BGH Urteil v. - III ZR 238/03

Leitsatz

[1] § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers.

Gesetze: BGB § 823 Abs. 2 Bf; KWG § 32 Abs. 1 Satz 1 F:

Instanzenzug: LG Nürnberg-Fürth vom

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Factoring-Unternehmen. Sie macht einen Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlgeschlagener Anlagen geltend, den die Eheleute C. und T. R. an sie abgetreten haben.

Am , und erwarben C. und T. R. durch Vermittlung der Beklagten zu 2, der M. C. GmbH (im folgenden: M. ), für insgesamt 35.000 DM "Inhaberobligationen" der L. Invest Ltd., T. /British Virgin Islands (künftig: L. ). Der Kauf erfolgte über die G. AG (im folgenden: G ) in B. Für M. handelte der Beklagte zu 1 (im folgenden: Beklagter) als deren geschäftsführender Gesellschafter. L. zahlte weder den Anlagebetrag zurück noch die in den "Inhaberobligationen" verbrieften Zinsen.

M. vermittelte die "Inhaberobligationen" von L. , ohne eine Erlaubnis des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen zu haben, die sie berechtigt hätte, Finanzdienstleistungen zu erbringen (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KWG in der Fassung vom , BGBl. I S. 2776).

Die Klägerin ist der Ansicht, § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG sei ein Schutzgesetz zugunsten der Kapitalanleger. Unter Berufung auf eine schriftliche Stellungnahme des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom trägt sie vor, der Beklagte habe gegen diese Bestimmung verstoßen, indem er unerlaubte Anlagenvermittlung als Geschäftsführer der M. betrieben habe. Hierfür hafte er persönlich nach § 823 Abs. 2 BGB.

Weiter wirft die Klägerin dem Beklagten Verschulden bei Vertragsverhandlungen vor. Als er namens der M. mit den Zedenten einen Anlageberatungs- oder Anlagevermittlungsvertrag geschlossen habe, habe er persönliches Vertrauen in Anspruch genommen, aber durch Unterlassen gebotener Aufklärung enttäuscht.

Der von dem Beklagten den Zedenten zu ersetzende Schaden belaufe sich auf 37.741,67 DM. Außer dem Anlagebetrag (35.000 DM) seien ihnen Zinsen in Höhe von mindestens 2.741,67 DM verlorengegangen.

Mit der Klage hat die Klägerin von dem Beklagten und M. als Gesamtschuldnern - außer einem weitergehenden Schadensersatzbegehren, das nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - die Zahlung von 19.297,01 € (= 37.741,67 DM) nebst Zinsen, hilfsweise Zug um Zug gegen Rückgabe der "Inhaberobligationen", beansprucht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage gegen M. - inzwischen rechtskräftig - stattgegeben; bezüglich des Beklagten hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Gründe

Die Revision ist überwiegend begründet.

Der Senat hat über den Hilfsantrag durch Versäumnisurteil entschieden, weil der Beklagte in der Revisionsverhandlung nicht vertreten gewesen ist. Die Entscheidung beruht aber nicht auf der Säumnis; sie ist ergangen auf der Grundlage des von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts unter Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f; Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. 2005 § 555 Rn. 6 m.w.N.).

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, den Eheleuten R. habe ein vertraglicher Schadensersatzanspruch, den die Klägerin durch die Abtretung erworben haben könnte, nicht zugestanden. Zwischen den Zedenten und dem Beklagten hätten vertragliche Beziehungen nicht bestanden.

Eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG hat das Landgericht mit der Begründung verneint, daß für die bloße Vermittlung einer Geldanlage an die Schweizer G. Gruppe eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz nicht erforderlich gewesen sei. Aus dem Fehlen einer solchen Erlaubnis auf Beklagtenseite ergäben sich daher keine Ansprüche für die Klägerin. Das Berufungsgericht hat sich dazu nicht geäußert.

II.

Die Klage ist hinsichtlich des Hilfsantrags begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten - Zug um Zug gegen Übertragung der "Inhaberobligationen" von L. - Zahlung von 19.297,01 € nebst Zinsen fordern. Die Klage kann sich, wie die Revision zu Recht rügt, auf einen Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung (§ 398 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB) stützen.

Der Beklagte schuldet den Zedenten nach § 823 Abs. 2 BGB Schadensersatz, weil er schuldhaft gegen ein deren Schutz bezweckendes Gesetz, nämlich gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG, verstieß.

1. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG in der hier maßgeblichen Fassung bedarf der schriftlichen Erlaubnis des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb erfordert, Finanzdienstleistungen erbringen will. Die Vorschrift ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers.

a) Die Qualifikation des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist - soweit ersichtlich - einhellige Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. - NJW 1973, 1547, 1549; siehe auch BGHZ 125, 366, 379 ff; KG NZG 2002, 383, 385; OLG Celle ZIP 2002, 2168, 2174; OLG München WM 1986, 586, 590). Dem stimmt die herrschende Lehre zu (vgl. Staudinger/J. Hager, BGB 1999 § 823 Rn. G 49; Erman/G.Schiemann, BGB 11. Aufl. 2004 § 823 Rn. 163; Spindler in Bamberger/Roth, BGB 2003 § 823 Rn. 181; Samm in Beck/Samm, KWG Stand Juni 2000 § 32 Rn. 16; Szagunn/Haug/Ergenzinger, KWG 6. Aufl. 1997 § 32 Rn. 11; a.A. Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG 2. Aufl. 2004 § 32 Rn. 17 f).

b) Der ursprünglich nur für Bankgeschäfte geltende Erlaubnisvorbehalt des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG wurde durch Art. 1 Nr. 47 Buchstabe a des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom (BGBl. I S. 2518) mit Wirkung vom auf Finanzdienstleistungen ausgedehnt. Damit wurde einer Vorgabe in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom über Wertpapierdienstleistungen (ABl. EG Nr. L 141 vom S. 27 ff) Rechnung getragen (vgl. Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf des vorgenannten Gesetzes vom BT-Drucks. 13/7142 S. 89). Die Richtlinie zielte - außer auf die Stabilität des Finanzsystems - vor allem auf den Anlegerschutz ab (vgl. Absatz 2 der Erwägungsgründe zu der Richtlinie aaO S. 27; Dreher ZIP 2004, 2161, 2163, 2165, 2166); Entsprechendes muß für den sie umsetzenden § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG (in der Fassung des vorgenannten Gesetzes vom ) gelten.

c) § 6 Abs. 4 des hier noch maßgeblichen Kreditwesengesetzes (vgl. jetzt für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht § 4 Abs. 4 FinDAG) - eingefügt durch Art. 1 Nr. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen vom BGBl. I S. 1693 (seinerzeit als § 6 Abs. 3 KWG) - bestimmt zwar, daß das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen seine Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnehme (vgl. zur Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaften und dem Grundgesetz EuGH NJW 2004, 3479 und Senatsurteil vom - III ZR 48/01 - WM 2005, 369, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Hierdurch sollte, wie sich aus dem Gesetzeswortlaut und der Zielsetzung des Gesetzes ergibt (vgl. Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen BT-Drucks. 10/1441 S. 20; Senatsurteil vom aaO S. 372 f), der Fiskus geschützt werden (vgl. Fischer aaO Rn. 18); es ging um die Gefahr einer Inanspruchnahme des Staates wegen Amtspflichtverletzungen, die Bedienstete des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen begehen könnten (vgl. Art. 34 GG, § 839 BGB). Hingegen fehlt jeder Anhalt, daß der Gesetzgeber darüber hinausgehen und dem Erlaubniszwang nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG den - ihm nach der herkömmlichen, ganz überwiegenden Ansicht (vgl. aaO) zukommenden - Schutzgesetzcharakter im Verhältnis der Betreiber von Bankgeschäften und der Finanzdienstleistungsunternehmen zu ihren Kunden nehmen wollte (vgl. aaO S. 373 und BGHZ 74, 144, 149 f; siehe auch OLG Celle aaO; a.A. Fischer aaO Rn. 17 f).

2. Die von dem Beklagten als Geschäftsführer der M. ausgeübte Anlagevermittlung bedurfte der Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG.

a) Dem Vorbringen der Klägerin, daß die - am gegründete und damit von Anfang an dem § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG in der Fassung des Gesetzes vom unterliegende - M. in einem "erlaubnispflichtigen Umfang" gewerbsmäßig Finanzdienstleistungen erbracht hat, ist der Beklagte nicht entgegengetreten.

b) Die M. erbrachte Finanzdienstleistungen und war daher Finanzdienstleistungsinstitut im Sinne des - ebenfalls mit Wirkung vom durch Artikel 1 Nummer. 3 Buchstabe b des Gesetzes vom eingefügten - § 1 Abs. 1a KWG. Sie vermittelte nämlich Geschäfte über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (Anlagevermittlung; § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG). Die von M. - durch den Beklagten als ihren Geschäftsführer - 1998 und 1999 an die Zedenten vermittelten "Inhaberobligationen" der L. waren als Finanzinstrumente zu qualifizierende Wertpapiere, nämlich Schuldverschreibungen im Sinne des § 1 Abs. 11 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 Fall 3 KWG (vgl. S. 2 des Schreibens des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom ; Reischauer/Kleinhans, KWG Stand April 2004 § 1 Anm. 342 Buchst. e). Daß die von M. - die gegenüber ihren Kunden zwar als Partner der GMF, aber gleichwohl in diesen Finanzierungsangelegenheiten als "organisatorisch und finanziell vollkommen unabhängiger" Betreuer und Berater aufgetreten ist - vermittelten Anlagen in L. -"Inhaberobligationen" nicht unmittelbar bei L. , sondern über die Schweizer G. Gruppe als Zwischenmittler erfolgten, ist unerheblich (vgl. Jung/Schleicher, Finanzdienstleister und Wertpapierhandelsbanken - Aufsichtsrechtliche Regelungen 2. Aufl 2001 S. 32).

3. Indem der Beklagte als Organ der M. ab dem erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen, die Vermittlung der "Inhaberobligationen" am , und , ohne Erlaubnis des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen erbrachte, verstieß er gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG; zugleich erfüllte er den Straftatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2, Abs. 2 KWG (i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Der Beklagte handelte, wie der Senat selbst feststellen kann, jedenfalls fahrlässig. Er hätte sich vor Aufnahme der Anlagevermittlung als Geschäftsführer der M. über etwaige Erlaubniserfordernisse unterrichten müssen.

4. Der Verstoß gegen das Schutzgesetz war schadensursächlich. Hätte der Beklagte § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG beachtet und von den mangels Erlaubnis verbotenen Finanzdienstleistungen, d.h. von der Vermittlung der "Inhaberobligationen" abgesehen, dann wäre das verlustreiche Anlagengeschäft so nicht zustande gekommen. Die Klägerin hat im übrigen unter Beweisantritt vorgetragen, daß die Eheleute R. von der Anlage abgesehen hätten, wenn sie darüber aufgeklärt worden wären, daß die M. nicht im Besitz der erforderlichen Erlaubnis sei. Demgegenüber hat der Beklagte nicht behauptet, daß die Eheleute R. , wenn ihnen das Fehlen der Erlaubnis bekannt gewesen wäre, die "Inhaberobligationen" gleichwohl - gegebenenfalls über einen anderen (Unter-) Vermittler oder unmittelbar über die G. - gekauft hätten (vgl. - NJW 2004, 3706, 3709 zur Haftung einer Anlagegesellschaft, die unter Verstoß gegen § 7 AuslInvestmG ausländische Investmentanteile ohne vorherige Anzeige vertrieben hatte).

5. Der Beklagte haftet für den von ihm als Geschäftsführer der M. begangenen Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG persönlich nach § 823 Abs. 2 BGB (vgl. - NJW 1996, 1535, 1536), und zwar als Gesamtschuldner neben der nach § 31 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG haftenden M. (§ 840 Abs. 1 BGB).

Dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung ist - entsprechend dem Hilfsantrag der Klägerin - dadurch Rechnung getragen, daß der Beklagte Zahlung Zug um Zug gegen Übertragung der L. -"Inhaberobligationen" schuldet (vgl. Senatsurteil vom - III ZR 323/03 - NJW-RR 2005, 170, 171).

Fundstelle(n):
NJW 2005 S. 2703 Nr. 37
XAAAB-98548

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja