Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG a.F. Art. 87 Abs. 1
Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main vom
Gründe
I. Die Stadt F. und die Bundesrepublik Deutschland (Deutsche Bundespost) schlossen am einen Vertrag über die Nutzung von Flächen in U-Bahn-Stationen der Stadt F. zum Betrieb öffentlicher Telefonstellen durch die Deutsche Bundespost. Die beklagte Deutsche Telekom AG ist insoweit Rechtsnachfolgerin der Bundesrepublik Deutschland. Die klagende Stadtwerke Verkehrsgesellschaft F. mbH sieht sich ihrerseits als Rechtsnachfolgerin der Stadt F. ; sie hat die Kündigung des Vertrages erklärt und begehrt von der Beklagten die Räumung der von dieser genutzten Flächen.
Das Landgericht hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben erklärt; das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich diese mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II. Das zutreffend als Rechtsbeschwerde eingelegte Rechtsmittel (vgl. , NJW 2003, 433) ist nicht begründet. Landgericht und Oberlandesgericht haben zu Recht den beschrittenen Rechtsweg für zulässig erachtet (§ 17a Abs. 3 GVG).
1. Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmS-OGB BGHZ 97, 312, 313, 314 - Orthopädische Hilfsmittel; GmS-OGB BGHZ 102, 280, 283 - Rollstühle; GmS-OGB BGHZ 108, 284, 286, 287; , WuW/E 2707 - Einzelkostenerstattung). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger der hoheitlichen Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt. Aus einem Gleichordnungsverhältnis kann allerdings noch nicht ohne weiteres auf eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit geschlossen werden, weil auch dem öffentlichen Recht eine gleichgeordnete Beziehung zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem nicht fremd ist. So liegt es im Wesen eines - auch des öffentlich-rechtlichen - Vertrages, daß sich die Vertragsparteien grundsätzlich gleichberechtigt gegenüberstehen. Für die Abgrenzung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag kommt es daher auf dessen Gegenstand und Zweck an. Die Rechtsnatur des Vertrages bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist (vgl. GmS-OGB BGHZ 97, 312, 314 - Orthopädische Hilfsmittel m.w.N.). Über diese Zuordnung des Vertragsgegenstandes entscheidet, ob die Vertragsabmachungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge gibt (BGHZ 67, 81, 88 - Auto-Analyzer; 116, 339, 342 - Pflegesatzvereinbarung; BVerwGE 42, 331, 333).
2. Danach ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, da Gegenstand der Klage ein behaupteter zivilrechtlicher Anspruch der Klägerin ist.
Dabei kann dahinstehen, ob - wie das Beschwerdegericht angenommen hat - ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den ursprünglich beteiligten öffentlich-rechtlichen Körperschaften durch die sogenannten Postreformen in ein privatrechtliches Rechtsverhältnis umgewandelt worden wäre. Denn bereits das ursprüngliche Vertragsverhältnis ist privatrechtlicher Natur.
Der Vertragswortlaut bietet für öffentlich-rechtlich ausgestaltete Vertragsabmachungen keinen Anhalt. Dafür hat auch das Beschwerdegericht nichts festgestellt, das vielmehr Zweifel an der vom Landgericht bejahten (ursprünglichen) öffentlich-rechtlichen Qualifikation des Vertrages angemeldet und gemeint hat, nach dem Inhalt des Vertrages und den erkennbaren Umständen spreche insgesamt mehr dafür, daß die Parteien eine zivilrechtliche Regelung ihrer Rechtsbeziehungen beabsichtigt hätten, wofür insbesondere die Haftungsregelungen in den §§ 9 und 10 des Vertrages sowie die Kündigungsklausel des § 14 sowie die Gerichtsstandsklausel des § 15 stritten.
Der vom Landgericht hervorgehobene Umstand, daß das Bereitstellen von öffentlichen Telefonstellen eine öffentlich-rechtliche Aufgabe der Deutschen Bundespost gewesen sei, die den in Art. 87 Abs. 1 GG a.F. vorgesehenen Infrastrukturauftrag für die Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen gehabt habe, rechtfertigt es nicht, der Überlassung der hierfür benötigten Flächen zur Nutzung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten öffentlich-rechtlichen Charakter beizumessen. Denn mit der Beschaffung dieser Flächen hat die Deutsche Bundespost nicht die öffentliche Aufgabe der Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationseinrichtungen erfüllt, sondern sich nur hierfür benötigte Mittel verschafft, nicht anders, als wenn sie technische Einrichtungen für die Ausstattung von Telefonzellen oder solche Zellen selbst beschafft hätte. Solche Beschaffungsgeschäfte unterliegen, soweit sie nicht ihrerseits wesentlich öffentlich-rechtlich geprägt sind, grundsätzlich dem Privatrecht (vgl. GmS-OGB BGHZ 97, 312, 316 - Orthopädische Hilfsmittel).
Eine solche öffentlich-rechtliche Prägung des Beschaffungsgeschäfts besteht jedoch nicht. Für sie genügt nicht die Erwägung des Landgerichts, die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Strukturauftrags der Deutschen Bundespost habe vorausgesetzt, daß dieser die hierfür benötigten Flächen von den Kommunen zur Verfügung gestellt worden seien, und die Stadt F. habe daher eine möglicherweise sogar als Amtshilfepflicht zu wertende Mitwirkungspflicht getroffen. Denn die für den Betrieb öffentlicher Telefonstellen benötigten Flächen mußte sich die Deutsche Bundespost nicht notwendigerweise von den Kommunen beschaffen. Die vom Landgericht angenommene Mitwirkungspflicht der Kommunen konnte sich daher, insbesondere außerhalb öffentlicher Straßen und Plätze, nur auf den Umstand gründen, daß die Post auf die für die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Telefonstellen benötigten Flächen anderweit nicht, nicht in genügender Zahl oder nicht zu angemessenen Bedingungen zugreifen konnte. Sie betrifft daher in erster Linie das "Ob" einer Mitwirkung der Kommunen, nicht jedoch deren rechtliche Ausgestaltung, insbesondere nicht die Form der Nutzungsüberlassung, und rechtfertigt es nicht, das Beschaffungsgeschäft der Deutschen Bundespost mit einer Kommune anders als das Beschaffungsgeschäft mit dem privaten Besitzer eines öffentlich zugänglichen Gebäudes als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren.
Auch aus der Sicht des Vertragsverhältnisses als eines Vertrages der Stadt F. mit einem Interessenten über die (anderweitige) Nutzung von Flächen einer öffentlich-rechtlichen Sache im Anstaltsgebrauch besteht zu einer solchen Qualifikation kein Anlaß. Denn bei der Überlassung von Flächen, die in ihrem Eigentum stehen, aber zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben nicht benötigt werden, bedient sich eine Kommune - wie beispielsweise bei der Vermietung von Räumen zum Betrieb eines Ladenlokals - typischerweise der Form des Privatrechts (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 40 Rdn. 25b; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 54 Rdn. 39 ff.; ferner BGHZ 119, 237, 242 ff. - Universitätsemblem). Nicht anders ist auch das vorliegende Vertragsverhältnis zu würdigen.
Fundstelle(n):
LAAAC-01318
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein