BGH Beschluss v. - IX ZB 175/03

Leitsatz

[1] a) Hat das Gericht im Entscheidungsstaat seine Zuständigkeit auf eine Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien gestützt, sich jedoch nicht damit befaßt, ob eine solche Vereinbarung nach dem Recht des Anerkennungsstaates zulässig ist, wird die Zuständigkeit des Gerichts im Entscheidungsstaat in diesem Punkt im Anerkennungsverfahren überprüft (Ergänzung zu BGH WM 2001, 2121).

b) Die Zulässigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach deutschem Recht ist an § 38 ZPO zu messen.

Gesetze: Deutsch-israel.Vollstr. Vertrag Art. 7 Abs. 1 Nr. 3; Deutsch-israel.Vollstr. Vertrag Art. 8 Abs. 2; ZPO § 38

Instanzenzug: LG Hamburg

Gründe

I.

Der in Israel als Rechtsanwalt zugelassene Antragsteller vertrat die Antragsgegnerin in einem gegen sie in Deutschland geführten Strafverfahren. Am verpflichtete sich die Antragsgegnerin schriftlich, dem Antragsteller dafür ein Honorar von 500.000 DM zu zahlen. Die Parteien bestimmten zunächst Itzehoe als Gerichtsstand. Später unterstellten sie durch schriftliche Vereinbarung vom alle Streitigkeiten aus der Honorarabrede der Geltung israelischen Rechts und wählten Haifa als Gerichtsstand. Beide Parteien sind israelische Staatsangehörige und hatten damals einen Wohnsitz in Deutschland.

Der Antragsteller hat Klage beim Friedensgericht Haifa erhoben. Dieses hat mit Beschluß vom den Antrag der Antragsgegnerin, sich als "forum non conveniens" für unzuständig zu erklären, zurückgewiesen und mit Urteil vom festgestellt, daß die Antragsgegnerin verpflichtet sei, dem Antragsteller die dem Betrag von 500.000 DM in Neuen Israelischen Shekeln (NIS) entsprechende Summe abzüglich bereits geleisteter 150.000 DM zu zahlen. Weiter hat es die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Teilbetrages von NIS 100.000 sowie der gegnerischen Anwaltskosten in Höhe von NIS 10.000 verurteilt.

Der Antragsteller hat beantragt, den Zahlungstitel für in Deutschland vollstreckbar zu erklären. Das Landgericht hat dem Antrag stattgegeben, das Oberlandesgericht den Antrag zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

II.

Das gemäß § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Das Friedensgericht in Haifa sei international nicht zuständig gewesen, was im Vollstreckbarkeitsverfahren gemäß Art. 16 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Nr. 1, Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: Vertrag) ohne Bindung an die abweichende Ansicht des Friedensgerichts in Haifa zu prüfen sei. Zwar seien die deutschen Gerichte grundsätzlich an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen gebunden, aufgrund deren das Gericht im Entscheidungsstaat seine Zuständigkeit angenommen habe. Die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen müsse jedoch zusätzlich vom Gericht des Anerkennungsstaates überprüft werden. Im Streitfall schließe § 38 ZPO eine Gerichtsstandsvereinbarung aus.

Diese Auffassung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Gemäß Art. 10 des Vertrages sind Entscheidungen der Gerichte des einen Staates in dem anderen Staat zur Zwangsvollstreckung zuzulassen, wenn sie im Entscheidungsstaat vollstreckbar und im Vollstreckungsstaat anzuerkennen sind. Bei der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung hat das angerufene Gericht zu prüfen, ob einer der in Art. 5 des Vertrages genannten Versagungsgründe vorliegt (Art. 16 Abs. 1 des Vertrages). Nach Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 des Vertrages ist die Anerkennung zu versagen, sofern für die Gerichte im Entscheidungsstaat keine Zuständigkeit im Sinne des Art. 7 des Vertrages gegeben ist.

a) Nach dieser Vorschrift wird die Zuständigkeit der Gerichte im Entscheidungsstaat in den von Absatz 1 Nr. 1 bis 11 beschriebenen Fällen anerkannt, soweit nicht der Anerkennungsstaat nach seinem Recht für die Klage, die zur Entscheidung geführt hat, ausschließlich zuständig ist (Art. 7 Abs. 2 des Vertrages). Im Streitfall kommt eine Zuständigkeit des israelischen Gerichts allein gemäß Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 des Vertrages in Betracht. Danach wird die Zuständigkeit der Gerichte des Urteilsstaats begründet, wenn der Beklagte sich durch eine Vereinbarung für ein bestimmtes Rechtsverhältnis der Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates unterworfen hat, es sei denn, daß eine solche Vereinbarung nach dem Recht des Vollstreckungsstaates unzulässig ist. Demzufolge hat das israelische Gericht in Haifa in der Entscheidung vom allein aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung seine internationale Zuständigkeit bejaht.

b) Die Überprüfung, ob das israelische Gericht sich zu Recht als zuständig angesehen hat, ist den deutschen Gerichten im Anerkennungsverfahren nicht durch Art. 8 Abs. 2 des Vertrages verwehrt.

aa) Allerdings schreibt die Bestimmung vor, daß die Gerichte im Anerkennungsstaat bei der Beurteilung der Zuständigkeit des Entscheidungsgerichts an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen gebunden sind, aufgrund deren dieses seine Zuständigkeit bejaht hat. Die Norm soll erreichen, daß bei der Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung aus dem anderen Vertragsstaat grundsätzlich nicht mehr geprüft wird, ob das Gericht im Entscheidungsstaat seine Zuständigkeit zu Recht oder Unrecht angenommen hat (Denkschrift zum Vertrag, BT-Drucks. 8/3866, S. 15 f zu Art. 8; vgl. auch , WM 2001, 2121, 2122).

bb) Schon nach dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 des Vertrages ist damit jedoch eine Überprüfung, ob nach deutschem Recht ein Gerichtsstand wirksam vereinbart werden konnte, nicht gänzlich ausgeschlossen. Die vorgesehene Bindung besteht hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen, die der Zuständigkeitsentscheidung zugrunde liegen. Damit ist indes nur gesagt, daß die tatsächliche und rechtliche Würdigung, die das Gericht im Entscheidungsstaat vorgenommen hat, keiner Überprüfung mehr unterzogen werden darf. Ungeachtet dieser Bindungswirkung obliegt dem Anerkennungsgericht aber die Prüfung, ob die vom Entscheidungsgericht in Anspruch genommne Zuständigkeit im Katalog des Art. 7 Abs. 1 des Staatsvertrages erwähnt ist und durch sie keine ausschließliche Zuständigkeit im Sinne von Art. 7 Abs. 2 des Vertrages beiseite geschoben wird (Siehr, RabelsZ 50 [1986], 586, 595). Im Falle des Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 des Vertrages bedeutet dies, daß die Anwendung dieser Norm im Anerkennungsstaat nicht mehr geprüft wird, wenn das Gericht des Urteilsstaates die Frage behandelt hat, ob die Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Recht des Vollstreckungsstaates unzulässig ist. Hat das Gericht des Entscheidungsstaates dagegen lediglich festgestellt, daß eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt, die nach seiner lex fori nicht zu beanstanden ist, ohne sich mit der Ausschlußklausel in dieser Vorschrift zu befassen, so fehlt es insoweit an einer Feststellung, die eine Bindungswirkung für das Gericht des Vollstreckungsstaates nach Art. 8 Abs. 2 des Vertrages auslöst.

cc) Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Normen des Vertrages, die die Prüfung der Zuständigkeit regeln. Damit sollen widerstreitende Zuständigkeitsentscheidungen vermieden und die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung erleichtert und beschleunigt werden. Die Vertragsstaaten unterstellen durch Art. 8 Abs. 2 des Vertrages im Anwendungsbereich von Art. 7 die Mitglieder ihrer Rechtsgemeinschaft weitgehend der Anwendung des Rechts des anderen Staates. Soweit das Gericht des Entscheidungsstaates für die Prüfung seiner Zuständigkeit die lex fori anzuwenden hat, ist im Zweifel davon auszugehen, daß es die einschlägigen Normen geprüft hat. Dies gilt sogar dann, wenn die Urteilsgründe die Frage der Zuständigkeit nicht behandeln ( aaO S. 2122).

Dies trifft jedoch nicht zu, soweit ausnahmsweise in Normen des Staatsvertrages ausdrücklich auf das Recht des Anerkennungsstaates verwiesen wird, wie das in Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 des Vertrages der Fall ist. Die genannten Normen enthalten Ausschlußregeln zum Schutz von Interessen der Beteiligten und hoheitlichen Befugnissen des Anerkennungsstaates. Auch insoweit ist es zwar nicht geboten, den Gerichten des Anerkennungsstaates eine umfassende eigene Prüfungskompetenz einzuräumen. Den genannten Schutzgesichtspunkten ist bereits dann genügt, wenn die Gerichte des Entscheidungsstaates das Recht des anderen Vertragsstaates berücksichtigt, also in ihre Prüfung der Zuständigkeit einbezogen haben. Da die Feststellung der maßgeblichen ausländischen Vorschriften für das Gericht des Urteilsstaates im Einzelfall mit beträchtlichem Aufwand und erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten verbunden sein kann, gilt die Bindung nach Art. 8 Abs. 2 des Vertrages in diesen Punkten jedoch nur dann, wenn aus der Begründung der Entscheidung, deren Vollstreckbarkeit begehrt wird, hinreichend deutlich hervorgeht, daß eine solche Prüfung des Rechts des Anerkennungsstaates überhaupt stattgefunden hat. Würde man, wie die Rechtsbeschwerde meint, dem Gericht des Anerkennungsstaates nicht einmal die Befugnis einräumen zu prüfen, ob das Gericht des Entscheidungsstaates Feststellungen zu den in Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 des Vertrages enthaltenen Ausschlußtatbeständen getroffen hat, wären die Regeln der Art. 5 Abs. 1 Nr. 1, Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 obsolet. An deren Stelle könnte praktisch der Satz treten, im Anerkennungsverfahren sei die Prüfung ausgeschlossen, ob für das Gericht des Entscheidungsstaates die Zuständigkeit gegeben war. Davon kann in Anbetracht der detaillierten Bestimmungen, die der Vertrag enthält, nicht ausgegangen werden. Auch die Erläuterungen der Denkschrift zu Art. 8 des Vertrages schließen eine Prüfung der Gerichte des Anerkennungsstaates in dem Umfang, wie sie der beschließende Senat für geboten hält, nicht aus.

c) Im Streitfall ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, daß das Friedensgericht in Haifa nicht geprüft hat, ob die von den Parteien geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung nach deutschem Recht zulässig ist. Entsprechende Erwägungen sind dem Beschluß vom ebensowenig zu entnehmen wie dem Urteil vom . Da das Gericht sich ausführlich mit den Rechtswirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung nach israelischem Recht befaßt, das deutsche Recht jedoch mit keinem Wort erwähnt, ist die Schlußfolgerung gerechtfertigt, daß es zu den einschlägigen deutschen Rechtsnormen keine Feststellungen getroffen hat.

2. Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht die Gerichtsstandsvereinbarung an § 38 ZPO gemessen und für unwirksam gehalten.

a) Der Umstand, daß Art. 17 EuGVÜ, Art. 17 LugÜ und Art. 23 EuGVVO im jeweiligen Anwendungsbereich internationale Gerichtsstandsvereinbarungen auch unter Nichtkaufleuten, die beide einen allgemeinen Gerichtsstand im derogierten Staat haben, zulassen, hat für die Auslegung des Vertrages keine Bedeutung. Es ist eine rechtspolitische Frage, ob und in welchem Umfang der durch § 38 Abs. 2 ZPO bereitgestellte Schutz inländischer Verbraucher im internationalen Rechtsverkehr beibehalten bleiben soll. Dies richtet sich allein nach dem in dem jeweiligen Vertrag zum Ausdruck gekommenen Willen der beteiligten Staaten. Diesen steht es frei, die Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen gegenüber dem jeweiligen Staat anders als in den oben genannten Übereinkommen zu regeln.

b) Die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen wird im israelisch-deutschen Verhältnis weder durch Staatsvertrag noch durch andere supranationale Regelungen abschließend normiert. Es gilt deshalb grundsätzlich die lex fori, im Vollstreckungsverfahren also das im Vollstreckungsstaat anzuwendende Recht. Dabei ist § 38 ZPO doppelfunktional, betrifft also sowohl die inländische örtliche als auch die internationale Zuständigkeit (BGHZ 59, 23, 29; , WM 1979, 445, 446).

c) Die Wirkung des § 38 ZPO ist durch die Wahl israelischen Rechts nicht beeinträchtigt worden. Dies folgt aus Art. 27 Abs. 3 EGBGB. Im Zeitpunkt der Rechtswahl wies der Sachverhalt die entscheidenden Bezüge zum deutschen Rechtskreis auf. Beide Parteien hatten ihren Wohnsitz, zumindest die Antragsgegnerin auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt, in Deutschland. Der Anwaltsvertrag und die Honorarvereinbarungen sind in Deutschland geschlossen worden, wo auch der jedenfalls weit überwiegende Teil der anwaltlichen Leistung zu erbringen war. Die israelische Staatsangehörigkeit der Parteien besitzt demgegenüber kein entscheidendes Gewicht und führt deshalb nicht zu einer anderen Beurteilung (vgl. Staudinger/Magnus, BGB 13. Aufl. Art. 27 EGBGB Rn. 124). Die zwingende Bestimmung des § 38 ZPO (BGHZ 101, 271, 275; , NJW 1983, 1320, 1322) konnte aus diesem Grunde durch die Wahl israelischen Rechts nicht abbedungen werden.

d) Unter Nichtkaufleuten kann eine Gerichtsstandsvereinbarung nur dann wirksam werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Dies war hier weder im Zeitpunkt der Vereinbarung noch bei Klageerhebung der Fall, wie sich aus dem Urteil des Friedensgerichts Haifa vom ergibt. Daher kann dahingestellt bleiben, ob auf den Zeitpunkt der Vereinbarung (Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. § 38 Rn. 24) - wie das Berufungsgericht angenommen hat - oder denjenigen der Klageerhebung (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 63. Aufl. § 38 Rn. 21; Zöller/Vollkommer, ZPO 25. Aufl. § 38 Rn. 5) abzustellen ist. Zu Recht hat das Beschwerdegericht es für unbeachtlich gehalten, daß der Antragsteller einen weiteren Wohnsitz in Israel unterhalten hat (vgl. , WM 1986, 400, 401).

III.

Die Berechnung des Gegenstandswerts richtet sich nach dem Umrechnungskurs im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels (§ 4 Abs. 1 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
HAAAB-99693

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein