Leitsatz
[1] Der Miteigentümer eines Grundstücks kann den/die anderen Miteigentümer auf Einräumung einer Baulast in Anspruch nehmen, wenn die Bewilligung der Baulast notwendig ist, um ihm eine bestimmungsgemäße Nutzung des gemeinschaftlichen Grundstücks zu ermöglichen, die Grenze des § 745 Abs. 3 BGB gewahrt bleibt und die angestrebte Regelung nach billigem Ermessen dem Interesse aller Teilhaber entspricht (Bestätigung des Sen.Urt. v. - II ZR 107/90, WM 1991, 821, 822 und 823).
Gesetze: BGB § 743 Abs. 2; BGB § 745 Abs. 2; BGB § 745 Abs. 3
Instanzenzug: LG Wuppertal
Tatbestand
Die Parteien sind Miteigentümer einer Wegparzelle (Flurstück 175), die gemeinsam mit dem östlich angrenzenden, im Eigentum der Stadt S. stehenden Grundstück den "B.weg" in S.-W. bildet. Zwischen 1950 und 1960 befestigten und asphaltierten die Beklagten diese Wegparzelle, die seither als Zugang und Zufahrt zu ihren nördlich des Weges gelegenen Hausgrundstücken dient. Ob über das Gemeinschaftsgrundstück auch die Wasserver- und Abwasserentsorgung der Anwesen der Beklagten verläuft, ist zwischen den Parteien umstritten. Der südwestliche Randbereich des im Gemeinschaftseigentum stehenden Teils des B.wegs besteht aus einer bewachsenen Böschung. Das im Süden angrenzende, unbebaute Grundstück der Klägerin (Flurstück), welches zum B.weg hin stark abfällt, bildete früher mit einem noch weiter südlich gelegenen Grundstück (Flurstück) eine Einheit und wurde insgesamt über die Straße "F." erschlossen. Nach der Teilung in zwei Grundstücke und dem Verkauf des südlichen Grundstücks verfügt der der Klägerin verbliebene Teil (Flurstück) nicht mehr über einen unmittelbaren Zugang zur Straße "F.". Im Vorbescheid vom wies die Stadt S. die Klägerin darauf hin, daß eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zum öffentlichen Teil des B.wegs nachzuweisen sei.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten die Abgabe der zur Eintragung einer öffentlich-rechtlichen Baaulast gegenüber der Stadt S.erforderlichen Erklärungen in bezug auf Zugang und Zufahrt zu ihrem Grundstück über das gemeinschaftliche Eigentum sowie die Duldung der Verlegung, Wartung und Nutzung von Bewässerungsleitungen. Das Berufungsgericht hat - wie schon zuvor das Landgericht - die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, mit der sie ihr Klageziel weiterverfolgt.
Gründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I. Das Berufungsgericht meint, einer Einräumung des begehrten Leitungsrechts bedürfe es nicht, weil der notwendige Anschluß auch von Süden über das Gebiet "F." vorgenommen werden könne und die bestimmungsgemäße Nutzung des klägerischen Grundstücks insofern gewährleistet sei. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch darauf, daß ihr auf dem Gemeinschaftsgrundstück ein Geh- und Fahrrecht eingeräumt werde. Zum einen sei nicht nachgewiesen, daß eine bestimmungsgemäße Nutzung ihres Grundstücks eine solche Zuwegung voraussetze; denkbar sei auch eine Erschließung von Süden mittels eines Notwegrechts. Zum anderen stehe der von der Klägerin begehrten Nutzung die Regelung des § 745 Abs. 3 BGB entgegen, weil durch eine solche Nutzung das gemeinsame Eigentum in seiner Gestalt und seiner Zweckbestimmung einschneidend verändert würde.
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht stellt rechtsfehlerhaft darauf ab, ob die bestimmungsgemäße Nutzung des Grundstücks der Klägerin gewährleistet ist, und nimmt ohne ausreichende Tatsachengrundlage an, die von der Klägerin verlangte Nutzung der Wegparzelle überschreite die Grenzen des § 745 Abs. 3 BGB.
II. Im Ausgangspunkt zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats geht das Berufungsgericht davon aus, daß der gegen die übrigen Miteigentümer geltend gemachte Anspruch gemäß §§ 743 Abs. 2, 745 Abs. 2 BGB dann besteht, wenn ohne die Bewilligung einer Baulast eine bestimmungsgemäße Nutzung des gemeinschaftlichen Grundstücks durch die klagende Teilhaberin nicht gewährleistet werden kann, die Grenze des § 745 Abs. 3 BGB gewahrt bleibt und die angestrebte Regelung nach billigem Ermessen dem Interesse aller Teilhaber entspricht (vgl. Sen.Urt. v. - II ZR 107/90, WM 1991, 821, 822 und 823). Anders als die Revisionserwiderung annimmt, steht der Beschluß der Beklagten vom der Anwendung dieser Grundsätze nicht entgegen. Der Beschluß enthält nur die - ablehnende - Entscheidung der Beklagten über die Bitte der Klägerin um Bewilligung einer Baulast, nicht aber eine Entscheidung der Miteigentümergemeinschaft über die Verwaltung und Benutzung des Gemeinschaftseigentums nach § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB.
1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch auf Einräumung einer Baulast hinsichtlich der Duldung der Verlegung, Nutzung und Wartung von Bewässerungsleitungen jedoch mit fehlerhafter Begründung verneint. Bei dem Anspruch aus §§ 743 Abs. 2, 745 Abs. 2 BGB geht es darum, ob die Baulastbewilligung notwendig ist, um den bestimmungsgemäßen Mitgebrauch der im Gemeinschaftseigentum stehenden Wegparzelle durch die Klägerin als Miteigentümerin zu ermöglichen (vgl. Senat aaO 823 m.w.N.). Daher scheitert der Anspruch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht daran, daß eine Verlegung der Leitungen auch anderweitig möglich wäre. Soweit es unter Hinweis auf das Schreiben des Bauaufsichtsamtes vom meint, die Stadt S. verlange in bezug auf die Leitungsdurchführung die Eintragung einer Baulast nicht, übersieht es, daß die Frage der Wasserversorgung von der Baubehörde bislang ausdrücklich nicht geprüft worden ist. Aus § 4 Abs. 1 Nr. 2 BauO NW, auf den in dem genannten Schreiben verwiesen wird, folgt jedenfalls, daß auch die Versorgung mit Trink- und Löschwasser sichergestellt sein muß, was durch Eintragung einer entsprechenden Baulast nach § 83 BauO NW geschehen kann.
2. Rechtsfehlerhaft begründet ist auch die Ablehnung des Anspruchs auf Bewilligung einer Zugangs- und Zufahrtsbaulast.
a) Verfehlt ist bereits der Ansatz, wonach die Notwendigkeit einer Zufahrt über die Wegparzelle (Flurstück) für die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks nicht näher dargetan sei, ein Zugang vielmehr auch über die südlich gelegene Parzelle möglich und mittels eines Notwegrechts durchsetzbar sein könnte. Wie bereits oben unter 1. ausgeführt wurde, kommt es nicht auf die bestimmungsgemäße Nutzung des Klägergrundstücks, sondern diejenige des Gemeinschaftseigentums an. Zudem geht es nicht an, die Klägerin als Miteigentümerin der Wegparzelle auf die Inanspruchnahme eines Notwegrechts zu verweisen, welches seinerseits gerade das Fehlen einer Verbindung zu einem öffentlichen Weg voraussetzt. Hinzu kommt schließlich, daß sich die Erforderlichkeit einer Baulastbewilligung schon aus der entsprechenden Aufforderung der Baubehörde ergibt. Angesichts dessen wäre es der Klägerin nicht zuzumuten, sich auf die mangels Beibringung der Baulastbewilligung zu erwartende Ablehnung ihres Antrags einzulassen und diese Entscheidung verwaltungsgerichtlich anzufechten (vgl. Senat aaO 823 m.w.N.).
b) Die bisher getroffenen tatrichterlichen Feststellungen rechtfertigen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts noch nicht den Schluß, die von der Klägerin begehrte Zufahrt- und Zugangsmöglichkeit und deren öffentlich-rechtliche Sicherung führten zu einer die Grenzen des § 745 Abs. 3 BGB überschreitenden wesentlichen Änderung des Gemeinschaftseigentums. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB liegt nur dann vor, wenn durch die begehrte Maßnahme die Zweckbestimmung oder die Gestalt des Gemeinschaftseigentums einschneidend verändert würde (Senat aaO 823; vgl. auch Staudinger/Langhein, BGB (2002) § 745 Rdn. 11; MünchKomm/K. Schmidt, BGB 4. Aufl. §§ 744, 745 Rdn. 25). Daß die hier notwendigen Änderungen von solch erheblichem Gewicht wären, daß man sie als einschneidend und damit im Rahmen des § 745 Abs. 2, 3 BGB als nicht einforderbar ansehen müßte, ist nicht zu erkennen.
Die Zweckbestimmung des als Verkehrsfläche genutzten Weges würde sich im Ergebnis lediglich dahin ändern, daß dieser nunmehr auch für einen weiteren Miteigentümer als Erschließung zu dessen im Süden des Weges gelegenen Grundstück diente. Daß hierin - etwa durch das zu erwartende, geringfügig höhere Verkehrsaufkommen und die damit einhergehende stärkere Belastung des Weges, der allerdings auch bislang schon von der Klägerin befahren werden darf - eine erhebliche Veränderung der wirtschaftlichen Bestimmung des Gemeinschaftseigentums liegt, kann nicht angenommen werden. Es ist auch zu berücksichtigen, daß der Weg bisher offenbar nur deshalb allein von den nördlichen Anliegern als Zufahrt zu ihren Grundstücken genutzt wird, weil für die übrigen Miteigentümer ein entsprechender Bedarf nicht bestand. Die derzeit auf die Erschließung der Beklagtengrundstücke beschränkte Nutzung beruht weder auf einem der Beschaffenheit des Gemeinschaftseigentums anhaftenden Umstand noch auf einer bewußten Regelung aller Teilhaber oder einem Verzicht der übrigen Miteigentümer. Ferner ist unstreitig, daß der vorhandene Grünstreifen im Westen bereits jetzt an zwei Stellen durchbrochen wird, um einzelnen Miteigentümern dort gleichfalls als Verkehrs- bzw. Abstellfläche zu dienen.
In welchem Ausmaß sich die äußere Gestalt der Wegparzelle durch die Schaffung einer Zufahrt zum Klägergrundstück verändern würde, ist anhand der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen nicht hinreichend deutlich. Zur Klärung wäre - wie von den Parteien im Laufe des Verfahrens mehrfach erfolglos angeregt und beantragt - eine Augenscheinseinnahme vor Ort vorzunehmen und erforderlichenfalls ein Sachverständigengutachten einzuholen.
III. Da dem Senat danach eine Entscheidung in der Sache selbst nicht möglich ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die nach den obigen Ausführungen notwendigen Feststellungen nachgeholt werden. Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. Gebrauch gemacht.
Nach tatrichterlicher Klärung der aufgeworfenen Fragen sind gegebenenfalls die wechselseitigen Interessen der Parteien im Rahmen einer Gesamtabwägung einander gegenüberzustellen (vgl. Senat aaO 824). Dabei wäre zugunsten der Klägerin insbesondere zu berücksichtigen, daß nach den Vorgaben der Baubehörde die Bebaubarkeit ihres Grundstücks und damit eine erhebliche Wertsteigerung ihres Eigentums von der Schaffung einer Zugangs- und Zufahrtsmöglichkeit über den Gemeinschaftsweg und deren öffentlich-rechtlicher Sicherung abhängt. Zudem fiele ins Gewicht, daß die beklagten Miteigentümer eine vergleichbare Nutzung bereits seit Jahrzehnten in Anspruch nehmen. Ferner wäre in die Abwägung der Umstand einzubeziehen, daß die Klägerin als Miteigentümerin nach der Vorschrift des § 748 BGB mit der Kostentragungspflicht hinsichtlich der Erhaltung, Verwaltung und Nutzung des Gemeinschaftseigentums belastet ist, ohne hierfür einen demjenigen der Beklagten vergleichbaren Vorteil zu erhalten.
Auf der anderen Seite werden neben der im Verhältnis zu den Beklagten geringfügigeren Beteiligung der Klägerin am Gemeinschaftseigentum vor allem die für die Schaffung und Erhaltung der Zufahrt zum Klägergrundstück entstehenden, grundsätzlich von der Gemeinschaft zu tragenden Kosten zu beachten sein. In diesem Zusammenhang wird allerdings auch die von der Klägerin im
Laufe des Verfahrens gegebene Zusage Berücksichtigung finden müssen, die Beklagten von diesbezüglichen Kosten freizustellen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2004 S. 2150 Nr. 40
DStR 2004 S. 1056 Nr. 25
CAAAB-98153
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja