BGH Beschluss v. - IX ZB 263/05

Leitsatz

[1] Hat der ordnungsgemäß belehrte Schuldner in einem früheren Insolvenzverfahren den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung nicht rechtzeitig gestellt, führt die Präklusion des früheren Antrags zur Unzulässigkeit eines erneuten Restschuldbefreiungsantrags, wenn kein neuer Gläubiger hinzugekommen ist.

Gesetze: InsO § 20 Abs. 2; InsO § 287 Abs. 1

Instanzenzug: AG Aurich 9 IN 226/05 vom LG Aurich 4 T 400/05 vom

Gründe

I.

Auf Antrag einer Gläubigerin eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom das Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Anschließend wies es diesen - unter Übersendung eines Merkblatts - darauf hin, dass er nach Maßgabe der §§ 286 bis 303 InsO Restschuldbefreiung erlangen könne; ein entsprechender Antrag sei spätestens bis zum Berichtstermin zu stellen. Den erst nach dem Berichtstermin gestellten Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung wies das Insolvenzgericht als unzulässig zurück. Später hob es das Insolvenzverfahren auf.

Nunmehr hat der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie die Gewährung von Restschuldbefreiung und die Stundung der Kosten des Verfahrens beantragt. Die Gläubiger des Schuldners sind sämtlich bereits von dem aufgehobenen Insolvenzverfahren erfasst worden. Das Insolvenzgericht hat den Stundungsantrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Schuldners.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 4d Abs. 1, §§ 7, 6 Abs. 1 InsO statthafte und nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat das Rechtsschutzbedürfnis für den Eröffnungsantrag des Schuldners verneint. Alle gegenwärtigen Gläubiger könnten bereits nach Maßgabe des § 201 InsO gegen den Schuldner vollstrecken. Diesem sei in dem früheren Verfahren Gelegenheit gegeben worden, die Restschuldbefreiung zu beantragen. Die hierfür im Gesetz vorgesehene Frist ginge ins Leere, wenn der Schuldner mit einem Eigenantrag ein neues Insolvenzverfahren in Gang setzen könnte.

2. Dies hält im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand.

Der Antrag des Schuldners auf Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens ist unzulässig. Seine Zulässigkeit hängt nach § 4a Abs. 1 Satz 1 InsO davon ab, dass der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat. Ist dieser unzulässig, so schlägt das auf den Stundungsantrag durch (HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 4a Rn. 6). Der Restschuldbefreiungsantrag ist unzulässig, weil der Schuldner ihn im früheren Verfahren nicht rechtzeitig gestellt hat.

a) Nach § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. musste der Antrag auf Restschuldbefreiung spätestens im Berichtstermin gestellt werden. Hierüber hatte das Insolvenzgericht den Schuldner in dem früheren Insolvenzverfahren ordnungsgemäß nach § 30 Abs. 3 InsO a.F. belehrt. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom war zwar im Regelinsolvenzverfahren ein isolierter Restschuldbefreiungsantrag zulässig (vgl. , WM 2004, 1740, 1741). Der vom Schuldner gestellte Antrag war aber verspätet; er wurde zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

b) In dem hier zu entscheidenden Fall, in dem kein neuer Gläubiger des Schuldners hinzugekommen ist, führt die Präklusion des früheren Antrags nach § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. zur Unzulässigkeit eines erneuten Antrags auf Restschuldbefreiung (LG Koblenz ZVI 2005, 91; LG Zweibrücken NZI 2005, 397, 398; a.A. AG Göttingen NZI 2005, 398 f; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 13 Rn. 22; Pape ZInsO 2005, 617, 626 f; Hackenberg ZVI 2005, 468, 469 ff; vgl. auch BGH, Beschl.v. - IX ZB 186/05, WM 2006, 331 zu dem Fall, dass die Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO n.F. vor rechtskräftiger Abweisung mangels Masse nicht in Lauf gesetzt worden war).

aa) Mit der Obliegenheit des Schuldners, den Antrag möglichst früh - bis zum Schluss des Berichtstermins - zu stellen, wollte der Gesetzgeber schon bei Einführung der Insolvenzordnung einen zügigen Ablauf des Verfahrens sicherstellen. Zugleich versetzte der in § 30 Abs. 3 InsO a.F. vorgesehene Hinweis den Schuldner in die Lage, sich tatsächlich frühzeitig zu erklären, ob er den Weg der Restschuldbefreiung gehen möchte (BT-Drucks. 12/2443 S. 189 zu § 236 RegE zur InsO). Das vom Gesetzgeber von Anfang an verfolgte Ziel, die Frage, ob der Schuldner die Restschuldbefreiung anstrebt, einer raschen Klärung zuzuführen (vgl. jetzt § 20 Abs. 2, § 287 Abs. 1 InsO und hierzu BGHZ 162, 181, 184 f), würde verfehlt, wenn die Versäumung der für die Antragstellung zur Verfügung stehenden Frist letztlich folgenlos bleiben würde. Der Schuldner würde gerade nicht angehalten, rechtzeitig den Antrag zu stellen. Vielmehr könnte er die Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens abwarten, um anschließend mit einem Eigenantrag den zunächst versäumten Antrag auf Restschuldbefreiung nachzuholen.

bb) Ließe man in einem solchen Fall einen erneuten Antrag zu, hätte dies zur Folge, dass ein aufwändiges Insolvenzverfahren ein zweites Mal durchgeführt werden müsste. Dies ist verfahrensunökonomisch und kann als Konsequenz einer schuldhaften Säumnis des Schuldners jedenfalls dann nicht hingenommen werden, wenn keine neuen Gläubiger hinzugekommen sind.

cc) Der Schuldner ist nicht schutzwürdig. Er ist in dem früheren Insolvenzverfahren ordnungsgemäß auf die Möglichkeit, einen Restschuldbefreiungsantrag zu stellen, und den dafür zur Verfügung stehenden Zeitraum hingewiesen worden. Dagegen müssen die Gläubiger so früh wie möglich wissen, ob ihr Schuldner Restschuldbefreiung anstrebt. Hat etwa der Schuldner die von ihnen angemeldeten Forderungen wirksam bestritten, können sie einen Titel gemäß § 201 Abs. 2 InsO nur dann erreichen, wenn sie noch während des Insolvenzverfahrens diesen Widerspruch beseitigen. Für die Entscheidung eines Gläubigers, ob er gegen den Schuldner Feststellungsklage gemäß § 184 InsO erheben soll, kann es durchaus von Bedeutung sein, ob der Schuldner Restschuldbefreiung anstrebt (§ 201 Abs. 3 InsO).

dd) Der Hinweis des Amtsgerichts Göttingen (aaO S. 398), eine gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger sei nur im Rahmen eines anhängigen Verfahrens zu erreichen, überzeugt nicht. Denn ein Insolvenzverfahren ist hier durchgeführt worden. Nach der Wertung des Gesetzes haben die Gläubiger nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens gemäß § 201 Abs. 1 InsO grundsätzlich das Recht der freien Nachforderung; hierzu steht ihnen gegebenenfalls gemäß § 201 Abs. 2 InsO eine vollstreckbare Ausfertigung der Eintragung in die Tabelle zur Verfügung.

ee) Ein anderes Ergebnis folgt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht aus § 1 Satz 2 InsO. Das dort angesprochene Interesse eines redlichen Schuldners, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien (§ 201 Abs. 3, § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO), konnte hier stets im früheren Insolvenzverfahren verwirklicht werden. § 1 Satz 2 InsO kann nicht dahin ausgelegt werden, dass allein aus dem Grunde ein neues Insolvenzverfahren durchgeführt werden muss, weil der rechtzeitig ordnungsgemäß belehrte Schuldner sich nunmehr doch noch dazu entschlossen hat, einen Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen.

ff) Unerheblich ist, ob - wie das Landgericht ausführt und die Rechtsbeschwerde in Abrede nimmt - alle gegenwärtigen Gläubiger des Schuldners nach Maßgabe des § 201 Abs. 2 InsO gegen diesen vollstrecken können. Es kommt allein darauf an, dass sämtliche bestehenden Forderungen in dem früheren Insolvenzverfahren, in dem der Schuldner einen rechtzeitigen Antrag auf Restschuldbefreiung versäumt hat, angemeldet worden sind oder hätten angemeldet werden können (vgl. § 301 Abs. 1 Satz 2 InsO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NJW-RR 2006 S. 1483 Nr. 21
WM 2006 S. 1778 Nr. 37
WAAAB-99824

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja