BGH Urteil v. - IV ZR 286/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: VBLS § 39 n.F.; VBLS § 41 Abs. 2 b; VBLS § 41 Abs. 2 c; VBLS § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa; VBLS § 43a; VBLS § 75 Abs. 1 n.F.; VBLS § 75 Abs. 2 n.F.; AGBG § 9; BGB § 307

Instanzenzug:

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine höhere Zusatzversorgungsrente.

Die am geborene Klägerin war vom bis zum (331 Monate) beim Deutschen W. als Teilzeitangestellte sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Vor dieser Zeit hatte die Klägerin 121 Monate außerhalb des öffentlichen Dienstes ebenfalls sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Seit bezieht sie von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Sozialversicherungsrente und von der Beklagten Zusatzversorgungsrente.

Mit ihrer am beim Amtsgericht eingereichten, auf Gewährung einer höheren Zusatzversorgungsrente gerichteten Klage rügte die Klägerin die Unwirksamkeit mehrerer Bestimmungen der damals maßgeblichen Satzung der Beklagten (im folgenden: VBLS a.F.). Unter anderem machte sie geltend, daß die Regelung über die Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts auf der Grundlage eines auf eine Vollzeitbeschäftigung hochgerechneten gesamtversorgungsfähigen Entgelts infolge der Steuerprogression bei Teilzeitbeschäftigten zu einer übermäßigen Belastung führe und sie deshalb Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten gleichheitssatzwidrig und unangemessen benachteiligte. Ferner beanstandete die Klägerin, daß ihre Sozialversicherungsrente, die durch einen Zuschlag von 2,3579 Entgeltpunkten unter dem Gesichtspunkt der Anhebung der Rente nach Mindesteinkommen erhöht worden ist (vgl. Art. 1 § 262 und Art. 82 des Rentenreformgesetzes 1992 vom , BGBl. I S. 2261), von der Beklagten in vollem Umfang bei der Berechnung der Höhe ihrer Zusatzversorgung angerechnet wird. Vielmehr dürften nur diejenigen Teile der gesetzlichen Rente abgezogen werden, die auf Arbeitsleistungen beruhten, nicht aber diejenigen Rententeile, die die öffentliche Hand aus sozialen Gründen einer bestimmten Gruppe von Rentnern, nämlich den Kleinstrentnern, gewähre.

Durch Urteil vom wies das Amtsgericht die Klage ab. Die Berufung der Klägerin wurde durch zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Durch Beschluß vom (1 BvR 1246/95 - VersR 1999, 1518 ff. = Streit 2000, 14 ff.) hob das Bundesverfassungsgericht die vorgenannten Urteile wegen Verletzung der Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG auf, soweit sie auf einer Anwendung des früheren § 43a i.V. mit § 41 Abs. 2 b und 2 c der Satzung der Beklagten über die Berechnung der Versorgungsrente von Teilzeitbeschäftigten beruhten. Soweit sich die Klägerin darüber hinaus durch die Urteile des Amts- und des Landgerichts in ihren Grundrechten verletzt sah, wurde die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen mit der Begründung, daß sie insoweit weder Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung aufwerfe, noch Aussicht auf Erfolg habe.

Nachdem die Sache vom Bundesverfassungsgericht an das Amtsgericht und von dort an das Landgericht verwiesen worden und zwischenzeitlich in anderer Sache der - VersR 2000, 835 ff.) ergangen war, machte die Klägerin zusätzlich geltend, ab einen Anspruch auf volle Berücksichtigung ihrer außerhalb des öffentlichen Dienstes zurückgelegten Rentenversicherungszeiten (Vordienstzeiten) bei der Berechnung der Zusatzversorgungsrente zu haben. Das Bundesverfassungsgericht habe in der von der Beklagten vorgenommenen lediglich hälftigen Berücksichtigung der Vordienstzeiten (sog. Halbanrechnung) bei voller Berücksichtigung der Sozialversicherungsrente einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur noch bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne.

Dem (aaO) hat die Beklagte durch eine Satzungsänderung und eine Neuberechnung der Zusatzversorgungsrente der Klägerin Rechnung getragen. Bezüglich der Halbanrechnung stellte das fest, daß die Beklagte verpflichtet sei, die Vordienstzeiten für eine Übergangszeit voll anzurechnen und der Klägerin ab dem eine Versorgungsrente für Versicherte auf der Grundlage einer gesamtversorgungsfähigen Zeit von 452 Monaten zu gewähren, längstens bis zu dem Zeitpunkt, an dem im Rahmen einer Satzungsreform zu den Vordienstzeiten eine neue, geänderte Regelung wirksam werde. In bezug auf die begehrte Nichtanrechnung der Erhöhung der Sozialversicherungsrente nach Mindesteinkommen bei der Berechnung der Zusatzversorgungsrente durch die Beklagte wies es die Klage ab. Das Oberlandesgericht wies durch Urteil vom die Berufung der Klägerin zurück und auf die Berufung der Beklagten die Klage ab. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre im Berufungsrechtszug gestellten Anträge weiter.

Gründe

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß der Klägerin kein Anspruch auf eine Zusatzversorgungsrente zustehe, bei der der Zuschlag aus einer Sozialversicherungsrente nach Mindesteinkommen von der Anrechnung ausgenommen werde. Die in der Satzung der Beklagten vorgesehene Anrechnung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Grundrechte der Klägerin.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, der Klägerin ab dem für eine Übergangszeit eine Zusatzversorgungsrente unter voller Berücksichtigung ihrer außerhalb des öffentlichen Dienstes zurückgelegten Vordienstzeiten zu gewähren. Berechtigte, die, wie die Klägerin, am schon Renten von der Beklagten bezogen hätten, gehörten nicht zu dem Personenkreis, für den das die streitige Regelung beanstandet habe. Selbst wenn man aber annehme, daß auch für diese Gruppe von Rentenberechtigten die Halbanrechnung unzulässig und die Satzung insoweit unwirksam sei, könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn es stehe eine Grundentscheidung der beteiligten Sozialpartner in Frage, die jedenfalls hier nicht vom Gericht im Wege ergänzender Auslegung eines lückenhaft gewordenen Vertrages geschlossen werden könne. Die Beklagte könne ihr Grundleistungsangebot nicht selbst gestalten, sondern müsse ein von den Sozialpartnern ausgehandeltes Ergebnis umsetzen, das notwendig kompromißhafte Züge trage und deshalb einer Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit kaum zugänglich sei. Die von der Klägerin geforderte zusätzliche Leistung sei, wenn man ihre finanziellen Auswirkungen auf die Beklagte abschätze, nicht etwa nur als Abrundung ihres Angebots zu werten, sondern erschüttere die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Substanz. Deshalb müsse als mögliche Neuregelung auch in Betracht gezogen werden, daß Vordienstzeiten bei der Berechnung der von der Beklagten gezahlten Zusatzversorgungsrente überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Außerdem habe im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom vorgelegen, der das bisherige Gesamtversorgungssystem der Beklagten durch ein an den Grundsatz der Betriebstreue anknüpfendes Punktemodell ersetze; Vordienstzeiten würden - abgesehen vom Bestandsschutz - nicht mehr berücksichtigt. Über diese Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien könnten sich die ordentlichen Gerichte nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht hinwegsetzen.

II. Dem ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen.

1. Durch die Anrechnung der vollen Sozialversicherungsrente einschließlich ihrer Erhöhung unter dem Gesichtspunkt der Rente nach Mindesteinkommen wird die Klägerin nicht in ihren Grundrechten verletzt. Hierin hat schon das Bundesverfassungsgericht in dem Verfahren der von der Klägerin erhobenen Verfassungsbeschwerde keine Grundrechtsverletzung gesehen. Es hat festgestellt, daß die Klägerin "die Anrechnung der Erhöhung der Sozialversicherungsrente wegen Mindesteinkommen" beanstande (BVerfG, Streit 2000, 14 unter I 3; in VersR 1999, 1518 insoweit nicht abgedruckt), die Verfassungsbeschwerde jedoch insoweit mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Streit 2000, 14 unter II 3 = VersR 1999, 1518 unter 3). Dem tritt der Senat bei.

2. a) Soweit sich die Revision unter Bezugnahme auf den (aaO) gegen die Anrechnung von Vordienstzeiten nur zur Hälfte wendet, hat der Senat bereits klargestellt, daß die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht diejenigen Rentnergenerationen betreffen, die vor dem Rentenempfänger geworden sind. Für die Generation der Klägerin des vorliegenden Verfahrens, die schon seit 1984 Rente bezieht, ist nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, daß verfassungsrechtlich etwa bedenkliche Folgen einer Halbanrechnung noch im Rahmen einer bei der Regelung einer komplizierten Materie zulässigen Generalisierung bleiben und deshalb hinzunehmen sind. Insoweit verstößt die Anwendung des in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F. vorgesehenen Halbanrechnungsgrundsatzes bei der Berechnung der Zusatzversorgungsrente der Klägerin auch nicht gegen die §§ 9 AGBG, 307 BGB (vgl. - VersR 2004, 183 unter 2 c und d; vom - IV ZR 52/02 - VersR 2004, 499 unter 2 c).

b) Im übrigen hat die Beklagte ihre Satzung mit Wirkung ab grundlegend geändert (vgl. BAnz. 2003 Nr. 1). Dadurch wurde der bei den jüngeren Versichertengenerationen in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten vom Bundesverfassungsgericht gesehene Verstoß gegen den Gleichheitssatz für die Zukunft ausgeräumt. Nach der Neuregelung kommt es nämlich auf Vordienstzeiten überhaupt nicht mehr an; vielmehr wird eine Betriebsrente auf der Grundlage von Versorgungspunkten gezahlt, für die das zusatzversorgungspflichtige Entgelt, eine soziale Komponente und Bonuspunkte maßgebend sind (§§ 35 ff. VBLS n.F.). Aufgrund der Übergangsregelung des § 75 Abs. 1 und 2 VBLS n.F. werden Versorgungsrenten nach dem bis zum geltenden Satzungsrecht für die am Versorgungsrentenberechtigten als Besitzstandsrenten weitergezahlt und entsprechend § 39 VBLS n.F. vom Jahr 2002 an jährlich zum 1. Juli um 1% erhöht. Die Klägerin macht nicht geltend und es ist auch nicht ersichtlich, daß sie danach im wirtschaftlichen Ergebnis schlechter stünde als Rentenberechtigte, für die das neue Satzungsrecht gilt.

Fundstelle(n):
WAAAB-99286

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein