Leitsatz
[1] Eine Bestimmung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen, nach der Versicherer zu Beginn des Versicherungsjahres einen prozentualen Nachlaß auf den Jahresbeitrag gewährt, welcher wieder entfallen soll, wenn der Versicherer während des Versicherungsjahres einen Schaden bezahlt oder der Versicherungsnehmer den Vertrag nicht um ein weiteres Jahr bei bestimmten Versicherungsunternehmen verlängert, unterliegt als Rabattklausel, welche die Prämienhöhe unmittelbar bestimmt, nicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 Abs. 1 und 2, 308, 309 BGB (§§ 9 bis 11 AGBG).
Gesetze: AVB Luft-Kasko-Versicherung; BGB § 307 Abs. 3 Satz 1 Bk; BGB § 307 Abs. 3 Satz 1 Cb
Instanzenzug: AG Warendorf
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Klausel in Luftfahrt-Kasko-Versicherungsverträgen.
Der Beklagte, ein eingetragener Segelflugverein, unterhielt bei der Klägerin vier Luftfahrt-Kasko-Versicherungsverträge für Segelflugzeuge. Drei Verträge hat der Beklagte durch ordentliche Kündigung zum und einen weiteren zum beendet. Die Versicherungsscheine enthalten unter der Überschrift "Schadenfreiheitsrabatt" jeweils die folgende Klausel:
"Auf den Jahresbeitrag ohne Versicherungssteuer wird zu Beginn eines jeden Versicherungsjahres ein Schadenfreiheitsrabatt von 15% gewährt. Der sich ergebende Gesamtbetrag der Police ist in voller Höhe zu entrichten, wenn der Versicherer während des Versicherungsjahres einen Schaden bezahlt hat,
oder
der Vertrag nicht um ein weiteres Jahr bei einem vom deutschen Luftpool rückversicherten Unternehmen verlängert wird."
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Nachzahlung der Rabattbeträge für drei Verträge nach Kündigung durch den Beklagten. Mit der hilfsweise erhobenen Widerklage begehrt dieser die Feststellung, daß die Klägerin auch für einen weiteren Vertrag nicht berechtigt ist, den Rabatt nachzuerheben.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt dieser weiterhin Klageabweisung und die Verurteilung der Klägerin entsprechend seiner Widerklage.
Gründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Die Regelung, wonach der Nettorabatt von 15% für das jeweilige Versicherungsjahr nachzuentrichten sei, wenn der Vertrag nicht um ein weiteres Jahr bei einem vom Deutschen Luftpool rückversicherten Unternehmen verlängert wird, sei nicht als Entgelt für Aufwendungen zu verstehen, die der Klägerin durch die Kündigung des Vertrages entstehen. Es werde vielmehr der für die vertragliche Hauptleistungspflicht zu zahlende Preis unmittelbar geregelt. Ein Verstoß gegen §§ 309 Nr. 6, 308 Nr. 7 BGB liege nicht vor; der Versicherungsnehmer werde durch die Rabattregelung auch nicht unangemessen benachteiligt.
II. Das hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Die Auslegung der Klausel ergibt, dass mit ihr ein Beitragsrabatt und kein Kündigungsentgelt vereinbart worden ist.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senat sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 89 und ständig).
b) Der verständige Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut der Klausel aus. Hier wird er schon durch die Überschrift "Schadenfreiheitsrabatt" darauf hingewiesen, dass es sich im folgenden um die Gewährung eines Preisnachlasses und nicht um ein Entgelt, eine Ersatzleistung an den Versicherer handeln soll. Die nähere Betrachtung der Regelung bestätigt das: Mit ihr wird ein zu Beginn des Versicherungsjahres zu gewährender prozentualer "Rabatt" auf den Jahresbeitrag vereinbart, der allerdings wieder entfallen soll, wenn der Versicherer während des Versicherungsjahres einen Schaden bezahlt hat oder wenn der Vertrag nicht um ein weiteres Jahr bei bestimmten Unternehmen verlängert wird. Dass nur für den erstgenannten Fall ein unmittelbarer Bezug zum Begriff "Schadenfreiheitsrabatt" besteht, verstellt dem Versicherungsnehmer nicht den Blick darauf, dass es auch im zweiten Teil der Sache nach um einen Beitragsnachlass geht. Die Art der Berechnung des zu entrichtenden Jahresbeitrags, bei der der anfallende Gesamtbeitrag durch den mit der Klausel beschriebenen Rabatt von 15% und einen weiteren Nachlass bestimmt wird, macht das zusätzlich deutlich. Aus Sicht des verständigen Versicherungsnehmers führt die Regelung mithin zu einer Verminderung seiner Beitragslast, die ihm aber nicht erst gewährt wird, wenn die näher bestimmten Voraussetzungen des Beitragsnachlasses vorliegen - also als Beitragsrückerstattung -, die vielmehr bereits zu Beginn des Jahres durch Entrichtung eines verminderten Jahresbeitrages unter der Bedingung erfolgt, dass die Voraussetzungen der Rabattgewährung am Ende des Versicherungsjahres erfüllt sind. Statt Vorauszahlung des vollen Jahresbeitrages mit der Möglichkeit der Beitragsrückerstattung bestimmt die Klausel also einen Vorwegabzug des Rabatts mit der Möglichkeit der Beitragsnachforderung durch den Versicherer. Am Charakter der Regelung als Beitragsnachlass und nicht als zusätzliches Kündigungsentgelt ändert das nichts. Auch der dem Versicherungsnehmer erkennbare Zweck der Klausel bestätigt dieses Ergebnis. Der Beitragsrabatt knüpft an die Fortführung des Vertrages bei bestimmten vom deutschen Luftpool rückversicherten Unternehmen an. Der verminderten Beitragshöhe steht mithin die längere Laufzeit des Vertrages bei solchen Unternehmen gegenüber, die damit abgegolten oder "belohnt" werden soll.
2. Als Rabattklausel regelt die Bestimmung unmittelbar die Prämienhöhe und ist deshalb nach §§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, 8 AGBG einer Inhaltskontrolle anhand der §§ 307 Abs. 1, 2, 308, 309 BGB, 9 bis 11 AGBG entzogen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bleiben bloße Leistungsbeschreibungen ebenso wie Vereinbarungen über das von dem anderen Teil zu erbringende Entgelt nach §§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, 8 AGBG kontrollfrei (BGHZ 147, 354, 360). Dies soll in erster Linie bewirken, dass Abreden der Parteien über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungen, insbesondere über die Höhe des von einer Seite zu zahlenden Preises, der gerichtlichen Nachprüfung entzogen werden; ihre Festlegung ist grundsätzlich Sache der Vertragsparteien, denn es gibt vielfach keine gesetzliche Preisregelung, die bei Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung gemäß §§ 306 Abs. 2 BGB, 6 Abs. 2 AGBG an deren Stelle treten könnte (BGHZ 146, 331, 338). Kontrollfähig sind allerdings vorformulierte Vereinbarungen, die mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben ( - ZIP 2005, 492 unter II 2 a aa (1)). Solche Nebenabreden regeln nicht das Ob und den Umfang von Entgelten, sondern haben die Art und Weise der Erbringung und etwaige Modifikationen als ergänzende Regelung "neben" einer bereits existierenden Preishauptabrede zum Inhalt (BGHZ aaO).
b) Der Jahresbeitrag wird hier im Versicherungsschein näher festgelegt. Er errechnet sich zunächst aus zwei Beitragsposten für das zu versichernde Risiko, aus denen sich zugleich der unverminderte Jahresbeitrag ergibt. Letzterer wird vermindert durch zwei abzuziehende Nachlassposten, darunter der nach der streitbefangenen Klausel zu gewährende Rabatt von 15%. Welcher Beitrag für das Versicherungsjahr zu entrichten ist, hängt damit zwar davon ab, ob die Voraussetzungen für den Rabatt am Ende des Jahres gegeben sind oder nicht, gleichwohl ist die Prämie für den einen wie für den anderen Fall bereits festgelegt. Die Rabattregelung stellt damit der Sache nach einen Teil der Bemessung des Versicherungsbeitrags dar (vgl. zur Beitragsrückerstattung in der Krankenversicherung BGHZ 119, 55, 58). Sie legt die Höhe des vom Versicherungsnehmer für den versprochenen Versicherungsschutz zu entrichtenden "Preises" unmittelbar fest und ist damit der Inhaltskontrolle - soweit nicht das Transparenzgebot betroffen ist, § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB - entzogen (vgl. OLG Koblenz DB 1988, 1692; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 4. Aufl. § 8 Rdn. 15; Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 9. Aufl. § 8 Rdn. 19; Roloff in Erman, BGB 11. Aufl. § 307 Rdn. 46).
c) Die Entscheidung BGHZ 124, 351, 364 ff. steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Dort handelte es sich bei den in Frage stehenden Zulassungsboni um freiwillige, zum Hauptleistungsversprechen hinzutretende finanzielle Leistungen des AGB-Verwenders, denen keine Pflicht seines Vertragspartners gegenüberstand. Hier hingegen ist der Rabatt als echter Anspruch ausgestaltet, dem als Teil der Prämie die Deckungszusage des Versicherers entspricht.
3. Die streitbefangene Rabattklausel hält schließlich auch einer Prüfung am Transparenzgebot (§ 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB, § 9 AGBG) stand. Dem Versicherungsnehmer werden die Voraussetzungen des Beitragsnachlasses hinreichend klar und durchschaubar dargestellt. Daß die Klausel mit der Überschrift "Schadenfreiheitsrabatt" versehen ist und nur im erstgenannten Fall auf einen schadensfreien Verlauf des Vertrages abstellt, macht sie nicht schon deshalb intransparent oder etwa zu einer überraschenden Klausel im Sinne der §§ 305c BGB, 3 AGBG.
Fundstelle(n):
NJW-RR 2005 S. 1479 Nr. 21
PAAAB-99459
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein