Leitsatz
[1] Zum Beginn der Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs gegen den Notar, wenn zwar eine anderweitige Ersatzmöglichkeit in Betracht kommt, die aber, wie der Geschädigte weiß, mit erheblichen Zweifeln und Risiken behaftet ist (Fortführung des Senatsurteils vom - III ZR 353/04 = NJW-RR 2005, 1148).
Gesetze: BNotO § 19 Abs. 1 Satz 2; BGB § 852 a.F.
Instanzenzug: LG Stralsund 4 O 489/02 vom OLG Rostock 1 U 75/03 vom
Tatbestand
Die Beklagten sind die Erben der verstorbenen Notarin R. L. . Diese hatte am einen Vertrag beurkundet, durch den der Kläger zu 1/5 und Dr. C. zu 4/5 als Miterwerber je zu ideellen Anteilen ein etwa 3,26 ha großes Grundstück von dessen Eigentümer kauften. Von dem Kaufpreis von 80.000 DM sollten der Kläger 15.000 DM und Dr. C. 65.000 DM tragen. Der Vertrag enthielt ferner folgende Klausel:
"Die Erschienenen zu 2 [Dr. C. ] und zu 3 [der Kläger] vereinbaren im Innenverhältnis, die Teilung des Grundstückes nach Eigentumswechsel dahingehend vornehmen zu lassen, dass der Erschienene zu 3 [der Kläger] aus dem Bestand des Grundstückes eine Teilfläche von 6.000 qm als Alleineigentümer erhält."
Im Februar 1993 wurden der Kläger zu 1/5 und Dr. C. zu 4/5 als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen. Der Kläger errichtete auf einer später katastermäßig abgeschriebenen und nach seinem Vorbringen ihm vereinbarungsgemäß zustehenden Teilfläche von ca. 4.530 qm ein Wohnhaus, während die übrige Fläche wider Erwarten der Erwerber nicht bebaut werden durfte. Darauf kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und Dr. C. über die Aufteilung des Grundstücks. Der Kläger erhob im Juli 1997 Klage gegen Dr. C. mit dem Antrag, dessen Miteigentumsanteil an dem mit dem Wohnhaus bebauten Grundstücksteil an den Kläger aufzulassen und die Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen, Zug um Zug gegen Auflassung und Bewilligung der Eintragung des Miteigentumsanteils des Klägers an der Restfläche an Dr. C. . Die Klage hatte vor dem Landgericht Stralsund und dem Oberlandesgericht Rostock Erfolg, wurde jedoch durch Urteil des II. Zivilsenats des = NJW 2002, 2560) abgewiesen.
Der Kläger nimmt nunmehr die Erben der verstorbenen Notarin auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch. Die Pflichtverletzung erblickt er darin, dass entgegen den bei Abschluss des Ursprungsvertrages vom getroffenen Absprachen eine wirksame Verpflichtung Dr. C. 's im Innenverhältnis, die ihm, dem Kläger zustehende Grundstücksteilfläche an ihn zu übereignen, infolge eines Beurkundungsmangels nicht begründet worden sei. Die Beklagten haben eine Amtspflichtverletzung bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben. Die Amtshaftungsklage ist am beim Landgericht eingegangen und beiden Beklagten jeweils am zugestellt worden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 26.412,27 € nebst Zinsen zu zahlen, und festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, dem Kläger sämtliche aus der fehlerhaften Beurkundung des Grundstückskaufvertrages vom durch die Notarin R. L. zukünftig entstehenden Schäden zu ersetzen. Durch Ergänzungsurteil hat das Berufungsgericht die dem Streithelfer des Klägers, dessen Prozessbevollmächtigtem im Vorprozess und im ersten Rechtszug des jetzigen Amtshaftungsprozesses, entstandenen Kosten den Beklagten auferlegt. Mit der vom Senat zugelassenen, gegen das Berufungsurteil und das Ergänzungsurteil gerichteten Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
I.
Die Revision ist insgesamt zulässig. Dies gilt auch, soweit sie sich gegen das Ergänzungsurteil richtet. Da dieses ausschließlich den Kostenpunkt betrifft, ist die Revision (unabhängig vom Wert der Beschwer) hiergegen zulässig, wenn sie es - wie hier - auch gegen das vorangegangene Urteil ist ( - ZIP 1984, 1107, 1113).
II.
Die Revision ist auch begründet.
1. Das Berufungsgericht hat mit eingehender Begründung den Tatbestand einer schuldhaften Amtspflichtverletzung der Notarin zu Lasten des Klägers bei der Beurkundung des Vertrages vom bejaht.
a) Der II. Zivilsenat hat in seinem im Vorprozess des Klägers gegen Dr. C. ergangenen Revisionsurteil vom (II ZR 4/00 = NJW 2002, 2560) entschieden, dass die Klausel in dem notariellen Kaufvertrag, wonach der Kläger eine Teilfläche von 6.000 m² erhalten sollte, mangels hinreichender Kennzeichnung dieser Teilfläche gemäß § 313 Satz 1 BGB a.F. unwirksam ist. Dieser Mangel ist auch nicht dadurch gemäß § 313 Satz 2 BGB a.F. geheilt worden, dass der Kläger und Dr. C. das Eigentum an dem Kaufgrundstück erworben haben. Denn die Teilungsvereinbarung hatte einem selbständigen Formzwang unterlegen, der mit dem Ursprungskaufvertrag in keinem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang gestanden hatte. Deshalb konnte der dingliche Vollzug des Ursprungskaufvertrages insoweit keine Heilungswirkung entfalten.
b) Der Notarin hätte es indessen obgelegen, auch im Innenverhältnis der Grundstückskäufer, d.h. des Klägers und Dr. C. 's, klare Verhältnisse zu schaffen und auch insoweit auf die Beurkundung einer formwirksamen Teilungsabrede hinzuwirken. Dies hätte sie bei Beachtung der notariellen Sorgfaltsstandards auch erkennen können. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht war daher - zumindest nach dem Sachvortrag des Klägers - geeignet, einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 19 BNotO zu begründen.
2. Gegen einen aus diesem Sachverhalt hergeleiteten Amtshaftungsanspruch greift jedoch die von den Beklagten erhobene Verjährungseinrede durch. Der Senat braucht daher auf die Rügen der Revision, soweit sie sich gegen die Amtspflichtverletzung als solche richten, nicht weiter einzugehen.
a) Schadensersatzansprüche wegen notarieller Amtspflichtverletzung verjähren nach § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO in Verbindung mit dem im Streitfall noch anwendbaren § 852 Abs. 1 BGB a.F. in drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Dies war hier nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers und seines Streithelfers spätestens im Frühjahr 1997 der Fall.
aa) Der Kläger selbst hat in seiner Berufungsbegründung vorgetragen, der Streitverkündete (sein damaliger Anwalt) habe ihn auf das erhebliche Prozessrisiko "aufgrund der eindeutigen Formnichtigkeit" der Teilungsklausel hingewiesen. Er habe ihm mit Schreiben vom ausdrücklich mitgeteilt, dass die Teilungsklausel formnichtig sei und dass ein Anspruch gegen den Miterwerber nur in Betracht komme, "wenn man sich darauf stützen könnte, dass die Berufung auf die Formvorschriften in diesem Falle gegen Treu und Glauben verstoßen würde". Dieses Vorbringen hat der Streithelfer in seinem Schriftsatz vom noch weiter präzisiert: Der Kläger sei darüber informiert worden, dass die streitbefangene Teilungsvereinbarung in Ermangelung ihrer Bestimmtheit formunwirksam sein dürfte. Dies habe bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Vorprozess eindeutig festgestanden. Über die sich daraus ergebenden Risiken des Vorprozesses sei der Kläger aufgeklärt worden.
bb) Wurde die Amtspflichtverletzung - wie hier - lediglich fahrlässig begangen, stellt auch das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO) eine zur Klagebegründung gehörende Voraussetzung dar. Deshalb muss sich die gemäß § 852 Abs. 1 a.F. erforderliche Kenntnis weiter darauf erstrecken, dass der Schaden jedenfalls nicht vollständig auf andere Weise gedeckt werden kann (vgl. Senatsurteil vom - III ZR 353/04 = NJW-RR 2005, 1148, 1149 m.w.N.). Der Kläger muss fähig sein, schlüssig darzulegen, dass eine Inanspruchnahme Dritter nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
cc) Die schon vor Erhebung der Klage des Vorprozesses, d.h. im Frühjahr 1997, beim Kläger bestehende Kenntnis hätte ausgereicht, ihm eine - sei es nur auf Feststellung der Ersatzpflicht gerichtete - Amtshaftungsklage gegen die Notarin zu ermöglichen. Im Gegensatz zu dem Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom (aaO) zugrunde gelegen hatte, bei dem die objektive Mangelhaftigkeit des Beurkundungsaktes erst durch das Ergebnis des damals geführten Vorprozesses offen gelegt worden war, bestanden hier von vornherein insoweit keinerlei Zweifel. Damit der Vorprozess Erfolg hätte haben können, war der Kläger auf den rechtlich sehr zweifelhaften - und vom Prozessbevollmächtigten selbst nicht für gangbar erachteten - Weg einer Heilung des Formmangels oder auf den rechtlich noch zweifelhafteren Weg angewiesen, dass die Weigerung seines Miterwerbers, die Teilung vereinbarungsgemäß vorzunehmen, gegen Treu und Glauben verstieß. Die in Betracht kommende anderweitige Ersatzmöglichkeit war also von vornherein mit ganz erheblichen Zweifeln und Risiken behaftet. Insoweit ist jedoch anerkannt, dass der Geschädigte sich nicht auf weitläufige, schwierige und unsichere Wege des Vorgehens gegen Dritte verweisen zu lassen braucht (s. zum allgemeinen Amtshaftungsrecht [§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB] Staudinger/Wurm, BGB 13. Bearb. 2002, § 839 Rn. 296, 298).
dd) Wenn der Kläger sich in klarer Erkenntnis dieser Risiken - die sich später im Ergebnis auch tatsächlich verwirklicht haben, mochten auch die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts im Vorprozess dem Kläger zunächst günstig gewesen sein - für eine vorrangige Inanspruchnahme seines Miterwerbers entschieden hat, so kann er sich, was die Verjährung seines Amtshaftungsanspruchs gegen die Notarin betrifft, nicht auf eine Hinausschiebung des Verjährungsbeginns berufen. Dies gilt um so mehr, als ihm im Vorprozess das einfache Instrument einer Streitverkündung an die Notarin zur Verfügung gestanden hätte, um die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs zu unterbrechen (§ 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a.F.; s. dazu insbesondere Senatsurteil vom - III ZR 99/03 = NJW-RR 2004, 1069, 1071). Denn auch bei voller Würdigung des Umstandes, dass eine vorrangige Inanspruchnahme des Vertragspartners durch den Geschädigten durchaus auch dem wohlverstandenen Interesse des Notars selbst dienen kann (vgl. dazu Senatsurteil vom - III ZR 353/04 = NJW-RR 2005, 1148, 1149), muss auch der gesetzgeberische Zweck der früheren deliktischen Verjährung des § 852 BGB a.F. im Auge behalten werden, der darin besteht, dass gerade bei unerlaubten Handlungen innerhalb eines überschaubaren Zeitpunkts Rechtsfrieden geschaffen werden muss.
ee) Auch das weitere Argument, dass sich der Kläger in einem etwaigen Amtshaftungsprozess gegen die Notarin deren Einwand hätte ausgesetzt sehen können, er müsse sich vorrangig an seinen Miterwerber halten, hat kein solches Gewicht, als dass er es rechtfertigen könnte, hinsichtlich der Wahrung der Verjährungsfristen gegenüber der Notarin oder deren Erben über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren völlig untätig zu bleiben.
b) Die Verjährung war somit spätestens im Juli 2000 eingetreten, d.h. drei Jahre nach der Erhebung der Klage des Vorprozesses und mehr als zwei Jahre vor Erhebung der jetzigen Amtshaftungsklage.
3. Die Klage war daher unter Aufhebung des Berufungsurteils und im Endergebnis unter Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils als unbegründet abzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DNotZ 2006 S. 918 Nr. 12
NJW-RR 2007 S. 277 Nr. 4
WM 2006 S. 1956 Nr. 41
YAAAB-98390
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja