BGH Urteil v. - IX ZR 140/04

Leitsatz

[1] Der Anspruch des Massegläubigers gegen den Verwalter auf Schadensersatz umfasst nicht die Umsatzsteuer.

Gesetze: InsO § 61; UStG § 1 Abs. 1; UStG § 10 Abs. 1

Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main 4 U 13/04 vom LG Gießen 5 O 180/03 vom

Tatbestand

Der Beklagte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der V. & Co. KG. Nach Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit bestellte der Beklagte bei der Klägerin Kantenbänder. Die Klägerin lieferte die Bänder aus und stellte der Masse - unter Berücksichtigung einer später erteilten Gutschrift - insgesamt 10.779,65 € (brutto) in Rechnung. Da Zahlungen der Masse ausblieben, nimmt die Klägerin den Beklagten persönlich in Anspruch.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung des Rechnungsbetrags nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht diese Verurteilung auf 9.162,70 € nebst Zinsen reduziert. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten, soweit in der Urteilssumme Umsatzsteuer von 16 % (1.263,82 €) enthalten ist.

Gründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht meint, der Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin die Umsatzsteuer zu ersetzen, die diese auf den ihr zufließenden Schadensersatzbetrag zu entrichten habe. Der vom Beklagten zu leistende Schadensersatz stelle ein Entgelt für die von der Klägerin als Unternehmerin erbrachte Leistung dar. Dem stehe nicht entgegen, dass der Schadensersatzanspruch nach § 61 InsO auf das negative Interesse (Vertrauensschaden) gerichtet sei. Denn die Schadensersatzleistung des Beklagten falle unter § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG.

II.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin kann vom Beklagten nicht die Zahlung der Umsatzsteuer in Höhe von 1.263,82 € als Schadensersatz beanspruchen.

1. Auf den der Klägerin rechtskräftig zuerkannten Betrag entfällt keine Umsatzsteuer.

a) Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen danach steuerpflichtigen Umsatz geändert, so hat nach § 17 Abs. 1 UStG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Dies gilt sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG). Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, ist nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG der Steuerbetrag im Besteuerungszeitraum der Zahlung erneut zu berichtigen.

Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bei Lieferungen und sonstigen Leistungen ist das vereinbarte Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG).

b) Eine Zahlung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften wie des Bundesfinanzhofs grundsätzlich nur dann Entgelt für eine bestimmte Leistung, wenn sie "für die Leistung" bzw. "für diese Umsätze" gewährt wird oder der Leistende sie hierfür erhält. Entscheidend ist, dass zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, und zwischen der erbrachten Leistung und dem hierfür erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (EuGH NJW 1994, 1941, 1942; DStRE 2001, 661, 663; BFH UR 2002, 217, 218). Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Beurteilung der Frage, ob die Zahlung eines Dritten - etwa eines Bürgen im Fall des Ausbleibens der Gegenleistung - für eine bestimmte Leistung des Leistenden gewährt wird (BFHE 196, 376, 379; BFH UR 2002, 217, 219).

c) Schadensersatzzahlungen sind danach kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht "für eine Lieferung oder sonstige Leistung" an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einzustehen hat (BFH/NV 1999, 987, 989; BFH DStRE 2003, 681, 682). Die Entscheidung darüber, ob es sich bei einer Entschädigungszahlung steuerrechtlich um nicht umsatzsteuerpflichtigen echten Schadensersatz oder um eine steuerbare sonstige Leistung handelt, hängt davon ab, ob die Zahlung der Summe mit einer Leistung des Steuerpflichtigen in Wechselbeziehung steht, ob also ein Leistungsaustausch stattgefunden hat. Grundlage des Leistungsaustauschs ist dabei eine innere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Maßgebend ist der tatsächliche Geschehensablauf. Lässt dieser erkennen, dass die "Ersatzleistung" die Gegenleistung für eine empfangene Lieferung oder sonstige Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG darstellt, liegt keine nichtsteuerbare Schadensersatzleistung, sondern steuerpflichtiges Entgelt vor (, WM 1998, 609, 612 f; BFHE 76, 298, 300). Danach ist etwa eine auf Nichterfüllung gestützte Schadensersatzforderung nach § 326 BGB a.F., soweit mit ihr als Schaden die infolge des Schadensersatzverlangens untergegangene Vergütungsforderung für tatsächlich erbrachte Leistungen verfolgt wird, umsatzsteuerrechtlich der auf die steuerbare Leistung zu stützenden Vergütungsforderung gleich zu erachten und damit selbst steuerbarer Umsatz (, NJW 2001, 3535, 3536).

2. In dem hier zu entscheidenden Fall schuldet der Beklagte jedoch gemäß § 61 InsO "echten" Schadensersatz. Dies hat der Senat bereits wiederholt so entschieden (, n.v.; v. - IX ZR 185/03, NZI 2005, 222, 223). Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass die Ersatzzahlung des persönlich in Anspruch genommenen Verwalters nicht auf einem Leistungsaustausch beruht ( aaO; zustimmend Weinbeer AnwBl. 2004, 518; vgl. ferner Peter/Burhoff/Stöcker, UStG [66. Lfg. 2005] § 1 Rn. 432 f). Daran hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest. Ergänzend ist auszuführen:

a) § 61 InsO gewährt einen Anspruch auf das negative Interesse. Die schuldhafte Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters besteht hier nicht in einem Verhalten, das der Nichterfüllung einer vertraglichen Leistungspflicht gleichsteht. Der Grund für die Haftung des Verwalters liegt darin, dass er die vertragliche Bindung überhaupt eingegangen ist, obwohl er die voraussichtliche Unzulänglichkeit der Masse hätte erkennen können. Der Massegläubiger verdient daher nur, so gestellt zu werden, wie er bei sachgerechtem Verhalten des Insolvenzverwalters, also bei Unterbleiben des Vertragsschlusses, stände (BGHZ 159, 104, 117 ff). Wäre der Vertragsschluss aber unterblieben, läge keine Lieferung oder sonstige Leistung gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor.

b) Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht auf das (NJW 2003, 2190). Dort hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass für die Höhe des Entgelts maßgebend ist, was der Leistungsempfänger vereinbarungsgemäß für die Leistung aufwendet. Besteuerungsgrundlage ist die tatsächlich erhaltene Gegenleistung für die erbrachte Leistung. Daraus hat das Gericht gefolgert, dass es umsatzsteuerrechtlich keinen Unterschied mache, ob der Besteller eines Werks, das sich als mangelhaft erweist, dieses behält und statt der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 635 BGB a.F. verlangt.

Davon zu unterscheiden ist der auf Ersatz des negativen Interesses gerichtete Anspruch aus § 61 InsO. Bereits zu § 82 KO hat der Bundesgerichtshof betont, dass der Verwalter keineswegs für die Erfüllung der Forderung des Unternehmers - gar nach Art eines Ausfallbürgen - persönlich "geradezustehen" habe (, WM 1977, 847, 848). Der Anspruch aus § 61 InsO hat ebenfalls nicht die Aufgabe, die Unfähigkeit der Masse zur Befriedigung des Vertragspartners auszugleichen (vgl. BGHZ 159, 104, 118). Der nach beiden Vorschriften zu ersetzende Vertrauensschaden ist keine Gegenleistung für die erbrachte Leistung. Das Berufungsgericht hat der Klägerin als Schaden deshalb die "Aufwendungen (zugesprochen), die sie tätigen musste, um diese Bänder herzustellen oder zu erwerben zuzüglich der durch den Verkauf und den Transport entstanden(en) Kosten." Dieser Schaden orientiert sich nicht an der Höhe der noch nicht bezahlten Leistungen. Der Beklagte zahlt daher nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung, sondern weil er nach dem Gesetz für den Schaden einzustehen hat (vgl. BFH/NV 1999, 987, 989). Diese Einstandspflicht beruht auf einem eigenständigen, von dem Geschäft des Leistenden mit der Masse losgelösten Zurechnungsgrund ( aaO). Der Schaden kann somit umsatzsteuerrechtlich auch nicht teilweise als Entgelt eines Dritten für die Leistung der Klägerin angesehen werden (vgl. BFH UR 2002, 217, 218 f).

c) Keines der vom Berufungsgericht angeführten Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH UR 2002, 217, 218 f; NJW 2003, 2190, 2191; DStRE 2003, 681, 682) trägt die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung. In den zuletzt genannten Fällen ging es um die Frage, ob und in welcher Weise Zahlungen auf Grund eines Vergleichs die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz ändern (§ 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG). In dem zuerst genannten Fall war Kern der Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Dritten, dass Letzterer ähnlich einem Bürgen (BFH UR 2002, 217, 219, 220) anstelle des in Konkurs gefallenen Leistungsempfängers das ausstehende Entgelt für die erbrachten Leistungen entrichtet und damit den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erfüllt. In keinem der Fälle ging es um den Ersatz eines Vertrauensschadens. Auch in dem in BFHE 102, 327, 330 ff abgedruckten Urteil, auf das sich das Oberlandesgericht Hamm in seinem der Senatsentscheidung vom (IX ZR 50/03, n.v.) vorausgegangenen Berufungsurteil (NZI 2003, 263, 266) bezogen hat, ging es nicht um den Ersatz des Vertrauensschadens, sondern um Garantiezahlungen, die der Bundesfinanzhof als Entgelte für eine künftige Leistung beurteilt hat.

d) Das Ergebnis ist auch interessegerecht; denn die Klägerin kann tatsächlich abgeführte Umsatzsteuer wegen Uneinbringlichkeit des Kaufpreises nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG berichtigen.

III.

Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden. Das Urteil des Landgerichts ist danach auch insoweit abzuändern, als es der Klägerin den geltend gemachten Umsatzsteuerbetrag als Schadensersatz zugesprochen hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV-Beilage 2006 S. 214 Nr. 2
NJW-RR 2006 S. 189 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 11/2006 S. 832
SJ 2006 S. 43 Nr. 3
WM 2005 S. 2399 Nr. 50
WPg 2006 S. 103 Nr. 3
ZIP 2005 S. 2265 Nr. 50
VAAAC-00240

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja