BGH Beschluss v. - IX ZB 205/03

Leitsatz

[1] Entscheidet das erstinstanzliche Gericht durch Zwischenurteil, daß eine Unterbrechung des Verfahrens wegen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemäß § 17 AnfG oder § 240 ZPO eingetreten sei, kann der Kläger die Entscheidung wie ein Endurteil mit der Berufung anfechten, soweit er geltend macht, der erhobene Anspruch betreffe nicht die Insolvenzmasse und sei nicht auf Duldung der Zwangsvollstreckung nach dem Anfechtungsgesetz gerichtet (Fortführung des Beschlusses vom - IX ZR 281/03, WM 2004, 1656).

Gesetze: AnfG § 17; ZPO § 240; ZPO § 303; ZPO § 511

Instanzenzug: OLG Schleswig vom LG Lübeck

Gründe

I.

Die Mutter der Beklagten ist am rechtskräftig verurteilt worden, der Klägerin ca. 923.000 DM nebst Zinsen und Kosten zu bezahlen. Die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen die Mutter der Beklagten verlief überwiegend erfolglos. Die Mutter der Beklagten hatte zuvor an die Beklagte Grundvermögen übertragen. In § 3 Abs. 4 des Übertragungsvertrages ist geregelt, daß auf Verlangen des Überlassers der Übernehmer das überlassene Grundstück unentgeltlich an den Überlasser zurückzuübertragen hat. Dieses Rückübertragungsrecht sei höchstpersönlich, nicht übertragbar und nicht vererblich.

Die Klägerin hat mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des sowohl den in § 3 Abs. 4 des Vertrages vorgesehenen Anspruch auf unentgeltliche Rückübertragung samt dem Anspruch auf Verlangen der unentgeltlichen Rückübertragung als auch den Anspruch auf Rückforderung des Grundstücks wegen Verarmung der Schenkerin (§ 528 BGB) pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin gegenüber der Beklagten diese Ansprüche, hilfsweise den Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück nach dem Anfechtungsgesetz.

Im Verlaufe des Rechtsstreits ist über das Vermögen der Mutter der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Durch Zwischenurteil hat das Landgericht festgestellt, daß der Rechtsstreit durch das eröffnete Insolvenzverfahren insgesamt unterbrochen sei. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht mit Beschluß vom als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Frage der Anfechtbarkeit eines Zwischenurteils, mit dem die Unterbrechung des Verfahrens nach § 17 AnfG festgestellt wird, bisher höchstrichterlich nicht geklärt und von grundsätzlicher Bedeutung ist, § 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Gegen das Zwischenurteil des Landgerichts ist die Berufung gemäß § 511 ff ZPO gegeben.

1. Das angefochtene Urteil des Landgerichts bringt zum Ausdruck, daß die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Mutter der Beklagten von der Klägerin gegen die Beklagte nicht weiterverfolgt werden können, auch soweit es sich nicht um Ansprüche nach dem Anfechtungsgesetz, sondern um vertragliche Ansprüche und den gesetzlichen Anspruch aus § 528 BGB handelt. Das Urteil hat daher die Wirkung, daß die Klägerin auf unbestimmte Zeit - während der Dauer des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Mutter der Beklagten - ihre Ansprüche gegen die Beklagte nicht durchsetzen kann.

2. Der Berufung unterliegen gemäß § 511 Abs. 1 ZPO die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile. Zwischenurteile über die Zulässigkeit der Klage (§ 280 Abs. 2 ZPO) und über den Grund (§ 304 Abs. 2 ZPO) sind Endurteilen gleichgestellt. Im übrigen sind Zwischenurteile grundsätzlich nur zusammen mit dem Endurteil mit der Berufung anfechtbar (BGHZ 102, 232; , BGHR § 303 ZPO Anfechtbarkeit 1).

Die Feststellung der Unterbrechung des Verfahrens kann durch Zwischenurteil geschehen (BGHZ 82, 209, 218; aaO; Zöller/Vollkommer, ZPO 24. Aufl. § 303 Rn. 6; Musielak, ZPO 3. Aufl. § 303 Rn. 4). Ob ein solches Zwischenurteil in den Fällen des § 17 AnfG, § 240 ZPO anfechtbar ist, hat der Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden. In der Literatur ist die Frage streitig. Allgemein wird bei Zwischenurteilen eine gesonderte Anfechtbarkeit außerhalb der genannten Fälle der § 280 Abs. 2, § 304 Abs. 2 ZPO verneint (Zöller/Vollkommer, aaO § 303 Rn. 11; Musielak, aaO § 303 Rn. 7; Thomas-Putzo/Reichold, 25. Aufl. § 303 Rn. 7; Stein-Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. § 303 Rn. 9).

Unbeschadet dieses allgemeinen Grundsatzes zu § 303 ZPO wird teilweise angenommen, daß ein Zwischenurteil anfechtbar sei, wenn es eine Unterbrechung bejahe (Stein-Jonas/Roth, aaO vor § 239 Rn. 12; Zöller/Greger, aaO vor § 239 Rn. 3). Im Falle, daß auf die Unterbrechung lediglich durch Beschluß hingewiesen und eine Terminsbestimmung abgelehnt wird, soll eine sofortige Beschwerde entsprechend § 252 ZPO statthaft sein (OLG München NJW-RR 1996, 228; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 62. Aufl. § 252 Rn. 4; MünchKomm-ZPO/Feiber, aaO § 252 Rn. 15).

3. Nach Auffassung des Senats sind Zwischenurteile, die eine Unterbrechung feststellen, anfechtbar, wenn geltend gemacht wird, Gegenstand des Rechtsstreits seien Ansprüche, die weder die Insolvenzmasse betreffen (§ 240 ZPO) noch von § 17 AnfG erfaßt werden.

a) Versagt das Gericht in einem zunächst nach § 240 ZPO, § 17 AnfG unterbrochenen Verfahren derjenigen Person, die eine Aufnahme des Rechtsstreits erklärt, die Befugnis, als Kläger aufzutreten, wird diese also von der Prozeßführung ferngehalten, so ist ein solches Urteil wegen der für die davon betroffene Partei ausgehenden Wirkungen wie ein Endurteil anfechtbar (, WM 2004, 1656 mit zahlreichen Nachweisen zu Rechtsprechung und Literatur). Auch in dem Fall, daß infolge eines Zwischenurteils eine Partei gegen ihren Willen aus dem Prozeß ausscheidet, hat der Bundesgerichtshof angenommen, daß ein solches Zwischenurteil von den betroffenen Parteien wie ein Endurteil angefochten werden kann (, NJW 1981, 989). Wenn eine Partei durch einen Ausspruch der Unterbrechung des Verfahrens daran gehindert wird, Ansprüche weiterzuverfolgen, die von den Wirkungen des § 240 ZPO, § 17 AnfG nicht berührt werden, ist sie in vergleichbarer Weise beschwert. Sie müßte in diesem Fall auf unbestimmte Zeit auf die Wahrnehmung ihrer Rechte verzichten, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen der Unterbrechung nicht vorliegen. Dies wäre mit der Justizgewährungspflicht des Staates nicht vereinbar.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist das Zwischenurteil rechtsmittelfähig. Sofern Zwischenurteile anfechtbar sind, werden sie wie Endurteile behandelt (§ 280 Abs. 2, § 304 Abs. 2 ZPO). In entsprechender Anwendung ist deshalb auch hier das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Selbst wenn man annähme, daß es sich inhaltlich um eine Aussetzung des Verfahrens handelt (so z.B. Wieczorek, ZPO 2. Aufl. Anm. F II), könnte die Klägerin entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darauf verwiesen werden, daß hiergegen nur das - allerdings verfristete - Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben sei. Nachdem das Landgericht für seine Entscheidung die Form des Urteils gewählt hat, kann die Klägerin nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz hiergegen auch mit dem Rechtsmittel der Berufung vorgehen, das der erkennbar gewordenen und gewollten Entscheidungsart entspricht (Zöller/Gummer/Heßler, aaO vor § 511 Rn. 30).

4. Der Beschluß des IV. Senats vom (IV ZA 5/91, BGHR § 303 ZPO Anfechtbarkeit 1) steht dieser Entscheidung schon deshalb nicht entgegen, weil dort kein Fall des § 240 ZPO, § 17 AnfG zu beurteilen war, sondern ein Fall des Verlustes der Prozeßfähigkeit nach § 241 Abs. 1, § 52 ZPO. Dieser liegt auch insoweit anders, als dort ohne weiteres ein Prozeßpfleger hätte bestellt und der Unterbrechungsgrund (kurzfristig) hätte beseitigt werden können. In gleicher Weise wirksame Einflußmöglichkeiten auf die Dauer der Unterbrechung, etwa durch Einwirkung auf die Fortführung des Insolvenzverfahrens, haben die Parteien in den Fällen der § 17 AnfG, § 240 ZPO nicht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
TAAAB-99731

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein