BGH Urteil v. - IX ZR 310/00

Leitsatz

[1] Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Drittwiderspruchsklage bleibt bestehen, wenn nach einem erfolglosen Pfändungsversuch eine Wiederholung der Vollstreckung aus dem Titel in den Gegenstand möglich ist.

Gesetze: ZPO § 771

Instanzenzug: LG Münster

Tatbestand

Die Beklagte nahm den Schuldner H. S. aufgrund einer Ausfallbürgschaft in Anspruch und erwirkte ein vorläufig vollstreckbares über 1.579.715,08 DM nebst Zinsen. Auf Antrag der Beklagten wollte der zuständige Gerichtsvollzieher das Segelschiff "J. ", dessen Eigentümer der Schuldner ursprünglich war, im Winterlager in einer Werft in He. pfänden. Er begab sich dorthin, ließ aber von der Pfändung ab, nachdem der Schuldner unter Hinweis auf einen zwischen ihm und dem Kläger geschlossenen Kaufvertrag vom , den er dem Gerichtsvollzieher per Telefax übermittelte, diesem telefonisch mitgeteilt hatte, der Kläger sei Eigentümer des Segelschiffes. Später pfändete der Gerichtsvollzieher auf einen neuen Antrag der Beklagten ein auf dem üblichen Liegeplatz der "J. " liegendes Schiff eines Dritten. Dem Eigentümer, der zufällig von der Pfändung erfuhr, gelang es, die Verwertung abzuwenden.

Der Aufforderung des Klägers, eine Erklärung abzugeben, weitere Pfändungsversuche in das Segelschiff "J. " zu unterlassen, kam die Beklagte nicht nach. Sie lobte vielmehr für Hinweise auf den derzeitigen Liegeplatz des Schiffes eine Zahlung aus.

Der Kläger hat behauptet, er habe mit S. zugleich mit dem Kaufvertrag mündlich vereinbart, daß er das Eigentum an dem Schiff treuhänderisch für diesen halte und es bei Kündigung des Treuhandverhältnisses zurückübertrage. S. habe seine Ansprüche aus der Treuhandabrede mit schriftlicher Vereinbarung vom an seine Ehefrau schenkweise abgetreten.

In der ersten Instanz hat der Kläger gemäß § 256 ZPO die Feststellung begehrt, daß die zu erwartende Pfändung der Beklagten aus dem gegen S. erwirkten Titel in das Segelboot unzulässig sei. Hilfsweise hat er im Wege der Abwehrklage gemäß § 1004 BGB beantragt, der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel die Vollstreckung aus dem Titel in das Segelboot zu untersagen. Von einer Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO hat der Kläger in erster Instanz ausdrücklich abgesehen.

Das Landgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz zuletzt in der Hauptsache beantragt, die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus dem Titel gegen S. in das Segelboot "J. " für unzulässig zu erklären. Hilfsweise hat er beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, die Vollstreckung aus dem Titel in das Segelboot zu unterlassen. Weiter hilfsweise hat er die Feststellung begehrt, daß die zu erwartende Pfändung der Beklagten unzulässig ist. Zur Begründung hat er ausgeführt, er stütze den Hauptantrag nunmehr vorrangig auf § 771 ZPO, hilfsweise stütze er ihn ebenso wie den ersten Hilfsantrag auf § 1004 BGB. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Gründe

Die Entscheidung hat wegen der Säumnis der ordnungsgemäß geladenen Beklagten und Revisionsbeklagten im Termin zur Verhandlung über die Revision durch Versäumnisurteil zu ergehen. Sie beruht aber nicht auf den Folgen der Säumnis, sondern ist eine Entscheidung in der Sache, die ebenso ergangen wäre, wenn die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung ordnungsgemäß vertreten gewesen wäre (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f).

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, welche Klageart zulässig sei. Sowohl die Begründetheit einer vorbeugenden Unterlassungsklage als auch einer Feststellungsklage sei hier unter den gleichen Voraussetzungen zu prüfen wie die Begründetheit einer Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO. Dem Kläger stehe an dem Segelboot "J. " kein die Veräußerung hinderndes Recht zu. Ob er insoweit Eigentum erworben habe, könne letztlich dahinstehen. Unabhängig von der Eigentümerstellung sei er nicht widerspruchsberechtigt, weil es sich vorliegend um eine uneigennützige Treuhandschaft zwischen ihm und dem Schuldner S. handele. Eine solche gebe dem Treuhänder kein Interventionsrecht nach § 771 ZPO. Das Segelschiff gehöre wirtschaftlich nach wie vor zum Vermögen des Treugebers S. . Der Kläger müsse dulden, daß Gläubiger des Treugebers auf die in dessen Gewahrsam befindlichen Sachen zugreifen, wenn der Vollstreckungstitel sich gegen den Treugeber richte.

II.

Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers, der Schuldner S. habe seine Treugeberstellung bezüglich des Segelschiffes schenkweise auf seine Ehefrau übertragen, nicht hinreichend berücksichtigt hat.

1. Der Kläger hat vorgetragen und durch das Zeugnis des Schuldners S. unter Beweis gestellt, daß dieser seine Ansprüche aus der behaupteten Treuhandabrede mit schriftlicher Vereinbarung vom an seine Ehefrau abgetreten hat. Dieses Vorbringen ist erheblich. Ist zwischen dem Kläger und dem Schuldner S. ein Treuhandverhältnis begründet worden und sind die Ansprüche des S. aus der Treugeberstellung schon 1995 auf dessen Ehefrau übergegangen, so richtet sich der gegen den Ehemann S. erwirkte Vollstreckungstitel vom nicht gegen den Treugeber. Gegenüber einem Vollstreckungsgläubiger, der nicht aufgrund eines Titels gegen den Treugeber vorgeht, hat der Treuhänder die vollen Eigentumsrechte und damit auch das Widerspruchsrecht gemäß § 771 ZPO (, LM Nr. 2 zu § 771 ZPO; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 771 Rn. 26).

2. Gegen die Wirksamkeit der Abtretung bestehen auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts keine Bedenken.

a) Die von der Beklagten geltend gemachte Anfechtbarkeit der Eigentumsübertragung von S. an den Kläger und/oder der Abtretung zwischen den Ehegatten S. nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG a.F., § 3 Abs. 1 n.F. ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weil durch die Anfechtung solcher Rechtshandlungen lediglich schuldrechtliche Rückgewährverhältnisse begründet würden, die Wirksamkeit der anfechtbaren Rechtsgeschäfte jedoch unberührt bliebe (vgl. Huber, Anfechtungsgesetz 9. Aufl. Einf Rn. 13). Im Wege der Einrede kann das Anfechtungsrecht hier gleichfalls nicht geltend gemacht werden, weil dazu das Vorliegen eines endgültigen, also rechtskräftigen und vorbehaltlosen Titels erforderlich ist (vgl. RGZ 96, 335, 340; Huber aaO § 9 Rn. 10 m.w.N.).

b) Zu der von der Beklagten weiter geltend gemachten Nichtigkeit der in Rede stehenden Rechtsgeschäfte gemäß § 134 BGB i.V.m. § 288 StGB hat das Berufungsgericht ebensowenig Feststellungen getroffen wie zu der Behauptung der Beklagten, der vorgelegte schriftliche Kaufvertrag sei wie die Abtretung rückdatiert worden.

III.

Die in der Hauptsache erhobene Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO ist zulässig.

1. Die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO ist zeitlich spätestens ab dem Beginn der Zwangsvollstreckung zulässig (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO 3. Aufl. § 771 Rn. 9; Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. § 771 Rn. 10; Zöller/Herget, ZPO 24. Aufl. § 771 Rn. 5). Hier soll aus einem auf Zahlung gerichteten Titel in ein nicht eingetragenes Segelschiff vollstreckt werden. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, beginnt in einem solchen Fall die Zwangsvollstreckung mit der Pfändung gemäß § 803 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht Bd. I 12. Aufl. Rn. 9.2; ferner Zöller/Herget aaO Rn. 6), genauer mit der Vornahme der ersten gegen den Schuldner gerichteten Vollstreckungshandlung (vgl. Stein/Jonas/Münzberg aaO vor § 704 Rn. 110; Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO 3. Aufl. § 771 Rn. 30; Zöller/Stöber aaO vor § 704 Rn. 33). Die Pfändung des nicht eingetragenen Segelschiffs richtet sich nach den §§ 808 ff ZPO (vgl. Stein/Jonas/Münzberg aaO § 803 Rn. 2; Wieczorek/Lüke aaO § 803 Rn. 14, 18; Zöller/Stöber aaO § 803 Rn. 1, § 808 Rn. 2). Die Zwangsvollstreckung hat hier spätestens begonnen, als der Gerichtsvollzieher erstmals erschien und pfänden wollte.

2. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Drittwiderspruchsklage besteht, solange die Zwangsvollstreckung fortdauert (vgl. BGHZ 72, 334, 336; , NJW 1993, 935; MünchKomm-ZPO/Schmidt, 2. Aufl. § 771 Rn. 58). Es entfällt, wenn die Zwangsvollstreckung durch Verwertung des fraglichen Gegenstandes beendet oder die Fortsetzung der Vollstreckung, z.B. wegen Untergangs des Vollstreckungsobjektes, unmöglich geworden ist (Stein/Jonas/Münzberg aaO § 771 Rn. 13; Wieczorek/Schütze/Salzmann aaO § 771 Rn. 32). Diese Voraussetzungen für einen Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses liegen hier nicht vor. Ob auch die Freigabe des Vollstreckungsgegenstandes durch den Gläubiger das Rechtsschutzbedürfnis entfallen läßt (bejahend Salzmann aaO, einschränkend Münzberg aaO), kann dahingestellt bleiben, weil die Beklagte eine solche Freigabeerklärung nicht abgegeben hat. Sie hat vielmehr für Hinweise auf den derzeitigen Liegeplatz des Schiffes eine Zahlung ausgelobt und damit ihren ernsthaften Willen bekundet, trotz des (behaupteten) Eigentums des Klägers (erneut) in das Segelschiff zu vollstrecken. Ist eine Fortsetzung oder Wiederholung der Vollstreckung aus dem Titel in den Gegenstand - wie hier - noch möglich, so bleibt die Drittwiderspruchsklage zulässig (Münzberg aaO; vgl. auch , ZIP 1985, 676, 677).

IV.

Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen somit die Abweisung der Drittwiderspruchsklage nicht. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird unter Berücksichtigung des bisher übergangenen Vortrags des Klägers festzustellen haben, ob ihm ein die Veräußerung hinderndes Recht i.S. des § 771 ZPO zusteht. Bleibt es dabei, daß der Kläger, wie das Berufungsgericht bisher angenommen hat, lediglich uneigennütziger Treuhänder für den Schuldner S. als Treugeber ist, so ist er zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Segelschiff verpflichtet (vgl. BGHZ 11, 37, 42; Musielak/Lackmann aaO § 771 Rn. 21; Stein/Jonas/Münzberg aaO § 771 Rn. 26; Zöller/Herget aaO § 771 Rn. 14 "Treuhänder"). Für den Fall, daß es darauf ankommen sollte, ob der Kläger Eigentum an dem Segelschiff erworben hat, wird darauf hingewiesen, daß der Begriff des Seeschiffes i.S.d. § 929a Abs. 1 BGB umstritten ist (vgl. dazu MünchKomm-BGB/Quack, 3. Aufl. § 929a Rn. 2 m.w.N.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
PAAAC-00725

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja