Leitsatz
[1] Der Lauf der Berufungsbegründungsfrist beginnt auch dann nach Maßgabe des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wenn der Rechtsmittelführer wegen Kostenarmut um Prozesskostenhilfe nachsucht und deshalb an der Einhaltung dieser Frist gehindert ist. Seit dem Inkrafttreten des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom (BGBl. I S. 2198) steht ihm in diesen Fällen nach Wegfall des Hindernisses die Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat zur Verfügung, innerhalb deren die versäumte Prozesshandlung nachzuholen ist (Abgrenzung zum Beschluss vom - XII ZB 147/02 - NJW 2003, 3275).
Gesetze: ZPO § 234 Abs. 1 Satz 2 A; ZPO § 520 Abs. 2 Satz 1
Instanzenzug: LG München I 9 O 13322/04 vom OLG München 1 U 4589/05 vom
Gründe
I.
Die Klägerin hat gegen das ihr am zugestellte klageabweisende Urteil des Landgerichts am Berufung eingelegt und in der Folge die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Die Berufungsbegründungsfrist wurde zuletzt bis zum verlängert. Mit Beschluss vom , der der Klägerin am zugestellt wurde, wies das Berufungsgericht den gestellten Prozesskostenhilfeantrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Berufung zurück. Ein beim Senat angebrachter Antrag, Prozesskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung zu erhalten, hatte keinen Erfolg. Der entsprechende Senatsbeschluss vom (III ZA 3/06) ging der Klägerin am zu. Die Berufungsbegründung wurde am , verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag, beim Berufungsgericht eingereicht.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin durch Beschluss vom als unzulässig verworfen und ihren Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Mit ihrem Antrag vom begehrt die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung.
II.
Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die Klägerin hätte ihre Berufung - unbeschadet der bewilligten Verlängerung der Frist bis zum - innerhalb von zwei Monaten nach der am bewirkten Zustellung des Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren versagenden Beschlusses vom begründen dürfen, also bis zum . Es hat sich insoweit auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestützt, die - vor Inkrafttreten des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom (BGBl. I S. 2198) - zur Angleichung der Situation bemittelter und unbemittelter Rechtsmittelführer bei Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist eine verfassungskonforme Auslegung von § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO für erforderlich gehalten und als eine Lösung angesehen hat, den Beginn des Laufs der Rechtsmittelbegründungsfrist an die Zustellung der Prozesskostenhilfeentscheidung zu knüpfen (vgl. Beschluss vom - XII ZB 147/02 - NJW 2003, 3275, 3276 f; ähnlich Senatsbeschluss vom - III ZB 84/02 - NJW 2003, 3782 f zur Rechtsbeschwerde und Beschluss vom - IX ZB 208/03 - NJW 2004, 2902, 2903). Hieran kann nach der Neuregelung der Wiedereinsetzungsfrist bei Versäumung von Rechtsmittelbegründungsfristen in § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch das am in Kraft getretene 1. Justizmodernisierungsgesetz nicht festgehalten werden. Denn in diesen Fällen ist lediglich die Wiedereinsetzungsfrist, innerhalb deren die versäumte Prozesshandlung nachgeholt werden muss (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO), auf einen Monat verlängert worden. Im Hinblick auf diese Regelung, die auf Fälle zugeschnitten ist, in denen einem Rechtsmittelführer erst nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist Prozesskostenhilfe für die Einlegung des Rechtsmittels gewährt wird (vgl. hierzu Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1508 S. 17 f), ist für einen von § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO abweichenden Beginn des Laufs der Begründungsfrist kein Raum. Es kommt hier hinzu, dass die Frist zur Begründung der Berufung infolge der bis zum bewilligten Verlängerung noch nicht abgelaufen war, als der Klägerin die Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung zuging. Im Zeitpunkt des Eingangs der Berufungsbegründung am waren sowohl diese Frist als auch die einmonatige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO längst verstrichen.
2. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin um Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung des Berufungsgerichts vom nachgesucht hat. Dieser Antrag ist zwar erst durch Senatsbeschluss vom (III ZA 3/06) zurückgewiesen worden, der der Klägerin am zuging. Dem Berufungsgericht ist allerdings darin beizutreten, dass die Klägerin bereits aus der mit einem Rechtsmittel nicht anfechtbaren Entscheidung zur Prozesskostenhilfe die erforderlichen prozessualen Konsequenzen - wie hier die dann vorgesehene Durchführung des Berufungsverfahrens auf eigene Kosten - ziehen musste. Das beabsichtigte, aber mangels Zulassung nicht statthafte Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe konnte von vornherein zu keiner günstigen Entscheidung für die Klägerin führen und deshalb den Beginn für die Wiedereinsetzungsfrist nicht hinausschieben.
3. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt auch nicht mit Rücksicht auf verschiedene Vorsprachen der Klägerin bei der Rechtsantragsstelle des Berufungsgerichts im Anschluss an die Zustellung der Prozesskostenhilfeentscheidung in Betracht. Zwar hat die Klägerin am , und zum Ausdruck gebracht, dass sie auf der Suche nach einem anderen Rechtsanwalt sei und deswegen um einen Aufschub oder eine Verlängerung bis zum bzw. bitte; tatsächlich ist die Mandatsniederlegung auch am 10. Januar durch den Anwalt mitgeteilt worden. Es mag offen bleiben, ob das Berufungsgericht mit Rücksicht auf diese Vorsprachen gehalten gewesen wäre, der Klägerin entweder einen genauen Endtermin für die Einreichung der Berufungsbegründung zu nennen oder einen Hinweis auf einen durch einen Anwalt zu stellenden Verlängerungsantrag zu geben. Denn der Klägerin ist jedenfalls in einem Telefongespräch mit dem Berichterstatter vom bedeutet worden, dass sie ihr Rechtsmittel "baldmöglichst" begründen müsse. Zwar fand dieses Telefongespräch erst zu einem Zeitpunkt statt, zu dem ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO bereits hätte angebracht und die Prozesshandlung hätte nachgeholt sein müssen (vgl. oben 1). Von der Klägerin ist indes nicht zu erwarten, dass sie über den genauen Fristablauf der Berufungsbegründungsfrist eine bessere Kenntnis als das Berufungsgericht hatte, das die Auffassung vertrat, die Klägerin könne ihr Rechtsmittel bis zum begründen. Wäre dies geschehen, hätte das Berufungsgericht die Berufung aus seiner Sicht nicht als unzulässig verworfen; aus der Sicht des Senats hätte man die objektiv vorliegende Verspätung mit Rücksicht auf den vorangegangenen Geschehensablauf möglicherweise als unverschuldet behandeln müssen. Die Klägerin konnte aber nach dem Gespräch mit dem Berichterstatter vom nicht davon ausgehen, für die Begründung des Rechtsmittels noch eine Frist von 11 Tagen zur Verfügung zu haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 2857 Nr. 39
FAAAB-98220
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja