Leitsatz
[1] Die (streitige) Zivilgerichtsbarkeit ist zuständig für die Entscheidung
über eine Drittwiderspruchsklage, mit der sich ein Dritter gegen eine Maßnahme zur Vollziehung eines im Strafverfahren angeordneten dinglichen Arrests wendet.
Gesetze: StPO § 111d Abs. 1; StPO § 111d Abs. 2; StPO § 111f Abs. 3; ZPO § 771; GVG § 17a
Instanzenzug: OLG Rostock vom LG Rostock vom
Gründe
I.
In einem Ermittlungsverfahren gegen J. H. ordnete das zur Sicherung der den Verletzten aus den Straftaten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche den dinglichen Arrest in Höhe von 86.350 € in das Vermögen des Beschuldigten an (§ 111b Abs. 2 und 5, §§ 111d, 111e Abs. 1 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2, §§ 73a, 244 Abs. 1 Nr. 2, § 260 Abs. 1 Nr. 2, § 25 Abs. 2, § 53 StGB). In Vollziehung des dinglichen Arrests pfändete die Staatsanwaltschaft am einen Pkw Audi A 8.
Mit der Behauptung, er sei Eigentümer des gepfändeten Pkw, hat der Kläger Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO erhoben. Das angerufene Landgericht hat den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an die Strafabteilung des Amtsgerichts verwiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das Oberlandesgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen diese Entscheidung.
II.
1. Die nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG als Rechtsbeschwerde zu behandelnde weitere Beschwerde (BGHZ 152, 213, 214 f) ist von dem Oberlandesgericht zugelassen worden; sie ist deshalb statthaft (vgl. § 17a Abs. 4 Sätze 4 und 6 GVG). Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerdebefugnis des Klägers für die Einlegung dieses Rechtsmittels ergibt sich schon aus der Zurückweisung seiner ersten Beschwerde.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Oberlandesgericht von einer zulässigen sofortigen ersten Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts ausgegangen. Die Frist für die Einlegung des Rechtsmittels (§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, § 569 Abs. 1 Sätze 1, 2 ZPO) hat der Kläger gewahrt.
In der Sache selbst ist die Zuständigkeit der Zivilgerichte gegeben.
a) Die Frage, ob Dritten gegen Vollziehungsmaßnahmen des dinglichen Arrests nach § 111d StPO die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO zu den Zivilgerichten oder die Rechtsbehelfe nach der Strafprozessordnung zu den Strafgerichten zu Gebote stehen, ist umstritten.
Eine Zuständigkeit der Strafgerichte halten für gegeben: , n.v.; LG Saarbrücken wistra 2002, 158 ff; LG Berlin wistra 2004, 38, 39; KK-StPO/Nack, 5. Aufl. § 111e Rn. 19; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 111 f Rn. 14.
Den Zivilrechtsweg halten für gegeben: OLG Hamburg NJW-RR 2003, 715 f; OLG Naumburg NStZ 2005, 341 f; AG Saarbrücken wistra 2000, 194, 195 f; Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 771 Rn. 8; Musielak/Lackmann, ZPO 4. Aufl. § 771 Rn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 63. Aufl. § 771 Rn. 7; Leuger wistra 2002, 478, 479 f.
Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsfrage bisher nicht entschieden; der von Nack (aaO) zum Beleg seiner Auffassung angeführte - betrifft eine Beschwerde des Beschuldigten gegen die ermittlungsrichterliche Bestätigung der Beschlagnahme eines Pkw gemäß § 111b, c, e StPO. Der Beschluss des 5. Strafsenats vom (5 ARs 55/04, wistra 2005, 35) verhält sich ausschließlich zur Frage der Zuständigkeit für den Erlass von Forderungspfändungsbeschlüssen nach § 111f Abs. 3 Satz 3, § 162 Abs. 1 StPO.
b) Die Zuständigkeit der Zivilgerichte folgt bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. § 111d Abs. 2 StPO verweist für die Vollziehung des dinglichen Arrests unter anderem auf § 928 ZPO. Danach sind auf die Vollziehung des Arrests die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung entsprechend anzuwenden. Damit wollte der Gesetzgeber des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, mit dem § 111d StPO in die Strafprozessordnung eingefügt worden ist, das Verfahren zur Vollziehung eines dinglichen Arrests dem Verfahren zur Vollstreckung einer Geldforderung nach der Zivilprozessordnung nachbilden (BT-Drucks. 7/550 S. 497). Zu den Vorschriften, auf die § 928 ZPO verweist, gehören auch die Bestimmungen über die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO (Grunsky in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 928 Rn. 4; MünchKomm-ZPO/Heinze, 2. Aufl. § 928 Rn. 6). Dem steht die lediglich "sinngemäße" Verweisung in § 111d Abs. 2 StPO nicht entgegen. Es handelt sich keineswegs um einen, wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, "Verweis auf die Voraussetzungen des Arrestes, also den Arrestgrund". Hiermit trägt der Gesetzgeber vielmehr lediglich dem Umstand Rechnung, dass auf den im Strafverfahren geschaffenen Titel die Vorschriften der Zivilprozessordnung nicht unmittelbar Anwendung finden können (OLG Hamburg aaO). Ebenso verhält es sich etwa bei der Regelung der Vollstreckung einer von einem Strafgericht festgesetzten Geldstrafe (§§ 459 StPO, 1 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrO). Auch insoweit verweist § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrO lediglich sinngemäß auf zivilprozessuale Vorschriften, wobei in der Aufzählung § 771 ZPO ausdrücklich aufgeführt ist.
c) Für die Zuständigkeit der Zivilgerichte spricht auch der Gesichtspunkt der Sachnähe. Der Kläger beruft sich für den von ihm begehrten prozessualen Gestaltungsausspruch auf sein angebliches Eigentum an dem gepfändeten Pkw als ein die Veräußerung hinderndes Recht. Die Beurteilung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums ist, wie keiner weiteren Darlegung bedarf, in erster Linie in die Hände der Zivilgerichte gelegt, unabhängig davon, dass Eigentumsfragen auch als Vorfragen für die strafrechtliche Beurteilung auftreten können.
Der hier gegebenen Sachnähe der Zivilgerichte hat auch der Gesetzgeber Rechnung getragen: Wird im rechtskräftigen Strafurteil der Verfall oder die Einziehung von Wertersatz (§§ 73a, 74c StGB) angeordnet, richtet sich die Vollstreckung gemäß § 459g Abs. 2, § 459 StPO nach den Vorschriften der Justizbeitreibungsordnung. Deren § 6 Abs. 1 Nr. 1 verweist den Dritten, wie bereits ausgeführt, mit seinem Interventionsrecht ausdrücklich auf den Weg der Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO vor die Zivilgerichte. § 111d StPO dient unter anderem der vorläufigen Sicherung der Vollstreckung einer zu erwartenden Anordnung des Verfalls oder der Einziehung von Wertersatz. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, die verfahrensrechtliche Geltendmachung des Interventionsrechts eines Dritten unterschiedlich auszugestalten, je nach dem, ob er sich unter Berufung auf sein materielles Recht gegen die Vollziehung der vorläufigen Maßnahme oder der endgültigen Anordnung wendet. Im Gegenteil erhöhte eine solche Differenzierung die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen.
d) Der Kläger wendet sich - anders als das Landgericht und die Rechtsbeschwerde offenbar meinen - nicht gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung des dinglichen Arrests in das Vermögen des Beschuldigten. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung nach straf- und strafverfahrensrechtlichen Maßstäben sind die Strafgerichte zuständig. Hier geht es jedoch um die Vollziehung der Arrestanordnung, die ihrerseits keine konkreten Vermögensgegenstände bezeichnet. Insoweit können sich bei der Vollziehung dieselben Fragen stellen wie bei der Vollstreckung eines jeden anderen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels auch. Eine Beurteilung nach straf- und strafverfahrensrechtlichen Gesichtspunkten findet nicht statt. Vielmehr hängt der Erfolg des klägerischen Vorgehens im Wesentlichen davon ab, ob er das von ihm behauptete Eigentum an dem gepfändeten Pkw darlegen und beweisen kann. Diese Frage kann von den Zivilgerichten nach allgemeinen materiell- und verfahrensrechtlichen Grundsätzen entschieden werden, ohne dass ein Kompetenzkonflikt mit der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht entsteht (vgl. auch , NJW 2005, 988).
e) Das Oberlandesgericht Hamburg (aaO S. 716) weist mit Recht darauf hin, dass von strafprozessualen Maßnahmen betroffene Dritte auch in anderen Fällen auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden: Nach Verwertung des für verfallen erklärten oder eingezogenen Gegenstandes muss der Dritte seine Ersatzansprüche vor den Zivilgerichten verfolgen (vgl. Meyer-Goßner, aaO § 439 Rn. 14). Behauptet der Dritte einen der Herausgabe sichergestellter Sachen an den Verletzten entgegenstehenden Anspruch, wird ihm eine Frist zur gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs vor den Zivilgerichten gesetzt (Meyer-Goßner, aaO § 111k Rn. 8). Auch das Opfer einer Straftat kann nach beendetem Adhäsionsverfahren seine Rechtsverfolgung in den Fällen des § 406 Abs. 3 Sätze 3 und 4 StPO vor den Zivilgerichten fortsetzen.
f) Wegen der Sachnähe der Zivilgerichte verweist die Rechtsordnung den Dritten mit seinem Interventionsrecht auch in anderen Fällen der Vollstreckung nicht zivilprozessualer Titel durch andere Funktionsträger als Gerichtsvollzieher auf den Weg der Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO. So sieht § 262 Abs. 1 Satz 1 AO die Klage vor den ordentlichen Gerichten vor, wenn ein Dritter sich mit der Behauptung, dass ihm am Gegenstand der Vollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, gegen einen Vollstreckungsakt der Finanzämter oder Hauptzollämter gemäß §§ 249 ff AO wendet (BFHE 132, 405, 406; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 771 Rn. 11, 51). Hierauf verweist § 5 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes. Auch für die Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Titel nimmt § 167 Abs. 1 VwGO mit seiner Verweisung auf das Achte Buch der Zivilprozessordnung auf § 771 ZPO Bezug.
g) Zwar hat das beklagte Land den Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten (Stand: ) vorgelegt. Dort wird vorgeschlagen, dem § 111f Abs. 3 StPO einen weiteren - vierten - Satz anzufügen. Danach soll der Betroffene gegen Maßnahmen in Vollziehung des Arrests jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen können. Nach der Begründung (S. 16) soll hierdurch klargestellt werden, dass es hinsichtlich aller Einwendungen - auch nach § 771 ZPO - gegen Maßnahmen, die in Vollziehung des Arrests getroffen würden, beim strafprozessualen Rechtsweg verbleibe. Dieser, in einem sehr frühen Stadium der Gesetzgebung befindliche Vorschlag des Bundesministeriums der Justiz vermag jedoch die Auslegung des geltenden Rechts nicht zu beeinflussen; nach dem geltenden § 111d Abs. 2 StPO in Verbindung mit §§ 928, 771 ZPO ist vielmehr die Zuständigkeit der Zivilgerichte gegeben.
3. Der Senat hat daher auszusprechen, dass die Gerichte der (streitigen) Zivilgerichtsbarkeit zur Entscheidung berufen sind.
4. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
INF 2006 S. 11 Nr. 1
NJW 2006 S. 65 Nr. 1
WM 2006 S. 57 Nr. 1
KAAAB-99828
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja