Leitsatz
[1] a) Zieht der absonderungsberechtigte Gläubiger eine Forderung ein, ohne dazu vom Insolvenzverwalter ermächtigt worden zu sein, schuldet er der Masse nicht allein deshalb zusätzlich zur Feststellungskostenpauschale auch die Verwertungskostenpauschale.
b) Hat der absonderungsberechtigte Gläubiger vor Insolvenzeröffnung eine Forderung nach Aufdeckung der Abtretung eingezogen, kann diese Rechtshandlung nicht mit der Begründung angefochten werden, der Masse sei die Verwertungskostenpauschale entgangen.
Gesetze: InsO § 166; InsO § 170 Abs. 2; InsO § 171 Abs. 2 Satz 1; InsO § 129
Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main vom LG Marburg
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in dem am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. e.G. H. (nachfolgend: Schuldnerin). Die Schuldnerin verkaufte an ihre Kunden Heizkessel nebst Zubehör, die von der Beklagten unter verlängertem und erweitertem Eigentumsvorbehalt geliefert wurden.
Am stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Das Insolvenzgericht bestellte den Kläger am selben Tag zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Am fand eine Besprechung des Klägers mit Vertretern der Beklagten statt. Mit Schreiben vom forderte die Beklagte die Abnehmer der Schuldnerin auf, nicht mehr an diese, sondern an sie als Lieferantin zu zahlen. Die Beklagte hat auf diese Weise Zahlungen von insgesamt 277.997,03 DM erlangt und daraus 11.119,88 DM als Feststellungspauschale an die Masse abgeführt.
Der Kläger verlangt auch die Verwertungskostenpauschale in Höhe von 7.106,88 €, weil die Beklagte durch ihr eigenmächtiges Vorgehen ihm die Einziehung der Forderungen unmöglich gemacht habe. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Gründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung auf folgende Erwägungen gestützt:
Ein Rückgewähranspruch nach § 143 Abs. 1 InsO stehe dem Kläger nicht zu, weil die Einziehung der Forderungen durch die Beklagte die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligt habe. Die im Wege eines verlängerten Eigentumsvorbehalts sicherungshalber abgetretenen Forderungen hätten dem Zugriff der Gläubigergesamtheit nicht zur Verfügung gestanden, weil die Beklagte zur abgesonderten Befriedigung berechtigt gewesen sei. Eine Gläubigerbenachteiligung sei auch nicht darin zu sehen, daß der Masse durch die Rechtshandlung der Beklagten der Kostenbeitrag für die Verwertung entgangen sei. Dieser solle nicht das Schuldnervermögen erhöhen, sondern dessen Verminderung durch Aufwendungen für die Verwertung ausgleichen.
Ein Bereicherungsanspruch komme ebenfalls nicht in Betracht. Die Einziehung der Forderungen habe das Schuldnervermögen nicht beeinträchtigt. Zwar sei der Kläger nach § 166 Abs. 2 InsO zur Verwertung der Forderungen berechtigt gewesen. Einen Kostenbeitrag könne er jedoch nur dann beanspruchen, wenn er die Verwertung selbst durchgeführt habe.
II.
Die gegen diese Erwägungen erhobenen Revisionsrügen greifen nicht durch; dem Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen.
1. Der Beklagten stand an den ihr im Wege des verlängerten Eigentumsvorbehalts übertragenen Forderungen aus dem Verkauf der Vorbehaltsware ein Absonderungsrecht im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu (vgl. BGHZ 72, 308, 312; , WM 1971, 71, 72; v. - VI ZR 201/84, NJW 1986, 1174, 1175). Aufgrund der mit der Schuldnerin getroffenen Sicherungsvereinbarung war sie dieser gegenüber vertraglich berechtigt, nach Offenlegung der Abtretung die Forderungen bei den Drittschuldnern einzuziehen (vgl. BGHZ 144, 192, 197).
2. Das Berufungsurteil enthält keine Feststellungen über den Zeitpunkt, zu dem die an die Beklagte abgetretenen Forderungen getilgt worden sind. Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist daher davon auszugehen, daß bei der Beklagten sowohl vor als auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Zahlungen der Drittschuldner eingegangen sind. Wie der Senat bereits entschieden hat, gebühren der Masse für sicherungshalber abgetretene Forderungen, die vor Insolvenzeröffnung durch Zahlung an den absonderungsberechtigten Gläubiger ausgeglichen worden sind, grundsätzlich keine Verwertungskosten. Absonderungsberechtigte Gläubiger werden erst mit der Insolvenzeröffnung förmlich in das Verfahren eingebunden. Vorher bleiben sie im allgemeinen selbst dann einziehungsberechtigt, wenn das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt hat (, WM 2003, 694, 696 f, z.V.b. in BGHZ 154, 72). Ob im Falle einer gerichtlichen Ermächtigung an den vorläufigen Insolvenzverwalter zur Verwertung von Gegenständen, die mit Absonderungsrechten belastet sind, ausnahmsweise etwas anderes gilt (vgl. dazu aaO), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Im Streitfall ist eine entsprechende Anordnung nicht ergangen.
3. Für die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingezogenen Forderungen schuldet die Beklagte der Masse ebenfalls keine Verwertungskostenpauschale nach §§ 170, 171 InsO.
a) Allerdings ist mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Einziehungs- und Verwertungsrecht an sicherungshalber abgetretenen Forderungen gemäß § 166 Abs. 2 Satz 1 InsO umfassend auf den Kläger als Insolvenzverwalter übergegangen (vgl. , WM 2002, 1797, 1798 ff; v. , aaO S. 695). Die Beklagte, die nicht behauptet hat, ihr seien die sicherungshalber abgetretenen Forderungen vom Kläger gemäß § 170 Abs. 2 InsO zur Verwertung im eigenen Namen überlassen worden, hat folglich mit der Fortsetzung der Einziehung nach Insolvenzeröffnung objektiv rechtswidrig gehandelt und war deshalb verpflichtet, dafür die Feststellungspauschale an die Masse abzuführen (vgl. aaO), was unstreitig geschehen ist.
b) Die Vorschriften der Insolvenzordnung über die Verwertung beweglicher Gegenstände enthalten keine direkte Aussage über die Rechtsfolgen eines Verstoßes des absonderungsberechtigten Gläubigers gegen § 166 Abs. 2 Satz 1 InsO. Inhalt und Zweck der gesetzlichen Regelung sowie die Gesetzesgeschichte liefern keinen Hinweis, der die Annahme rechtfertigt, der eigenmächtig verwertende Gläubiger habe an die Masse über die Feststellungspauschale hinaus nach §§ 170, 171 InsO auch einen Betrag für die Kosten der Verwertung zu entrichten.
aa) Die gesetzliche Regelung ist vom Gedanken der Kostenbeteiligung geprägt. Den Vorschlag der Kommission für Insolvenzrecht, den gesicherten Gläubigern einen Anteil am Verwertungserlös als "Verfahrensbeitrag" zu entziehen, hat der Regierungsentwurf nicht aufgegriffen. Die gemäß §§ 170, 171 InsO vorgesehenen Beiträge sollen allein dazu dienen, die Insolvenzmasse von den Kosten zu entlasten, die, soweit ein Absonderungsrecht geltend gemacht wird, für die Feststellung der Rechtslage sowie für die Verwertung der Gegenstände anfallen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 89; , z.V.b.).
bb) Die Ausrichtung daran, in welcher Höhe tatsächlich Verwertungskosten entstanden sind, kommt besonders deutlich in der Regelung des § 171 Abs. 2 Satz 2 InsO zum Ausdruck. Nach dieser Vorschrift ist die Pauschale von 5 % des Verwertungserlöses nicht anzusetzen, wenn tatsächlich erheblich höhere oder niedrigere Kosten angefallen sind. Demnach ist grundsätzlich kein Anspruch der Masse auf Abführung einer Verwertungspauschale gerechtfertigt, wenn feststeht, daß die Gläubigergesamtheit durch die Verwertung nicht mit Aufwendungen belastet worden ist.
cc) Auf diesem Rechtsgedanken beruht auch die in § 170 Abs. 2 InsO getroffene Regelung. Danach hat der Gläubiger, dem der Insolvenzverwalter Gegenstände zur Verwertung überlassen hat, einen Beitrag in Höhe der Feststellungskosten an die Masse abzuführen, weil dem Verwalter gleichwohl die Aufgabe obliegt, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse hinsichtlich der vom Gläubiger unter Berufung auf sein Sicherungsrecht in Anspruch genommenen Sachen zu klären. Dagegen schuldet der Gläubiger in diesem Falle keine Verwertungspauschale, weil die Masse nicht mit entsprechenden Kosten belastet wird.
Nimmt der Gläubiger die Verwertung eigenmächtig vor, hat der Insolvenzverwalter gleichwohl die notwendigen Feststellungen zu den tatsächlichen Umständen sowie zu Wirksamkeit und Umfang der vom Gläubiger geltend gemachten Sicherungsrechte zu treffen. Aus diesem Grunde hat der Senat der Masse den Anspruch auf die Feststellungspauschale zuerkannt ( aaO). Dagegen ist auch in diesem Falle kein Verwertungskostenaufwand aus der Masse zu decken. Demgemäß ist es nur konsequent, ihr ebenso wie in dem von § 170 Abs. 2 InsO geregelten Fall keine Pauschale zuzuerkennen. Dies entspricht auch der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. Kemper in Kübler/Prütting, InsO § 170 Rn. 11; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 171 Rn. 3; Eckardt, ZIP 1999, 1734, 1739; Gerhardt, EWiR 2003, 2728; Mönning, Festschrift für Uhlenbruck S. 238, 252).
dd) Dabei verkennt der Senat nicht, daß dem Insolvenzverwalter das umfassende Einziehungs- und Verwertungsrecht für zur Sicherung abgetretene Gegenstände auch deshalb eingeräumt worden ist, um ihm die Möglichkeit zu geben, diese massegünstig zu verwerten. Dies rechtfertigt jedoch keine allgemeine Vermutung, daß die Einziehung durch den absonderungsberechtigten Gläubiger sich regelmäßig für die Masse nachteilig auswirkt. Hat der Gläubiger Gegenstände unter Verstoß gegen § 166 InsO verwertet, für die der Insolvenzverwalter einen höheren Erlös hätte erzielen können, schuldet er in aller Regel Schadensersatz; denn § 166 InsO ist als Schutzgesetz zugunsten der Gläubigergesamtheit im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen. Der eigenmächtig vorgehende Gläubiger handelt insoweit auf eigene Gefahr. Dadurch sind die berechtigten Interessen der Gläubigergesamtheit hinreichend geschützt. Daher ist kein sachlich einleuchtender Grund dafür erkennbar, der Masse allein deshalb den Anspruch auf die Verwertungskostenpauschale zuzuerkennen, weil der Gläubiger die Verwertung ohne die Zustimmung des Insolvenzverwalters vorgenommen hat. Im Streitfall hat der Kläger nicht behauptet, daß die Einziehung durch die Beklagte für die Masse finanzielle Nachteile zur Folge hatte.
4. Hat die Beklagte somit keinen Vermögenswert auf Kosten der Masse erlangt, kommt ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht in Betracht.
5. Schließlich steht dem Kläger auch kein Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 InsO zu. Da nur die Verwertungspauschale im Streit ist, fehlt es an Voraussetzungen, ohne die ein Anfechtungsrecht generell ausscheidet.
a) Die Rechte aus der Sicherungsabtretung dürfen, soweit dem Gläubiger fällige gesicherte Ansprüche gegen den Schuldner zustehen und er die Abtretung aufgedeckt hat, bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahren nach gegenwärtiger Rechtslage grundsätzlich uneingeschränkt gegenüber den Drittschuldnern geltend gemacht werden. In diesem Verfahrensstadium gibt es keine insolvenzrechtliche - insbesondere keine anfechtungsrechtliche - Norm, die den Sicherungsnehmer an der Ausübung seiner Rechte hindert, weshalb der Senat insoweit Ansprüche der Masse auf eine Feststellungs- oder Verwertungspauschale grundsätzlich verneint hat. Auch nach Eröffnung des Verfahrens setzen sich die Interessen des Sicherungsnehmers gegenüber denjenigen der Gläubigergesamtheit durch das ihm zustehende Absonderungsrecht im allgemeinen durch. Seine Rechtsstellung wird lediglich von den dem Insolvenzverwalter durch § 166 Abs. 2 InsO eingeräumten Befugnissen berührt. Diese Ausgestaltung der Rechte des Sicherungsnehmers in der Insolvenz des Sicherungsgebers schließt es aus, vor der Eröffnung des Verfahrens Forderungseinziehungen, die auch aus insolvenzrechtlicher Betrachtung rechtmäßig vorgenommen wurden, mit Blick auf die nur für die Verwertung nach Verfahrenseröffnung geltenden Regeln der §§ 170, 171 InsO den Anfechtungsregeln der §§ 129 ff InsO zu unterwerfen.
b) Davon abgesehen scheitert eine Anfechtung auch deshalb, weil der Umstand, daß der Masse durch die Einziehung der Forderungen im Eröffnungsverfahren der Anspruch auf die Verwertungspauschale entgeht, keine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 InsO darstellt. Dies folgt aus dem für diesen Beitrag geltenden, bereits im einzelnen dargestellten Kostenerstattungsprinzip (vgl. , z.V.b.). Daran ändert auch das vom Gesetzgeber gewählte Pauschalsystem nichts. Dessen Anwendung kann im Einzelfall ebenso zu einer Vermehrung wie zu einer Schmälerung der Masse führen. Dies ist jedoch systembedingt, so daß daraus keine Gläubigerbenachteiligung hergeleitet werden kann (im Ergebnis ebenso HK-InsO/Kreft, 2. Aufl. § 129 Rn. 58; Weis, in Hess/Weis/Wienberg, InsO 2. Aufl. § 129 Rn. 67a; Eckardt, ZIP 1999, 1734, 1739).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2004 S. 312 Nr. 6
DStR 2004 S. 647 Nr. 15
CAAAC-00618
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein