller gemäß § 50 Abs. 3 BNotO eröffnet, daß er seine endgültige Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO in Aussicht genommen habe, weil seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdeten.

Den Maßnahmen des Antragsgegners liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Gegenüber der Finanzverwaltung des Landes N. hat der Antragsteller seit etwa 10 Jahren erhebliche Steuerschulden. Es handelt sich überwiegend um Umsatzsteuer. Die Bescheide beruhen teilweise auf Schätzungen, weil der Antragsteller seit etwa 1994 Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen nicht mehr rechtzeitig oder gar nicht mehr abgibt. Er meint, als Rechtsanwalt und Notar sei er insbesondere deshalb nicht umsatzsteuerpflichtig, weil die gesetzlichen Gebühren nicht kostendeckend seien. Im November 1999 hatten die Steuerschulden einschließlich der Säumniszuschläge einen Stand von 163.637,12 DM erreicht. Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts G. führten nur in Höhe von etwa 37.000 DM zur Befriedigung. Auf bestandskräftig festgesetzte Hauptschulden und Säumniszuschläge in der Größenordnung von mehr als 50.000 DM zahlte der Antragsteller freiwillig lediglich 500 DM im Monat. Nach einer Aufstellung des Finanzamts vom beliefen sich die in der Vollstreckung befindlichen Forderungen auf 255.383,35 DM.

Das Amtsgericht G. verurteilte den Antragsteller am wegen Umsatzsteuerhinterziehung in 26 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 265 Tagessätzen zu je 100 DM. Seine Berufung wurde durch Urteil des Landgerichts G. vom und die Revision durch Beschluß des Oberlandesgerichts B. vom verworfen. Im August 2001 hat die Staatsanwaltschaft G. gegen den Antragsteller erneut Anklage wegen Umsatzsteuerhinterziehung erhoben.

Die Präsidentin der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk B. hat diesen Sachverhalt zum Anlaß genommen, durch Bescheid vom die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls zu widerrufen. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof in C. durch Beschluß vom zurückgewiesen. Über die sofortige Beschwerde hat der Senat für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs noch nicht entschieden (AnwZ (B) 70/00).

Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Verfügung des Antragsgegners vom hat das zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er erneut auch die Aufhebung seiner vorläufigen Amtsenthebung begehrt.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Oberlandesgericht hat zu Recht festgestellt, daß die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO vorliegen. Die Art der Wirtschaftsführung des Antragstellers und seine wirtschaftlichen Verhältnisse gefährden die Interessen der Rechtsuchenden.

1. Eine Wirtschaftsführung des Notars, die Gläubiger dazu zwingt, wegen berechtigter Forderungen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, ist nach der Rechtsprechung des Senats schon als solche nicht hinnehmbar (Senatsbeschluß vom - NotZ 17/00 - ZNotP 2001, 117 unter II 1 a m.w.N.). Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, deren Abwehr der Notar nicht mehr in der Hand hat, bringen die Gefahr mit sich, daß davon Fremdgelder erfaßt werden (Senatsbeschluß vom - NotZ 21/89 - DNotZ 1991, 94 unter 2).

Es kann hier zwar angenommen werden, daß das Finanzamt bemüht sein wird, nicht auf Fremdgelder zuzugreifen. Bei Bargeld und Schecks, aber auch bei Bankguthaben kann jedoch nicht immer schnell und zuverlässig beurteilt werden, ob es sich um Fremdgelder handelt. Das kann dazu führen, daß sie zumindest zeitweise nicht ihrem Verwendungszweck zugeführt werden und den Treugebern dadurch ein Schaden entsteht. Wie aus einer im Beschwerdeverfahren vorgelegten Auskunft des Finanzamts vom hervorgeht, hat es am bei der D. Bank H. ein Festgeldkonto in Höhe von 30.000 DM gepfändet, auf dem sich möglicherweise Treuhandgelder befinden. Entgegen dem pauschalen Beschwerdevorbringen hat das Finanzamt die Vollstreckung wegen der Rückstände nicht formell ausgesetzt.

2. Angesichts der hohen fälligen und beitreibbaren Steuerschulden befindet sich der Antragsteller auch in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen. Er hat die Schuldenlast nicht abtragen können, sie ist vielmehr angewachsen. Es ist weder dargelegt noch erkennbar, daß sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert. Nach der Auskunft des Finanzamts vom bestehen gegen den Antragsteller und seine Ehefrau derzeit Forderungen in Höhe von 230.523,57 € (450.864,91 DM). Davon sind (im wesentlichen aus Umsatzsteuerbescheiden) vollstreckbar 182.428 € (356.798,15 DM). Die gegen den Antragsteller rechtskräftig festgestellten Umsatzsteuerforderungen einschließlich Säumniszuschlägen betragen 81.303,91 € (159.016,52 DM). Die finanzgerichtlichen Klagen wegen der Umsatzsteuer 1991 und 1994 sind ohne Erfolg geblieben ( Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Verfassungsbeschwerde durch Beschluß vom nicht zur Entscheidung angenommen). Das finanzgerichtliche Verfahren über die Umsatzsteuer 1994 bis 1998 ist inzwischen ebenfalls abgeschlossen. Der Bundesfinanzhof hat die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision im durch Beschluß vom mit ausführlicher Begründung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückgewiesen und ist dabei - wie schon das Finanzgericht - auch auf die Bedenken des Antragstellers im Hinblick auf das europäische Gemeinschaftsrecht eingegangen. Wegen der damit rechtskräftig festgestellten Steuerschulden in Höhe von 121.228,58 DM hat das Finanzamt den Antragsteller zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorgeladen. Dagegen hat er Klage beim Finanzgericht erhoben.

Eine solche Sachlage rechtfertigt den Schluß, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse des Notars die Interessen der Rechtsuchenden gefährden (vgl. Senatsbeschlüsse vom - NotZ 19/00 - ZNotP 2001, 115 unter II 1 und - NotZ 17/00 - ZNotP 2001, 117 unter II 2 und vom - NotZ 19/99 - NJW 2000, 2359 unter II 2 b).

3. Soweit der Antragsteller geltend macht, er sei nicht umsatzsteuerpflichtig, weil die gesetzlichen Gebühren der Rechtsanwälte und Notare nicht kostendeckend seien, mag er dies im Verfahren der Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen der Finanzgerichte klären lassen. Im Verfahren der Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO ist dies ohne Bedeutung, weil es hier darum geht, eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden zu vermeiden. Schon deshalb bedarf es auch keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Klärung der Frage, ob der an nicht mehr kostendeckende Gebühren gebundene deutsche Anwaltsnotar als Unternehmer im Sinne der EG-Umsatzsteuerrichtlinie anzusehen ist.

4. Zur weiteren Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Bezug.

5. Soweit sich die Beschwerde gegen die vorläufige Amtsenthebung richtet, ist sie unzulässig, nachdem der - in Rechtskraft erwachsen ist. Im übrigen rechtfertigt die Feststellung, daß die Voraussetzungen der endgültigen Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO vorliegen, auch die vorläufige Amtsenthebung des Antragstellers.

6. Der Schriftsatz des Antragstellers vom konnte nicht mehr berücksichtigt werden, weil er dem Senat erst nach der Verkündung der Entscheidung zur Kenntnis gelangt ist. Davon abgesehen hatte der Antragsteller im Beschwerdeverfahren ausreichend Gelegenheit, zu den vom Finanzamt geltend gemachten Forderungen Stellung zu nehmen, insbesondere zu den aufgrund der Entscheidungen der Finanzgerichte längst rechtskräftig festgestellten Abgabenforderungen. Dazu enthält auch der Schriftsatz vom keine konkreten Angaben.

Fundstelle(n):
TAAAC-01512

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein