BGH Beschluss v. - IX ZB 78/04

Leitsatz

[1] Auch in masselosen Verfahren ist ein Insolvenzgläubiger in der Regel befugt, sofortige Beschwerde gegen die Festsetzung der Vergütung des Treuhänders einzulegen.

Gesetze: InsO § 64 Abs. 3

Instanzenzug: AG Göttingen 74 IK 133/03 vom LG Göttingen 10 T 139/03 vom

Gründe

Am wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Die Verfahrenskosten wurden gestundet. Zum Treuhänder wurde der Beteiligte zu 2 bestellt. Die Beteiligte zu 1 war die einzige am Verfahren beteiligte Gläubigerin. Das Einkommen der für zwei Kinder unterhaltspflichtigen Schuldnerin lag unterhalb der Pfändungsgrenzen; über sonstiges pfändbares Vermögen verfügte sie nicht.

Nach Ankündigung der Restschuldbefreiung und Aufhebung des Verfahrens hat der Treuhänder die Festsetzung seiner Vergütung auf 1.000 € zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer beantragt. Die Vergütung ist antragsgemäß auf insgesamt 1.334 € festgesetzt worden. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen diesen Beschluss ist als unzulässig verworfen worden. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Gläubigerin weiterhin die Herabsetzung der Treuhändervergütung auf einen Betrag von 250 €.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO, § 64 Abs. 3, §§ 6, 7 InsO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Herabsetzung der Vergütung des Treuhänders auf den in § 13 InsVV a.F. vorgesehenen Mindestbetrag nebst Auslagen und Mehrwertsteuer.

1. Das Landgericht, dessen Entscheidung in NZI 2004, 330 und ZInsO 2004, 496 veröffentlicht ist, hat die sofortige Beschwerde für unzulässig gehalten, weil die Gläubigerin durch die Festsetzung der überhöhten Vergütung nicht beschwert sei. In masselosen Verfahren sei eine Beschwer des Insolvenzgläubigers zu verneinen. Der Ausnahmefall, dass die Massearmut erst durch die Vergütung des Treuhänders eintrete, liege nicht vor, weil die Verfahrenskosten von der Landeskasse getragen würden.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Der Begriff der "Beschwer" bezeichnet einen rechtlichen Nachteil, den eine Partei durch eine gerichtliche Entscheidung trifft. Dadurch, dass eine Beschwer des Rechtsmittelführers als Voraussetzung für die Zulässigkeit des von ihm eingelegten Rechtsmittels gefordert wird, soll erreicht werden, dass der Rechtsmittelzug nur eröffnet wird, wenn dafür ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Im Interesse der Gesamtheit der Rechtsschutz suchenden Bürger und des jeweiligen Gegners soll ausgeschlossen werden, dass das Rechtsmittelgericht sich mit dem Rechtsstreit befassen muss, ohne dass der Rechtsmittelkläger ein schutzwürdiges Interesse an der von ihm erstrebten Entscheidung hat (BGHZ 50, 261, 263). Maßgeblich ist der sich aus Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründen ergebende rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung.

b) Die unrichtige Festsetzung der Vergütung durch das Insolvenzgericht hat zu einem rechtlichen Nachteil der Gläubigerin geführt. Das folgt hier unmittelbar aus § 287 Abs. 2, § 292 Abs. 1 InsO. Die Schuldnerin hat gemäß § 287 Abs. 2 InsO ihre pfändbaren Bezüge aus einem Dienstverhältnis für eine Zeit von 6 Jahren nach der Eröffnung des Verfahrens an den Treuhänder abgetreten. Diese werden einmal jährlich aufgrund des Schlussverzeichnisses an die Gläubiger verteilt, sofern die nach § 4a InsO gestundeten Verfahrenskosten berichtigt sind (§ 292 Abs. 1 InsO). Zu den gestundeten Verfahrenskosten gehört auch die Treuhändervergütung (§ 54 Nr. 2, § 313 InsO; vgl. MünchKomm-InsO/Hefermehl, § 54 Rn. 100). Jeder Betrag, um den die Treuhändervergütung zu hoch festgesetzt worden ist, kann nicht an die (hier einzige) Insolvenzgläubigerin ausgekehrt werden.

c) Trotz vorhandener Beschwer kann ausnahmsweise das Rechtsschutzinteresse für ein Beschwerdeverfahren fehlen (vgl. BGHZ 57, 224, 225), wenn bereits im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde mit Sicherheit feststeht, dass der Beschwerde führende Gläubiger keine auch nur teilweise Befriedigung seiner Forderung erwarten kann (vgl. MünchKomm-InsO/Nowack, § 64 Rn. 14). Einen solchen Fall behandelt die vom Landgericht zitierte Entscheidung LG Frankfurt/M. ZIP 1991, 1442. Seinerzeit war das Konkursverfahren gemäß § 204 KO mangels Masse eingestellt worden. Beschwerdeführer war ein einfacher Konkursgläubiger, der nicht die geringste Aussicht auf eine Quote hatte, weil die vorhandene Masse nicht einmal zur Befriedigung aller Massegläubiger ausreichte. Neuerwerb haftete nach der Konkursordnung (§ 1 Abs. 1 KO) nicht für die Verwaltervergütung, so dass auch die diesbezüglichen Vollstreckungsmöglichkeiten durch die Festsetzung der Vergütung nicht beeinträchtigt wurden. Eine solche Situation dürfte der in zahlreichen Kommentierungen vertretenen Auffassung zugrunde liegen, in masselosen Verfahren seien einfache Insolvenzgläubiger durch die Festsetzung einer Verwalter- oder Treuhändervergütung nicht beschwert (z.B. Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 64 Rn. 10; Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 64 Rn. 16).

So liegt der Fall hier jedoch nicht. Welches Einkommen die Schuldnerin im Verlauf der nächsten Jahre erzielen kann, ist derzeit nicht abzusehen. Darauf verweist die Rechtsbeschwerde zu Recht. Schon im ersten Jahr nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens hat der Treuhänder überdies aus der Abtretung einen dreistelligen Betrag erlangt, der zur Begleichung der - bis auf die Treuhändervergütung geringen - Verfahrenskosten verwandt worden ist. Dass die Gläubigerin auch in den kommenden Jahren keinerlei Befriedigung erhalten wird, steht daher nicht mit Sicherheit fest. Dann aber kann ihr ein Rechtsschutzbedürfnis für eine sofortige Beschwerde gegen die rechtswidrige Festsetzung der Treuhändervergütung nicht abgesprochen werden. Die gegenteilige Entscheidung des Landgerichts muss aufgehoben werden; die sofortige Beschwerde ist zulässig.

III.

Der Senat kann eine eigene Sachentscheidung treffen, weil die Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts nur wegen Rechtsverletzungen bei der Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO). Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Die Vergütung des Treuhänders richtet sich nach § 13 InsVV in der Fassung vor Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vom (BGBl. I 2004, 2569). Danach erhält der Treuhänder in masselosen Verfahren, die vor dem eröffnet worden sind, eine Vergütung von 250 €. § 13 InsVV a.F. ist verfassungsgemäß (BVerfG ZIP 2005, 1694 ff). Eine "verfassungskonforme" Auslegung dieser Vorschrift oder derjenigen des § 63 Abs. 1 InsO mit dem Ziel einer Erhöhung der vorgesehenen Mindestvergütung kommt nicht in Betracht (BVerfG aaO S. 1697; , ZIP 2005, 447, 449 f). Zusätzlich ist die beantragte Auslagenpauschale in Höhe von 37,50 € (15 % von 250 €) festzusetzen (§§ 10, 8 Abs. 3 InsVV a.F.). Zuzüglich der Mehrwertsteuer ergibt sich der neu festgesetzte Betrag von 333,50 €.

Fundstelle(n):
WM 2006 S. 1498 Nr. 31
PAAAC-00080

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja