Leitsatz
[1] Die Regelung in der Satzung einer Agrargenossenschaft, daß jedes Mitglied verpflichtet ist, der Genossenschaft die ihm gehörenden landwirtschaftlichen Flächen zur Pacht anzudienen, ist hinreichend bestimmt. Der Inhalt des abzuschließenden Pachtvertrages richtet sich danach, was innerhalb der Genossenschaft für solche Verträge üblich ist.
Gesetze: GenG § 18 Satz 1
Instanzenzug: AG Gera
Tatbestand
Die Klägerin ist eine eingetragene Genossenschaft, deren Zweck auf die "Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft der Mitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb" und auf die "gemeinschaftliche Erzeugung und den Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse" gerichtet ist. Der Beklagte ist Mitglied der Klägerin und wird mit Ablauf des aus ihr ausscheiden.
In § 12 der Satzung der Klägerin heißt es u.a.:
"Jedes Mitglied hat die Pflicht, das Interesse der Genossenschaft zu wahren. Es hat insbesondere
...
d) der Genossenschaft alle in seinem Eigentum stehenden landwirtschaftlichen Flächen, außer denen für den Eigenbedarf zur Pacht anzudienen."
§ 12a Abs. 1 der Satzung lautet:
"Die Nutzung der Grundstücke der Mitglieder durch die Genossenschaft wird in Pachtverträgen geregelt. Für den Inhalt, die Anpassung und die Beendigung der Pachtverträge gelten die Vorschriften über die Landpacht."
In einem zwischen den Parteien geführten Vorprozeß hat das Landwirtschaftsgericht durch rechtskräftiges Urteil vom u.a. festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die in seinem Eigentum stehenden landwirtschaftlichen Flächen - außer denen für seinen Eigenbedarf - für die Zeit seiner Mitgliedschaft zur Pacht anzudienen.
Zwischen November 1999 und Februar 2000 unterbreitete die Klägerin dem Beklagten mehrere Angebote zum Abschluß eines Pachtvertrags über eine Fläche von 12,4688 ha, die der Beklagte nicht annahm. Ein eigenes Vertragsangebot gab er nicht ab. Mit Schreiben vom teilte er der Klägerin mit, daß er einen Pachtvertrag mit einem Dritten abgeschlossen habe. Die Klägerin räumte daraufhin die bisher von ihr bewirtschafteten Flächen und übergab sie Anfang März 2000 dem neuen Pächter.
Die Klägerin meint, der Beklagte habe seine Andienungspflicht verletzt und müsse ihr deshalb für das Pachtjahr 1999/2000 Schadenersatz in Höhe von 12.700 DM leisten. Ihrer auf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung dieses Betrags gerichteten Klage hat das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht - Senat für Landwirtschaftssachen - die Klage abgewiesen. Mit ihrer - zugelassenen - Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, soweit der Beklagte zur Zahlung verurteilt worden ist. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Gründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheitert der Klageanspruch daran, daß sich weder aus der Satzung der Klägerin noch aus dem in dem Vorprozeß ergangenen rechtskräftigen Feststellungsurteil eine hinreichend konkretisierte Rechtspflicht des Beklagten zum Abschluß eines Pachtvertrags ergibt. Soweit die Andienungspflicht des Beklagten eine Pflicht zum Vertragsabschluß beinhalte, sei die rechtliche Situation mit der eines Vorvertrags vergleichbar. Danach müsse der Inhalt des abzuschließenden Hauptvertrags wenigstens bestimmbar sein. Hier könnten jedoch die Hauptpunkte des Pachtvertrags wie die Größe der Pachtfläche, die Vertragsdauer und die Höhe des Pachtzinses nicht bestimmt werden. Deshalb habe die Klägerin keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Abschluß eines Pachtvertrags; ihr stehe somit auch kein Schadenersatzanspruch wegen der anderweitigen Verpachtung zu.
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schadenersatzanspruch wegen der Verletzung der rechtskräftig festgestellten genossenschaftlichen Andienungspflicht zu.
1. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die in seinem Eigentum stehenden Flächen mit Ausnahme der Flächen, die er für den Eigenbedarf benötigt, zur Pacht anzudienen. Das ergibt sich aus dem rechtskräftigen Feststellungsurteil vom , welches in dem zwischen den Parteien geführten Vorprozeß ergangen ist. Darin wird die sich aus § 12 der Satzung ergebende Verpflichtung tituliert. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist diese Verpflichtung hinreichend bestimmt. Sie ist darauf gerichtet, der Klägerin ein Angebot zum Abschluß eines Pachtvertrags zu angemessenen, innerhalb der Genossenschaft üblichen Bedingungen zu unterbreiten oder ein solches Angebot der Klägerin anzunehmen.
a) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, daß die Situation insoweit mit der des Bestehens eines Vorvertrags vergleichbar sei. Denn anders als dort beruht die Andienungspflicht nicht auf vertraglicher Grundlage, sondern ist korporationsrechtlicher Natur und damit als solche der Geltung des reinen Schuldrechts entzogen sind (vgl. RGZ 47, 146, 149; 72, 4, 8; OLG Köln, LZ 1919, 547; , NJW 1960, 1858, 1859; BGHZ 103, 219, 221 f.). Sie statuiert die Verpflichtung zum Abschluß eines individualrechtlichen Pachtvertrags (vgl. Beuthin, GenG, 13. Aufl., § 18 Rdn. 8; Müller, GenG, 2. Aufl., § 18 Rdn. 12).
b) Diese Verpflichtung ist nicht deswegen unbestimmt, weil der Inhalt des abzuschließenden Pachtvertrags weder in dem Urteil noch in der Satzung der Klägerin oder anderweitig geregelt ist. Das ist nämlich nicht einmal für die Essentialia des abzuschließenden Vertrags erforderlich. So muß z.B. die Genossenschaft auch ohne ausdrückliche Regelung in der Satzung genossenschaftliche Sonderpflichten ihrer Mitglieder vergüten, wenn es sich um Leistungen handelt, die nach der Verkehrsauffassung nicht ohne Entgelt gewährt zu werden pflegen (, NJW 1960, 1858, 1859). Hier enthält die Satzung sogar weitergehende Bestimmungen. Nach § 12a ist die Klägerin verpflichtet, mit dem Beklagten über den konkreten Pachtgegenstand, die Höhe des Pachtzinses, die Laufzeit des Pachtvertrags und weitere Vertragsbestimmungen zu verhandeln. Weitere Regelungen betreffend den Inhalt des abzuschließenden Pachtvertrags, insbesondere zur Höhe des Pachtzinses, kann die Satzung nicht enthalten; sie können auch nicht anderweitig im voraus festgelegt werden. Der Vertragsinhalt richtet sich nämlich zum einen danach, was innerhalb der Genossenschaft für solche Verträge üblich ist; jedes Mitglied muß gleich behandelt werden. Zum anderen schwankt die Höhe des Pachtzinses aufgrund der Marktverhältnisse; außerdem ist sie von diversen Faktoren wie Laufzeit des Vertrags, Größe und Bodenqualität der Fläche usw. abhängig.
Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgericht hätte zur Folge, daß die in der Satzung statuierte Andienungspflicht ins Leere liefe. Das liegt jedoch weder im Interesse der Genossenschaft noch in dem Interesse ihrer Mitglieder. Denn wenn sie keine Möglichkeit hat, die Flächen der Mitglieder zu bewirtschaften, kann sie ihren Zweck nicht erreichen; die Beteiligung der Mitglieder an der Genossenschaft ist in diesem Fall sinnlos.
Nach alledem wird der Beklagte erst dann von seiner Andienungspflicht frei, wenn die Klägerin den Abschluß eines Pachtvertrags ablehnt, wenn sie unangemessene, nicht martkübliche Vertragsbedingungen stellt oder wenn sie ohne sachlichen Grund wesentlich von vergleichbaren Verträgen mit anderen Mitgliedern abweicht. Das alles hat die Klägerin hier jedoch nicht getan.
2. Die Berufung auf die Andienungspflicht verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Nach dem Vorbringen des Beklagten ist das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nicht in einem solchen Maß gestört, daß ihm der Abschluß eines Pachtvertrags mit der Klägerin nicht zugemutet werden könnte.
a) Der Rechtsstreit zwischen den Parteien über die Vermögensauseinandersetzung nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz ist nicht geeignet, das Bestehen jeglicher Rechtsbeziehungen zwischen ihnen als für den Beklagten unzumutbar anzusehen. Die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen ist nämlich der vom Rechtsstaat vorgesehene, übliche Weg zur Konfliktbewältigung; sie führt nicht zur Zerrüttung des gegenseitigen Vertrauensverhältnisses, wenn, wie hier, auf sachlicher Basis gestritten wird (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1993, 16, 17).
b) Auch die zur Begründung eines weiteren Vertrauensbruchs aufgestellte Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe seine Flächen am 24., 25. und bei nassem, aufgeweichtem Boden befahren und dadurch die Fruchtbarkeit für das Jahr 2000 erheblich beeinträchtigt, läßt die Andienungspflicht nicht entfallen. Dieser Vortrag ist nämlich unerheblich, weil die angebliche Schädigung 10 Tage nach der Verpachtung der Flächen an einen Dritten und damit in einem Zeitpunkt erfolgte, in welchem der Beklagte bereits gegen seine Andienungspflicht verstoßen hatte.
c) Daß der Beklagte selbst sein Verhältnis zur Klägerin nicht als unerträglich empfindet, zeigt sich zum einen daran, daß er das Mitgliedschaftsverhältnis zu keinem Zeitpunkt mit dieser Begründung fristlos gekündigt (§ 65 Abs. 2 Satz 4 GenG), sondern an seiner ordentlichen Kündigung unter Einhaltung der satzungsmäßig festgelegten fünfjährigen Kündigungsfrist festgehalten hat. Zum anderen wird dies aus seinem Schreiben vom deutlich, in welchem er sich trotz des angeblich zerstörten Vertrauensverhältnisses bei Abgabe eines "lukrativen" Angebots durch die Klägerin zum Abschluß eines Pachtvertrags bereit erklärte.
d) Ohne Erfolg vertritt der Beklagte in der Revisionserwiderung die Ansicht, ihm sei die Andienung seiner landwirtschaftlichen Flächen nach der Kündigung seiner Mitgliedschaft nicht mehr zumutbar gewesen. Mit dieser Einwendung ist der Beklagte nämlich nach den allgemeinen Regeln über die aus der Rechtskraft folgende Tatsachenpräklusion ausgeschlossen, weil sie bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses, auf die das rechtskräftige Feststellungsurteil erging, bestand (vgl. nur Senat, Urt. v. , V ZR 178/93, NJW 1995, 1757, 1758 m.w.N.).
3. Der Beklagte hat seine Andienungspflicht vorsätzlich verletzt, indem er seine Flächen an einen Dritten verpachtet hat; er ist deshalb der Klägerin zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
a) Entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung des Beklagten fällt die von ihm vorgenommene Fremdverpachtung nicht unter den von der Andienungspflicht ausgenommenen Eigenbedarf. Darunter ist nämlich zu verstehen, daß der Beklagte der Klägerin nur solche Flächen nicht zur Anpachtung andienen muß, die er selbst bewirtschaften oder durch Dritte bewirtschaften lassen will, um seinen Lebensunterhalt und denjenigen seiner Familie bestreiten zu können. Wäre unter Eigenbedarf auch die Nutzung der Flächen durch Verpachtung an Dritte zu verstehen, liefe die Andienungspflicht ins Leere; ihr Zweck, der Klägerin den Abschluß eines Pachtvertrags zu ermöglichen, könnte jederzeit vereitelt werden.
b) Der Beklagte durfte die Vertragsangebote der Klägerin nicht ablehnen. Wenn er mit den Vorschlägen der Klägerin, die letztlich seine Beanstandungen so weit berücksichtigten, wie es aufgrund des genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgebots möglich war, nicht einverstanden war, hätte er der Klägerin ein Gegenangebot unterbreiten müssen. Von dieser Verpflichtung war er nicht deswegen entbunden, weil sie für ihn mit Kosten verbunden gewesen wäre. Im übrigen hätte es ausgereicht, die von ihm gewünschten Änderungen in den von der Klägerin formulierten Vertragsentwurf einzuarbeiten. Durch sein Verhalten hat der Beklagte jedoch zu erkennen gegeben, daß er zu keinem Zeitpunkt ernsthaft gewillt war, einen Pachtvertrag mit der Klägerin abzuschließen. Das wird besonders deutlich durch seine Äußerung in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht -, daß er die streitgegenständlichen Flächen verpachten möchte, an wen er wolle.
c) Die Rechtsfolgen der schuldhaften Verletzung der Andienungspflicht bestimmen sich nach den entsprechend anwendbaren allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen (vgl. RGZ 72, 4, 8; aaO). Danach hat der Beklagte der Klägerin Schadenersatz wegen Nichterfüllung entsprechend §§ 280 Abs. 1 BGB a.F., 251 Abs. 1 BGB zu leisten. Zu einer Entscheidung über die Höhe dieses Anspruchs ist der Senat nicht in der Lage, weil es an den dafür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlt. Das Berufungsgericht wird sich mit den vom Beklagten gegen das vom Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - eingeholte Sachverständigengutachten erhobenen Einwänden auseinandersetzen müssen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
KAAAC-01421
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein