Leitsatz
[1] Der Beschluß der ersten Gläubigerversammlung zur Wahl eines anderen Insolvenzverwalters kann auch dann nicht im Verfahren nach § 78 Abs. 1 InsO angefochten werden, wenn der Insolvenzverwalter zuvor die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat (Ergänzung zu BGH ZIP 2003, 1613).
Gesetze: InsO § 57; InsO § 78 Abs. 1
Instanzenzug: LG Bielefeld vom AG Bielefeld
Gründe
I.
Der weitere Beteiligte zu 3 (fortan: Rechtsbeschwerdeführer) war Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin. In der ersten Gläubigerversammlung zeigte er Masseunzulänglichkeit an. Nach Feststellung des Stimmrechts der stimmberechtigten Gläubiger wählte die Gläubigerversammlung den weiteren Beteiligten zu 2 zum neuen Insolvenzverwalter. Der Rechtsbeschwerdeführer und einer der Gläubiger beantragten die Aufhebung der Wahlentscheidung. Der Rechtspfleger hat diesen Antrag zurückgewiesen und den weiteren Beteiligten zu 2 zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Rechtsbeschwerdeführers als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der frühere Insolvenzverwalter mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 7 InsO).
Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde setzt gemäß § 7 InsO voraus, daß bereits das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gemäß § 6 Abs. 1 InsO eröffnet war (BGHZ 144, 78, 82; , WM 2003, 2390, 2391; v. - IX ZB 133/03, WM 2004, 992, 993). Das ist hier nicht der Fall. Gegen eine Wahlentscheidung in der ersten Gläubigerversammlung steht dem abgewählten Insolvenzverwalter ebensowenig die sofortige Beschwerde offen wie gegen die Bestellung des neu gewählten Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht.
1. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß der Beschluß der ersten Gläubigerversammlung zur Wahl eines anderen Insolvenzverwalters (§ 57 Sätze 1 und 2 InsO) nicht im Verfahren nach § 78 Abs. 1 InsO angefochten werden kann (, ZIP 2003, 1613). Hierfür ist ausschlaggebend, daß § 57 Sätze 3 und 4 InsO insoweit eine abschließende Sonderregelung enthält, welche die Anwendung des § 78 Abs. 1 InsO ausschließt (BGH aaO mit Nachweisen aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte). Dies gilt auch, wenn - wie hier - der abgewählte Insolvenzverwalter und nicht ein Gläubiger die Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung begehrt.
2. Wird der zunächst bestellte Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch die erste Gläubigerversammlung abgewählt, so steht ihm auch in diesem Sonderfall hiergegen kein Beschwerderecht zu.
a) Die Massearmut des Insolvenzverfahrens ändert die Ausgestaltung des Beschwerderechts des ersten Insolvenzverwalters in §§ 57, 59 Abs. 2, § 78 Abs. 1 InsO nicht.
Die Regelung des § 57 InsO ist Ausfluß der Gläubigerautonomie. Den Gläubigern wird das Recht eingeräumt, mehrheitlich einen ihnen genehmen Insolvenzverwalter zu wählen, der - sofern kein Versagungsgrund im Sinne von § 57 Satz 3 InsO vorliegt - von dem Insolvenzgericht zwingend zu bestellen ist (vgl. MünchKomm-InsO/Graeber, § 57 Rn. 1, 24 ff). Dem Vorrang der Gläubigerautonomie trägt die Ausgestaltung des Beschwerderechts in § 57 Satz 4 InsO Rechnung, indem die Beschwerde nur gegen die Versagung der Bestellung eröffnet und das Beschwerderecht auf den Kreis der Insolvenzgläubiger beschränkt wird. Dem Insolvenzverwalter steht ein Beschwerderecht dagegen nur in dem - hier nicht gegebenen - Fall zu, daß er durch eine Aufsichtsmaßnahme des Insolvenzgerichts gemäß § 59 Abs. 1 InsO aus wichtigem Grund aus dem Amt entlassen oder sein Antrag auf Entlassung abgelehnt worden ist, § 59 Abs. 2 InsO.
b) Allerdings bestimmt § 209 InsO als Folge der Masseunzulänglichkeit eine geänderte Rangfolge für die Befriedigung der Massegläubiger, weil nunmehr auch diese nicht mehr mit einer vollen Befriedigung ihrer Forderungen rechnen können. Da den Insolvenzgläubigern in diesem Verfahrensstadium keine Quote mehr in Aussicht gestellt wird, dient das Verfahren vorrangig den Interessen der Altmassegläubiger im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO (vgl. MünchKomm-InsO/Hefermehl, § 208 Rn. 46; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 208 Rn. 20). Im Schrifttum wird deshalb zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Insolvenzgläubiger nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit im weiteren Verfahren der Verwaltung und Verwertung der Masse nicht mehr zu beteiligen sind (vgl. HK-InsO/Landfermann, 3. Aufl. § 208 Rn. 11, 13; Uhlenbruck, aaO § 208 Rn. 20; Mäusezahl ZVI 2003, 617, 618 ff; Pape/Hauser, Massearme Verfahren nach der Insolvenzordnung (2002) Rn. 315 ff). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob sich dem Gesetz wirklich eine solche Beschränkung der Beteiligtenrechte der Insolvenzgläubiger entnehmen läßt. Selbst damit könnte jedoch ein Beschwerderecht des abgewählten Insolvenzverwalters nicht begründet werden.
aa) Stimmrechte sind nach § 77 InsO festzustellen. Hat sich die Entscheidung des Rechtspflegers auf das Ergebnis einer Abstimmung ausgewirkt, kann der Richter das Stimmrecht neu festsetzen und die Wiederholung der Abstimmung anordnen (§ 18 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 RpflG). Einen Antrag hierzu kann unter anderem der Insolvenzverwalter - bis zum Schluß der Gläubigerversammlung (vgl. OLG Celle ZIP 2001, 658, 659) - stellen. Gegen die Entscheidung des Richters ist jedoch mangels gesetzlicher Grundlage (vgl. § 6 Abs. 1 InsO) keine sofortige Beschwerde gegeben (vgl. MünchKomm-InsO/Ehricke, § 77 Rn. 26).
bb) Im Blick auf diese Abhilfemöglichkeit, von welcher der Rechtsbeschwerdeführer im Streitfall in der Gläubigerversammlung vom keinen Gebrauch gemacht hat, besteht auch keine verfassungsrechtlich gebotene Notwendigkeit für eine korrigierende Auslegung von § 57 Sätze 3 und 4 InsO sowie § 6 Abs. 1 InsO dahin, daß die Wahlentscheidung und die sich anschließende Bestellung für den abgewählten Insolvenzverwalter anfechtbar sein muß, wenn ihr eine fehlerhafte Stimmrechtsentscheidung vorausgegangen ist. Die aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende Garantie effektiven Rechtsschutzes erfordert keine Überprüfungsmöglichkeit in einem Instanzenzug; es ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereit gestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie anzurufen sind (BVerfG NJW 2003, 1924). Mit der Möglichkeit, eine Entscheidung des Insolvenzgerichts nach § 77 Abs. 2 InsO herbeizuführen und diese Entscheidung nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RpflG nachprüfen zu lassen, sind die von der Verfassung geschützten Rechte der Beteiligten gewahrt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
TAAAB-99611
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein