Leitsatz
[1] Die Regelungen der §§ 327 a ff. AktG (sog. "Squeeze out") sind verfassungsgemäß.
Gesetze: AktG § 327 a ff.
Instanzenzug: LG Hannover 26 O 6/03 vom OLG Celle 9 U 101/03 vom
Gründe
Die von der Revision aufgeworfene Frage der Verfassungswidrigkeit der §§ 327 a ff. AktG ist nicht klärungsbedürftig, weil sich die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt. Die Revision hat dementsprechend auch keine Erfolgsaussicht.
Die Revision sieht selbst, daß das Hinausdrängen von Minderheitsaktionären (sog. "Squeeze out") im Verfahren gemäß §§ 327 a ff. AktG nach den Grundsätzen der Entscheidung des , ZIP 2000, 1670 = NJW 2001, 279) verfassungsrechtlich unter dem Blickwinkel des Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden ist, wenn die Aktionäre dafür wirtschaftlich "voll" entschädigt werden. Dies ist durch die gesetzliche Regelung hinreichend gewährleistet.
1. Daß die Abfindung in einem ersten Schritt von dem Hauptaktionär als Schuldner festgelegt wird (§ 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG), ist ohne Bedeutung, weil ihre Angemessenheit gemäß § 327 c Abs. 2 Satz 2, 3 AktG durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer zu prüfen ist; diese werden auch nicht von dem Hauptaktionär, sondern auf seinen Antrag vom Gericht ausgewählt und bestellt. Durch die Verweisung in § 327 c Abs. 2 Satz 4 AktG auf die für Abschlußprüfer geltenden Bestimmungen (§ 293 d AktG i.V.m. §§ 319 Abs. 1-3, 323 HGB) ist sichergestellt, daß es sich um unabhängige Prüfer handelt (vgl. auch §§ 43 ff. WPO). Damit hat das Gesetz geeignete Maßnahmen ergriffen, um das Interesse des Hauptaktionärs an einer möglichst niedrigen Abfindung nicht zur Geltung kommen zu lassen. Soweit die Revision auf die "in den letzten Jahren mit Wirtschaftsprüfern gemachten Erfahrungen" (§ 291 ZPO) verweist, kann das nicht dazu führen, einen ganzen Berufsstand in Mißkredit zu bringen, der wie wohl kaum ein anderer über die hier erforderliche Sachkunde hinsichtlich der Unternehmensbewertung verfügt und zur Objektivität verpflichtet ist. Bezeichnenderweise vermag auch die Revision einen geeigneteren Berufsstand nicht anzugeben. Gegenüber einer schuldhaften Falschbewertung des Prüfers ist der Aktionär zudem durch Schadensersatzansprüche gemäß §§ 327 c Abs. 2 Satz 4, 293 d Abs. 2 AktG, 323 HGB geschützt (vgl. Hüffer, AktG 6. Aufl. § 293 d Rdn. 5).
2. Hinzu kommt, daß der Gesetzgeber mit dem Spruchverfahren eine weitere - gerichtliche - Überprüfungsmöglichkeit geschaffen hat, welche nach dem aaO schon für sich allein die von Verfassungs wegen gebotene "Sicherung dafür" bietet, "daß ein zum Ausscheiden gezwungener Aktionär erhält, was seine gesellschaftliche Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist" (vgl. auch BVerfGE 100, 289, 303). Entgegen der Ansicht der Revision fordert das Bundesverfassungsgericht damit nicht, daß die effektive Zahlung der Abfindung durch eine absolut insolvenzfeste Sicherheit gewährleistet werden müsse. Fehl geht es deshalb, soweit die Revision als verfassungswidrig bemängelt, daß die Zahlung der festgelegten Barabfindung gemäß § 327 b Abs. 3 AktG "nur" durch eine von dem Hauptaktionär beizubringende Garantieerklärung eines in Deutschland zugelassenen Kreditinstituts gesichert werde, weil ein solches Kreditinstitut auch wirtschaftlich zusammenbrechen könne. "Wirtschaftlich zusammenbrechen" kann auch die Gesellschaft, welcher der Aktionär angehört. Eine Insolvenzgefahr besteht bei öffentlich-rechtlichen Banken wegen der Gewährträgerhaftung ohnehin nicht und ist auch bei anderen Kreditinstituten bekanntlich gering. Der Gesetzgeber muß nicht für alle theoretisch denkbaren Möglichkeiten Vorsorge treffen. Angesichts der ihm nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zukommenden Einschätzungsprärogative ist § 327 b Abs. 3 AktG insoweit von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
3. Ebensowenig ist es - entgegen der Ansicht der Revision - verfassungswidrig, daß § 327 b Abs. 3 AktG bei wörtlicher Auslegung eine Sicherung durch Bankgarantie nur für die vom Hauptaktionär festgelegte (und durch einen Prüfer bestätigte) Abfindung, nicht aber für einen eventuellen, im Spruchverfahren gerichtlich festgesetzten Mehrbetrag vorschreibt und der Hauptaktionär als Schuldner während des u.U. Jahre dauernden Spruchverfahrens in Vermögensverfall geraten kann. Das Risiko einer Insolvenz des Zahlungspflichtigen ist ein allgemeines Gläubigerrisiko, vor dem ein Aktionär bei anderen Strukturmaßnahmen sogar insgesamt nicht geschützt wird (vgl. OLG Hamburg NZG 2003, 539, 543; 2003, 978 f.). So hat das , NJW 1999, 1699) die Regelungen der §§ 291 ff. AktG, die ebenfalls in die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition der außenstehenden Aktionäre einer Aktiengesellschaft eingreifen, für verfassungsgemäß erklärt, ohne die gänzlich fehlende Insolvenzsicherung für Ausgleichs- und Abfindungsansprüche nach §§ 304, 305 AktG zu rügen (vgl. dazu BVerfGE 14, 263, 287). Sonach ist die fehlende Insolvenzsicherung des bloßen (eventuellen) Mehrbetrages, um den es hier geht, von Verfassungs wegen erst recht nicht zu beanstanden, zumal die in § 327 c Abs. 2 Satz 2 AktG vorgeschriebene Angemessenheitsprüfung durch unabhängige Prüfer (vgl. oben 1) eine Gewähr dafür bietet, daß es im Spruchverfahren im Regelfall nicht zu erheblichen Mehrbeträgen kommen wird. Andererseits wäre die von der Revision geforderte Bankgarantie in unbestimmter Höhe wenig praktikabel, weil auf seiten der Kreditinstitute dazu aus grundsätzlichen Erwägungen nur eine geringe Bereitschaft besteht (vgl. Hasselbach in Kölner Komm.z.WpÜG § 327 b AktG Rdn. 31).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AG 2005 S. 527 Nr. 23
BB 2005 S. 2651 Nr. 49
BBV-Kurznachricht Nr. 1/2006 S. 8
DB 2005 S. 2567 Nr. 47
DStR 2006 S. 198 Nr. 5
WM 2006 S. 286 Nr. 6
WPg 2006 S. 384 Nr. 6
HAAAB-98001
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja