Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ARB 75 § 15 (1) a; ARB 75 § 15 (2); ARB 75 § 14 (1); ARB 75 § 16 (3); BGB § 823 Abs. 2; StGB § 266; StGB § 246
Instanzenzug: LG Deggendorf vom
Tatbestand
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Privat-Rechtsschutzversicherung. Dem Versicherungsverhältnis lagen zunächst die ARB 75 und später die ARB 95 zugrunde, wobei sich die Allgemeinen Versicherungsbedingungen in dem hier entscheidenden Teil entsprechen (im folgenden: ARB 75).
Der Kläger verlangt Deckungsschutz für die Verfolgung deliktischer Ansprüche gegen seine Ehefrau. Diese begründet er damit, er habe ihr in einem Zeitraum von 10 Jahren zu Anlagezwecken einen Betrag von etwa 350.000 DM ausgehändigt. Seine Ehefrau habe das Geld unterschlagen und ihn durch Vorlage gefälschter Kontoauszüge darüber getäuscht. Er habe die Sache erst im März 2000 aufgedeckt, als er auf den vermeintlich angelegten Betrag zum Erwerb eines Hauses habe zurückgreifen wollen. Mit anwaltlicher Hilfe erreichte der Kläger, daß seine Ehefrau am ein notarielles Schuldanerkenntnis über 350.000 DM abgab und nachfolgend zu dessen Absicherung eine Grundschuld in gleicher Höhe bestellte. Durch die Rechtsverfolgung sind dem Kläger Anwaltskosten von 3.203,03 € entstanden, von denen ihn die Beklagte nach seiner Auffassung freistellen muß. Die Beklagte beruft sich unter anderem deshalb auf Leistungsfreiheit, weil der Kläger gegen seine Obliegenheiten aus § 15 (1) a und § 16 (3) ARB 75 verstoßen habe.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet er sich mit der Revision.
Gründe
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat einen objektiven Verstoß des Klägers gegen die §§ 15 (1) a, 16 (3) ARB 75 bejaht, weil er die Beklagte erst am von der Beauftragung eines Rechtsanwalts unterrichtet habe. Weder zu diesem Zeitpunkt noch danach habe er sie über sämtliche Umstände des Versicherungsfalles in Kenntnis gesetzt, sondern sich auf die unsubstantiierte Darstellung beschränkt, es seien 350.000 DM an die Ehefrau geflossen. Die Obliegenheitsverletzungen seien jedenfalls grob fahrlässig erfolgt. Der Kläger habe seinem Rechtsanwalt nicht vor Mai 2001 mitgeteilt, daß er rechtsschutzversichert sei; es sei zudem nicht nachzuvollziehen, daß er sich nicht wenigstens annähernd an Einzelheiten erinnern könne, wie es zur Überlassung eines Betrages in der genannten Größenordnung an die Ehefrau gekommen sei. Den Nachweis, daß die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung des Umfangs der vom Versicherer zu erbringenden Leistungen Einfluß gehabt habe, habe der Kläger nicht geführt. Die Beklagte habe vergeblich nähere Informationen angefordert; aufgrund der unzureichenden Angaben des Klägers sei ihr die Beurteilung ihrer Eintrittspflicht nicht möglich. Ihr sei es auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Obliegenheitsverletzung zu berufen. Sie habe schon vorgerichtlich geltend gemacht, daß der Kläger seiner Obliegenheit aus § 15 (1) a ARB 75 nicht nachgekommen sei; vor dem Amtsgericht habe sie dann zusätzlich die Obliegenheitsverletzung nach § 16 (3) ARB 75 angeführt.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Für das vorliegende Berufungsverfahren ist die Zivilprozeßordnung in ihrer ab dem geltenden Fassung maßgeblich, weil die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht am geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Danach reicht für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Berufungsurteil die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das macht eine Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil indes nicht entbehrlich (BGHZ 154, 99, 100 f.; - WM 2003, 2424 unter II 1 a; vom - VIII ZR 122/03 - BGH-Report 2004, 474 unter II; vom - IV ZR 58/03 - VersR 2004, 497 unter 2; vom - IV ZR 91/03), an deren Wiedergabe es vorliegend fehlt. Das Berufungsurteil muß die Anträge nicht unbedingt wörtlich enthalten, aber erkennen lassen, welches Ziel der Kläger mit der Berufung verfolgt. Das kann hier allein dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnommen werden. Es wird nur sinngemäß deutlich, daß der Kläger seinen - vom Amtsgericht abgewiesenen - Klageantrag weiterverfolgt und eine Freistellung von den ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.203,03 € verlangt. Sein Begehren, mit der Berufung eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu erreichen, ist damit den Formulierungen des Berufungsurteils gerade noch zu entnehmen (vgl. Senatsurteil vom aaO).
2. Die Rechtsfragen, die dem Berufungsgericht Anlaß zur Zulassung der Revision gegeben haben, erweisen sich als nicht entscheidungserheblich. Das folgt bereits aus dem Berufungsurteil selbst. Das Berufungsgericht hat Leistungsfreiheit der Beklagten angenommen und diese mit einer Obliegenheitsverletzung des Klägers nach § 15 (1) a, (2) ARB 75 begründet, die neben die ebenfalls bejahte Obliegenheitsverletzung nach §§ 16 (3), 15 (2) ARB 75 tritt. Auf diese Obliegenheitsverletzung hat sich die Beklagte bereits in ihrem Versicherungsleistungen ablehnenden Schreiben vom - und im folgenden wiederholt - berufen; anders als die Obliegenheitsverletzung nach §§ 16 (3), 15 (2) ARB 75 ist sie nicht erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht geltend gemacht worden. Auf die "zeitlichen Grenzen der Rüge von Obliegenheitsverletzungen durch den Versicherer" kann es daher aus eigener Sicht des Berufungsgerichts nicht ankommen. Da es weiter davon ausgeht, daß der Kläger die Beklagte nicht unverzüglich vollständig im Sinne des § 15 (1) a ARB 75 unterrichtet hat, kann ebenso dahinstehen, in "welchem zeitlichen Rahmen" Mitteilungspflichten des Versicherungsnehmers nach § 16 (3) ARB 75 bestehen. Es bedarf insbesondere keiner rechtlichen Klärung, ob der Kläger mit der Anzeige des behaupteten Versicherungsfalles bis zum zuwarten durfte, nachdem er seine Interessen bereits aus eigener Veranlassung wahrgenommen hatte und die Angelegenheit, für die er Versicherungsschutz begehrt, mit anwaltlicher Hilfe seit mehreren Monaten abgeschlossen war.
3. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß die Beklagte dem Kläger deshalb keinen Rechtsschutz zu gewähren hat, weil sie nach § 15 (2) i.V. mit § 15 (1) a ARB 75 von der Verpflichtung zur Leistung freigeworden ist. Der Kläger ist seiner Obliegenheit nicht hinreichend nachgekommen, die Beklagte unverzüglich und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Versicherungsfalles zu unterrichten, Beweismittel und Unterlagen anzugeben sowie auf Verlangen zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte war daher berechtigt, mit Schreiben vom Leistungen abzulehnen.
a) Das von der Beklagten gegebene Leistungsversprechen umfaßt nach § 26 (2) i.V. mit § 14 (1) ARB 75 die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen. Als Versicherungsfall gilt der Eintritt des dem Anspruch zugrunde liegenden Schadensereignisses, welches geeignet ist, diesen rechtlich zu begründen (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 139/01 - VersR 2003, 638 unter 1 a). Begehrt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, hat er den Versicherer über die Umstände des Schadensereignisses umfassend zu informieren. Er hat ihm alle Tatsachen, die zu dem Schadensersatzanspruch führen, nach Maßgabe des § 15 (1) a ARB 75 vorzutragen. Nur auf dieser Grundlage ist der Versicherer zur Prüfung in der Lage, ob ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall vorliegt und in welchem Umfang dieser seine Leistungspflicht auslöst.
b) Der Kläger hat der Beklagten diese Prüfung nicht ermöglicht. Er beruft sich darauf, seine Ehefrau habe in einem Zeitraum von etwa 10 Jahren einen Betrag von insgesamt 350.000 DM veruntreut. Er habe ihr das Geld überlassen, damit sie es gewinnbringend anlege. Seine Ehefrau habe das Geld nicht dem vorgesehenen Zweck zugeführt; es sei spurlos verschwunden. Das allein vermag die Beklagte über den behaupteten Schadensersatzanspruch aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen - § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit Untreue oder veruntreuender Unterschlagung (§§ 266, 246 StGB) - nicht ausreichend zu unterrichten. Sie hat schon mit Schreiben vom zu Recht darauf verwiesen, daß sich der vom Kläger geschilderte Sachverhalt nicht mit der zwischen ihm und seiner Ehefrau am getroffenen Vereinbarung in Einklang bringen läßt. Dort hat sich die Ehefrau verpflichtet, an den Kläger "zum Ausgleich der von diesem erbrachten finanziellen und persönlichen Leistungen" eine Zahlung von 350.000 DM zu leisten. Bei dieser Sachlage hätte es dem Kläger oblegen, den aufgezeigten Widerspruch aufzulösen und zu diesem Zweck die Beklagte über alle Einzelheiten des behaupteten Versicherungsfalles in Kenntnis zu setzen, etwa darüber, wie viele Einzelzahlungen er an seine Ehefrau geleistet hat und in welcher Höhe sich diese - jedenfalls im ungefähren - bewegt haben, ob und welche genauen Vorgaben er seiner Ehefrau für die Geldanlage gemacht hat und weshalb er sich bis zum nicht um den Verbleib der seiner Ehefrau ausgehändigten Geldmittel gekümmert haben will. Über Einzelheiten der nach seiner Behauptung gefälschten Kontoauszüge - insbesondere des dem Kläger von seiner Ehefrau zur Kenntnis gebrachten Kontoauszuges über das Festgeldkonto mit einem angeblichen Guthabensaldo von 575.000 DM - ist die Beklagte ebenfalls nicht unterrichtet worden. Schließlich hat der Kläger der Beklagten trotz mehrfacher Aufforderung keine Auskunft darüber gegeben, von welchen Konten die der Ehefrau überlassenen Geldbeträge ursprünglich stammten. In diesem Zusammenhang geht es, anders als der Kläger dies meint, nicht um die Offenlegung, welche Herkunft die Geldmittel letztlich hatten, sondern um den Nachweis, in dem genannten Zeitraum tatsächlich über einen Betrag in Höhe von 350.000 DM verfügt zu haben. Das Schreiben des anwaltlichen Bevollmächtigten des Klägers vom konnte zur Sachverhaltsaufklärung nichts beitragen. Daß die in der Vereinbarung vom gewählte Formulierung "erbrachte finanzielle und persönliche Leistungen" den von der Ehefrau angeblich verwirklichten Straftatbestand nach außen nicht in Erscheinung treten lassen sollte, genügt hierfür nicht. Denn dies erklärt noch nicht, weshalb neben "finanziellen Leistungen" auch "persönliche Leistungen" Erwähnung finden.
c) Den erforderlichen Nachweis, daß die Verletzung der Obliegenheit weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht, hat der Kläger nicht erbracht (§ 15 (2) Satz 1 ARB 75; vgl. - NVersZ 1998, 31 und ständig). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei grobe Fahrlässigkeit zugrunde gelegt. Der danach erforderliche Kausalitätsgegenbeweis (§ 15 (2) Satz 2 ARB 75; vgl. - VersR 1993, 960 unter I 3, in BGHZ 122, 388 nicht abgedruckt und ständig), ist vom Kläger ebenfalls nicht geführt worden. Die dagegen erhobenen Revisionsangriffe greifen nicht durch.
Fundstelle(n):
FAAAB-99471
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein