BGH Urteil v. - III ZR 179/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BKleingG § 1 Abs. 1; BKleingG § 1 Abs. 2 Nr. 2; BKleingG § 3 Abs. 2; BKleingG § 20a Nr. 7; BKleingG § 20a Nr. 7 Satz 1; BKleingG § 20a Nr. 8

Instanzenzug:

Tatbestand

Die Beklagten schlossen 1982 mit dem seinerzeit örtlich zuständigen Kreisverband des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK) einen Pachtvertrag über eine Parzelle, die sich in der Anlage "R. " im früheren Ostteil Berlins befindet. Der Vertrag trägt in seiner Überschrift die Bezeichnung "Kleingarten-Nutzungsvertrag".

Das Pachtgelände steht im Eigentum des Landes Berlin, das anstelle des VKSK auf Verpächterseite in den Vertrag mit den Beklagten eingetreten ist. Das Land hat die Abtretung seiner Ansprüche aus dem Pachtverhältnis an den Kläger erklärt.

Die Parzelle ist mit einem für Wohnzwecke geeigneten und genutzten Haus bebaut. Die Beklagten schlossen diesbezüglich mit dem Land Berlin auf der Grundlage des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes einen Erbbaurechtsvertrag. Nutzen und Lasten gingen am auf die Beklagten über.

Der Kläger verlangt von den Beklagten unter anderem die Zahlung von sogenanntem Wohnlaubenentgelt nach dem Bundeskleingartengesetz für die Jahre 1995 und 1996 sowie für die Monate Januar bis September 1997.

Das Amtsgericht hat den Anspruch auf Wohnlaubenentgelt durch Teilurteil abgewiesen. Das Landgericht hat die Beklagten unter Abweisung der Klage hinsichtlich eines Teils der geforderten Zinsen zur Zahlung verurteilt.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

Auf die Revision ist das Berufungsurteil, soweit es die Beklagten beschwert, aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Wohnlaubenentgelt gemäß § 20a Nr. 8 BKleingG, da es sich bei der Anlage "R. " am um eine Kleingartenanlage gehandelt habe, so daß das Bundeskleingartengesetz anzuwenden sei.

Dies wird von den tatrichterlichen Feststellungen nicht getragen.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß das Land Berlin die geltend gemachte Forderung, ihr Bestehen vorausgesetzt, wirksam an den Kläger abgetreten hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Beanstandungen.

2. Richtig ist ferner die Erwägung des Berufungsgerichts, daß die Anlage "R. " als Kleingartenanlage und die darin belegene Parzelle der Beklagten als Kleingarten zu behandeln sind, wenn am in der Gesamtanlage die kleingärtnerische Nutzung vorherrschend war.

a) Bei der Feststellung, ob dies der Fall war, hat das Berufungsgericht der Bezeichnung des 1982 geschlossenen Pachtvertrages jedoch unzutreffend eine entscheidende Bedeutung beigemessen. Wie der Senat in seinen Urteilen vom (III ZR 203/02 - VIZ 2003, 538 f, für BGHZ vorgesehen), vom (BGHZ 154, 132, 135) und vom (III ZR 89/99 - WM 2000, 779, 782) bereits im einzelnen dargelegt hat, richtet sich die Anwendbarkeit des Bundeskleingartengesetzes unabhängig davon, welchen vertraglichen Bestimmungen das Pachtverhältnis unter Geltung des DDR-Rechts unterworfen war, nach der tatsächlich ausgeübten Nutzung zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am .

b) In Fällen, in denen, wie hier, zu DDR-Zeiten der Pächter sein Nutzungsrecht nicht unmittelbar vom Eigentümer oder Rechtsträger des Grundstücks, sondern von einem Hauptnutzer - also zumeist, wie im vorliegenden Fall, von einem VKSK-Kreisverband - ableitete, ist auf den Charakter der gesamten Anlage und nicht auf den der einzelnen Parzellen abzustellen ( aaO, S. 539 und vom , aaO, S. 782 f). Dies gilt auch in den Fällen, in denen - wie hier - die pachtvertraglichen Beziehungen infolge des Wegfalls des VKSK-Kreisverbandes nur (noch) unmittelbar zwischen dem Grundstückseigentümer und den einzelnen Nutzern der Parzellen bestehen.

3. Das Bundeskleingartengesetz ist nicht schon deshalb unanwendbar, weil die von den Beklagten genutzte Parzelle mit einem Gebäude, das Wohnzwecken dient, bebaut ist.

a) Wie der Senat mit Urteil vom (III ZR 176/02 - VIZ 2003, 391) entschieden hat, handelt es sich bei einer Parzelle wie der von den Beklagten genutzten nicht um einen Wohnungsgarten im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 BKleingG, auf den die Bestimmungen dieses Gesetzes keine Anwendung finden. Hieran würde auch die von den Beklagten behauptete Wohnraumzuweisung nichts ändern (vgl. Senat aaO, S. 392 f).

b) Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß Ansprüche aus § 20a Nr. 8 BKleingG nicht deshalb ausgeschlossen sind, weil die von den Beklagten genutzte Parzelle in den Anwendungsbereich des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes fällt (grundlegend Senatsurteil BGHZ 139, 235, 239 f). Dabei hat der Nutzer, der zum Zwecke der Bereinigung der an dem betreffenden Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse berechtigte Ansprüche auf Bestellung von Erbbaurechten oder auf Ankauf geltend macht (§ 3 Abs. 1 SachenRBerG), bis zur Durchsetzung dieser Ansprüche das Wohnlaubenentgelt nach § 20a Nr. 8 BKleingG in voller Höhe zu entrichten (Senatsurteil vom , aaO, S. 393), sofern die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage erfüllt sind.

4. Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, wonach es sich bei dem Areal "R. " um eine Kleingartenanlage im Sinne des § 1 Abs. 1 BKleingG handelt, damit begründet, daß die Anlage am aus mehreren Parzelle bestanden habe, eine kleingärtnerische Nutzung stattgefunden habe und gemeinschaftliche Einrichtungen, wie Wege und Vereinshäuser, existiert hätten. Unmaßgeblich sei hingegen, daß die in der Anlage vorhandenen Aufbauten teilweise den Charakter von Einfamilienhäusern hätten, zum Dauerwohnen genutzt würden und in der Grundfläche vielfach 24 m² überschritten. Wie § 20a Nr. 7 und 8 BKleingG zeigten, spielten derartige bestandsgeschützte Nutzungen und Laubengrößen für die Qualifizierung einer Anlage als Kleingartengelände keine Rolle.

Damit legt das Berufungsgericht seiner Einordnung des Areals "R. " als Kleingartenanlage nicht die rechtlich maßgebenden Kriterien zugrunde. Der Senat hat sich bereits in seinem Urteil vom (aaO S. 539 f) eingehend mit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auseinander gesetzt (vgl. auch Senatsurteil vom - III ZR 331/02 - Umdruck S. 6 ff). Danach gilt folgendes:

a) Nach § 20a Nr. 7 Satz 1 BKleingG können vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland rechtmäßig errichtete Gartenlauben, deren Grundflächen entgegen § 3 Abs. 2 BKleingG 24 m² überschreiten, oder andere der kleingärtnerischen Nutzung dienende bauliche Anlagen weiterhin unverändert genutzt werden. § 20a Nr. 8 BKleingG bestimmt, daß eine vor dem Wirksamwerden des Beitritts bestehende Befugnis des Kleingärtners, seine Laube dauernd zu Wohnzwecken zu nutzen, fortbesteht, soweit nicht andere Vorschriften der Wohnraumnutzung entgegenstehen.

Diese der Sicherung des Bestandsschutzes dienenden Vorschriften zeigen, daß derartige Bauten in einer Anlage nicht grundsätzlich der Anwendung des Bundeskleingartengesetzes entgegenstehen. Selbst wenn das einzelne Gebäude überwiegend zu Wohnzwecken genutzt wird oder sogar ein von § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. e SachenRBerG erfaßtes Eigenheim darstellt, kann das Kleingartenrecht weiterhin maßgeblich bleiben ( aaO, S. 539 f, und vom , aaO, S. 392, m.w.N).

b) Dies bedeutet jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht, daß für die rechtliche Einordnung einer Anlage die Beschaffenheit und die Art der Nutzung der auf den Parzellen befindlichen Baulichkeiten belanglos sind und nur die gärtnerische Nutzung von Bedeutung ist. Vielmehr sind bei der Beurteilung einer Anlage die vorhandenen Baulichkeiten sowie Art und Umfang ihrer Nutzung in den Blick zu nehmen und bei der anzustellenden Gesamtabwägung zu berücksichtigen (hierzu eingehend Senatsurteil vom , aaO, S. 540).

Ein mit den notwendigen Versorgungseinrichtungen ausgestattetes, Wohnzwecken dienendes Eigenheim nach dem DDR-Recht - mag der Standard auch nicht dem in den alten Bundesländern für Ein- und Zweifamilienhäusern üblichen entsprechen - stellt in einer Kleingartenanlage einen Fremdkörper dar. Das Übergangsrecht gewährt solchen Baulichkeiten unter Berücksichtigung der Rechtswirklichkeit in der früheren DDR Bestandsschutz. Dementsprechend steht auch das Vorhandensein mehrerer solcher Eigenheime der Bewertung eines Gesamtareals als Kleingartenanlage nicht notwendig entgegen. Dies bedeutet aber nicht, daß die § 3 Abs. 2 BKleingG zugrundeliegenden Maßstäbe völlig zurücktreten (Senatsurteil vom , aaO). Beherrschen die dem Charakter einer Kleingartenanlage widersprechenden Eigenheime den Gesamteindruck der Anlage so sehr, daß die ansonsten auf den Parzellen anzutreffende kleingärtnerische Nutzung (Erzeugung von Obst, Gemüse und anderen Früchten) nicht mehr anlageprägend in Erscheinung tritt, besteht keine Anlage im Sinne des Bundeskleingartengesetzes (mehr) ( aaO, vgl. auch BGHZ 139, 235, 240).

c) Die unter diesen Gesichtspunkten erforderliche Würdigung des Gesamtcharakters der Anlage ist in erster Linie Sache des Tatrichters, dessen Beurteilung nur eingeschränkt der revisionsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Insbesondere ist es dem Revisionsgericht verwehrt, feste Bewertungsmaßstäbe zur Berücksichtigung einzelner Nutzungselemente vorzugeben, anhand derer sich eine gewissermaßen rechnerisch exakte Qualifizierung der Anlage vornehmen läßt. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom (aaO, S. 540) ausgeführt hat, sind ungeachtet dessen diejenigen Parzellen, die mit zum Dauerwohnen geeigneten, der Sachenrechtsbereinigung unterliegenden Eigenheimen im Sinne des DDR-Rechts bebaut sind, bei der Bewertung der Anlage nicht als kleingärtnerisch genutzte Flächen zu veranschlagen. Dies gilt selbst dann, wenn auf diesen Parzellen noch Obst, Gemüse oder sonstige Früchte gezogen werden. Die Art der Bebauung widerspricht bei derart gemischt verwendeten Flächen in so erheblicher Weise einer kleingärtnerischen Nutzung, daß die verbliebene Fruchtziehung vollständig in den Hintergrund tritt. Bei der Beurteilung des Gesamtcharakters der Anlage sind in gleicher Weise diejenigen Grundstücke zu berücksichtigen, auf denen ein mit allen Versorgungseinrichtungen versehenes und auch im übrigen nach den Maßstäben der DDR die bautechnischen Anforderungen für eine Wohnnutzung erfüllendes Gebäude errichtet ist, das nur deshalb nicht zur Benutzung in der Winterzeit geeignet ist, weil es nicht geheizt werden kann (Senatsurteil vom , aaO; vgl. auch - VIZ 2003, 445). Grundstücke, die in dieser Weise genutzt werden, widersprechen in fast ebenso gravierender Weise dem Leitbild der kleingärtnerischen Nutzung wie ein Eigenheim, auch wenn sie nur den geringeren Bestandsschutz nach § 20a Nr. 7 BKleingG genießen sollten.

Der Senat hat in seinem Urteil vom (aaO, S. 541) weiter ausgeführt, daß eine Gesamtanlage jedenfalls dann nicht mehr als Kleingartenanlage angesehen werden kann, wenn mehr als die Hälfte der Parzellen mit Eigenheimen oder diesen nahekommenden Baulichkeiten bebaut ist (vgl. auch die ebenfalls am verkündeten Senatsurteile - III ZR 180/03 und 246/03).

II.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung des Senats (§ 563 Abs. 3 ZPO) ist nicht möglich, da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine den vorstehenden Maßstäben gerecht werdenden Feststellungen über die Bebauung und die sonstige Nutzung der in der Anlage "R. " befindlichen Parzellen am getroffen hat. Dies ist nachzuholen.

Mit der vorliegenden Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu dem ebenfalls die Anlage "R. " betreffenden Senatsurteil vom (III ZR 176/02), in dem der Senat den Anspruch auf Zahlung von Wohnlaubenentgelt dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat. Nach dem dort zugrunde zu legenden Sachverhalt war zwischen den Parteien unstreitig, daß es sich bei dem Areal "R. " um eine Anlage nach dem Bundeskleingartengesetz handelte.

Fundstelle(n):
UAAAB-98455

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein