Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 858; BGB § 861; BGB § 864 Abs. 2; BGB § 935; BGB § 1006 Abs. 1 Satz 1; BGB § 1006 Abs. 2; BGB § 1007 Abs. 3 Satz 2; BGB §§ 987 ff.; ZPO § 286; ZPO § 563 Abs. 1 Satz 2
Instanzenzug:
Tatbestand
Die Parteien streiten um Herausgabeansprüche bezüglich eines Pkw VW Passat Kombi, sowie um die Verpflichtung des Beklagten, Nutzungsentschädigung an den Kläger zu zahlen. Beide Parteien behaupten, Eigentümer des Pkw zu sein.
Der Beklagte hat am einer Frau M., die als Halterin des Pkw in dem Kfz-Brief eingetragen war, ein Darlehen über 3.000,00 DM gewährt. Er erhielt von Frau M. am selben Tag einen von ihr geschriebenen und unterschriebenen Schuldschein, in dem zum einen erwähnt ist, daß Frau M. dem Schuldscheininhaber 3.000,00 DM schuldet und dieser als Sicherheit den Kfz-Brief und einen Schlüssel des Fahrzeugs erhält. Weiter heißt es sodann: "Die Rückzahlung beginnt im März 2000 und ist bis Ende Mai 2000 abgeschlossen. Bei Nichteinhaltung des Rückzahlungstermins und Schuldsumme geht das Kfz ... in Eigentum und Besitz des Schuldscheininhabers über. Der Kfz-Brief und der Zweitschlüssel vom Kfz werden dem Schuldscheininhaber bei Unterzeichnung ausgehändigt".
Der Schlüssel wurde dem Beklagten am selben Tag ausgehändigt, der Kfz-Brief verblieb entgegen der Absprache in der Folgezeit bei Frau M..
Nachdem die Rückzahlung des Darlehens nicht erfolgte, brachte der Beklagte am den Pkw am Arbeitsplatz des Klägers mit Hilfe des Zweitschlüssels in seinen Besitz.
Der Kläger, der am als Halter in den Kfz-Brief eingetragen wurde, behauptet, Frau M. habe ihm ca. eine Woche vor dem den Pkw übereignet. Er begehrt mit der Klage Herausgabe des Pkw, Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 1.903,02 € für die Zeit vom 13. Juni bis , sowie die Feststellung, daß der Beklagte ihm gegenüber zur Zahlung von Nutzungsentschädigung ab dem bis zur Herausgabe des Pkw verpflichtet ist.
Das Landgericht hat der Herausgabeklage stattgegeben und die auf Nutzungsentschädigung gerichteten Klageanträge abgewiesen. Beide Parteien haben dagegen Berufung eingelegt, mit der sie jeweils ihre erstinstanzlich abgewiesenen Anträge weiterverfolgen; der Beklagte hat zusätzlich Eventualwiderklage erhoben auf Feststellung, daß er Eigentümer des Pkw sei.
Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Herausgabeklage abgewiesen und die Eventualwiderklage zugesprochen. Auf die Berufung des Klägers hat es den Beklagten zur Zahlung der beantragten Nutzungsentschädigung verurteilt und den auf zukünftige Nutzungsentschädigung gerichteten Feststellungsantrag zugesprochen.
Der Beklagte begehrt mit seiner vom Senat zugelassenen Revision die Abweisung der Klageanträge bezüglich der Nutzungsentschädigung. Der Kläger erstrebt mit seiner Anschlußrevision die Herausgabe des Pkw sowie die Abweisung der Eventualwiderklage.
Gründe
Die Revision des Beklagten und die Anschlußrevision des Klägers sind begründet und führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Der Kläger habe keinen Herausgabeanspruch gegen den Beklagten gemäß § 861 BGB. Zwar liege eine verbotene Eigenmacht des Beklagten i.S. des § 858 BGB vor. Der Anspruch aus § 861 BGB sei jedoch gemäß § 864 Abs. 2 BGB erloschen, da auf die Feststellungswiderklage des Beklagten dessen Eigentum festgestellt werde. Einen eigenen Eigentumserwerb habe der Kläger nicht bewiesen. Zugunsten des Beklagten spreche die Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die zugunsten des Klägers sprechende Vermutung des § 1006 Abs. 2 BGB habe der Beklagte widerlegt, indem er durch die Vorlage des Schuldscheins vom dargetan und bewiesen habe, daß er (Sicherungs-)Eigentümer des Pkw geworden sei. Da der Kläger jedoch bis zur rechtskräftigen Feststellung des Eigentums des Beklagten aus § 861 BGB besitzberechtigt gewesen sei, stehe ihm gegen den Beklagten ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung gemäß § 1007 Abs. 3 Satz 2 BGB i.V.m. §§ 987 ff. BGB zu.
II. Die Revision des Beklagten ist begründet. Ist, wovon das Berufungsgericht ausgeht, der Beklagte Eigentümer des Pkw geworden und geblieben, hat der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung. Die Voraussetzungen des § 1007 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. §§ 989 ff. BGB sind entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht erfüllt. Dem ursprünglichen Besitzer steht gegen den (zum Besitz berechtigten) Eigentümer auch dann kein Anspruch aus §§ 1007 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. 989 ff. BGB zu, wenn der unmittelbare Eigenbesitz des Eigentümers durch verbotene Eigenmacht erlangt wurde. Zwar formt § 1007 Abs. 3 Satz 2 BGB die Regelungen über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis dergestalt um, daß bei einer Vindikationslage der ursprüngliche Besitzer an die Stelle des Eigentümers tritt. Einem Anspruch aus § 1007 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. §§ 989 ff. BGB steht jedoch entgegen, daß ihm gegenüber, wie die Verweisung auf § 986 BGB zeigt, petitorische Einwendungen erheblich sind (, BGHZ 114, 305, 312 ff. m.w.N.; Münch.Komm.BGB/Medicus, 4. Aufl. § 1007 Rdn. 7; Staudinger/Gursky, BGB [1999] § 1007 Rdn. 1, 18, 36 jeweils m.w.N.).
Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagte Eigentümer des Pkw geblieben ist (s.u. III).
III. Die Anschlußrevision des Klägers ist ebenfalls begründet.
1. Im Ergebnis zutreffend, wenn auch nicht frei von Rechtsfehlern, sind die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Erwerb des Sicherungseigentums des Beklagten.
Das Berufungsgericht hat die für einen Eigentumsübergang auf den Beklagten neben der Einigung erforderliche Übergabe des Fahrzeugs gemäß § 929 BGB nicht fehlerfrei festgestellt. Der von dem Berufungsgericht angenommene unmittelbare Besitzerwerb im Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung, den es darin begründet sehen will, daß dem Beklagten durch die Aushändigung des Zweitschlüssels die Zugriffsmöglichkeit auf den Pkw eröffnet war, reicht zur Begründung eines Besitzübergangs i.S. des § 929 BGB nicht aus (, NJW 1979, 714 m.w.N.; Münch.Komm. BGB/Quack, 4. Aufl. § 929 Rdn. 111, 115 ff.; Erman/Michalski, BGB 11. Aufl. § 929 Rdn. 10). Die gemäß §§ 133, 157 BGB an den Parteiinteressen auszurichtende Auslegung des Schuldscheins ergibt jedoch, daß der Beklagte am durch Einigung gemäß § 929 BGB und Vereinbarung eines Besitzkonstituts gemäß § 930 BGB Sicherungseigentum an dem Pkw erworben hat. Der Senat kann die Auslegung selbst vornehmen, da die dazu erforderlichen Feststellungen bereits zweitinstanzlich getroffen worden sind und weitere Aufklärung nicht mehr in Betracht kommt (, NJW 1991, 1180; Urt. v. - V ZR 250/96, NJW 1998, 1219).
Entgegen der Ansicht der Anschlußrevision scheitert die Annahme des Besitzmittlungsverhältnisses nicht daran, daß sich aus der Vereinbarung der Parteien keine konkreten Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Sicherungsgut ergeben. Zur Annahme eines Besitzmittlungsverhältnisses genügt im Ergebnis jedes besitzbegründende Rechtsverhältnis. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe nur , NJW 1979, 2308 f.), der die überwiegende Literaturmeinung folgt (siehe die Nachw. bei Staudinger/Wiegand, BGB [1995] Anh. zu §§ 929-931 Rdn. 87), wird das gemäß § 930 BGB erforderliche Besitzmittlungsverhältnis aus der Sicherungsabrede (stillschweigend) abgeleitet, auch wenn diese keine ausdrückliche Regelungen über Rechte und Pflichten enthält.
Die Vereinbarung kann entgegen der Ansicht der Anschlußrevision auch nicht im Sinne einer bedingten Übereignung ausgelegt werden. Zwar ist grundsätzlich die Begründung von Sicherungseigentum auch durch eine bedingte Übereignung möglich. Eine solche ist im Rahmen der Begründung von Sicherungseigentum jedoch im allgemeinen nicht anzunehmen, vielmehr muß hierfür ein Anhaltspunkt in dem Parteivorbringen gegeben sein (, NJW 1984, 1184; Urt. v. - IX ZR 9/90, NJW 1991, 353, 354). Dies folgt daraus, daß eine bedingte Übereignung den Sicherungsinteressen des Sicherungsnehmers nicht ausreichend gerecht wird, so daß es der Feststellung besonderer Umstände in den Parteierklärungen bedarf, wonach der Sicherungsnehmer - ausnahmsweise - auf seine relativ unangreifbare Sicherung für den Fall der Nichterfüllung der Forderung verzichtet.
Anhaltspunkte dafür, daß Frau M. und der Beklagte hier von dem Normalfall der Sicherungsübereignung abweichen wollten, ergeben sich weder aus dem Inhalt ihrer Vereinbarung noch aus dem sonstigen Parteivorbringen. Insbesondere reicht dafür nicht aus, daß die Nichteinhaltung der Rückzahlungsverpflichtung als Bedingungseintritt für den Eigentumserwerb genannt wird. Dies ist bei der Vereinbarung von Sicherungseigentum mittels Besitzkonstitut durchaus üblich und besagt lediglich, daß sich mit Eintritt des Sicherungsfalls das Treuhandeigentum in vollwertiges (Verwertungs-)Eigentum umwandelt.
2. Das Berufungsgericht verkennt jedoch, daß die Vermutungswirkung aus § 1006 Abs. 2 BGB für das Eigentum des Klägers spricht und diese Vermutung durch den Nachweis des Erwerbs des Sicherungseigentums des Beklagten nicht widerlegt ist.
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Kläger am , als der Beklagte den Pkw eigenmächtig an sich gebracht hat, Besitzer des Pkw gemäß § 854 BGB. Diesen Besitz hat er durch die Wegnahme des Beklagten unfreiwillig verloren, so daß für den Kläger die Vermutung des § 1006 Abs. 2 BGB streitet. Infolgedessen wird zu seinen Gunsten ohne weiteres vermutet, daß er von Beginn seiner Besitzzeit an Eigenbesitzer gewesen ist und daß er mit dem Besitzerwerb zugleich Eigentümer geworden ist (st.Rspr., s. nur , LM BGB § 1006 Nr. 14; Urt. v. - VIII ZR 305/87, NJW-RR 1989, 651, 652). Diese Vermutung kann der Beklagte nur durch den Beweis des Gegenteils (§ 292 ZPO) zu voller - freilich gemäß § 286 ZPO auch aus den Gesamtumständen zu gewinnender - Überzeugung des Gerichts widerlegen (Senat, Urt. v. - II ZR 37/00, NJW 2002, 2101, 2102 m.w.N.). Der Beklagte muß folglich beweisen, daß der vermutungsbegünstigte Kläger nie Eigentümer geworden ist (, ZIP 2003, 2247, 2250; Staudinger/Gursky, BGB [1999] § 1006 Rdn. 38; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, Bd. II, 2. Aufl. § 1006 Rdn. 18 m.w.N.). Er hat daher entweder den Nachweis zu erbringen, daß es zwischen Frau M. und dem Kläger keine Einigung über einen Eigentumsübergang auf den Kläger gegeben hat, oder daß der Kläger im Zeitpunkt des Erwerbs bösgläubig war. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb ist hier nicht von vornherein ausgeschlossen, da die Weggabe durch die Besitzmittlerin M. nicht zu einem Abhandenkommen des Pkw gemäß § 935 BGB auf seiten des Beklagten geführt hat (, WM 1969, 656, 657) und der Kfz-Brief, dessen Fehlen bei der Übereignung den guten Glauben des Klägers ausgeschlossen hätte (, NJW 1978, 1854; Senat, Urt. v. - II ZR 196/93, NJW 1994, 2022, 2023; Senat, Urt. v. - II ZR 222/95, ZIP 1996, 1384, 1385), ebenfalls übergeben wurde.
b) Da somit aufgrund der bisherigen Feststellungen die zugunsten des Klägers sprechende Eigentumsvermutung nicht widerlegt ist, war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
Eine eigene Sachentscheidung (§ 563 Abs. 3 ZPO) konnte der Senat nicht treffen, da die Frage, ob die Eigentumsvermutung zugunsten des Klägers Bestand hat, weiterer Sachaufklärung bedarf. Die sich aus § 1006 Abs. 2 BGB ergebenden Folgerungen sind bislang von allen Prozeßbeteiligten verkannt worden, so daß den Parteien Gelegenheit gegeben werden muß, hierzu weiter vorzutragen. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht weiter Gelegenheit, den Vortrag der Parteien darauf zu überprüfen, ob der Beklagte möglicherweise schon die Vermutungsgrundlage, nämlich den Eigenbesitz des Klägers, widerlegt hat (s. dazu Staudinger/Gursky aaO; Baumgärtel aaO Rdn. 9 m.w.N.). Wird die Eigenbesitzvermutung gemäß § 286 ZPO zur Überzeugung des Berufungsgerichts widerlegt, streitet § 1006 Abs. 2 BGB nicht zugunsten des Klägers (, BGHZ 73, 355, 361; Staudinger/Gursky aaO Rdn. 7 m.w.N.). Das Berufungsgericht wird bei der erneuten Entscheidung auch zu berücksichtigen haben, daß die Höhe einer eventuell zu zahlenden Nutzungsentschädigung begrenzt ist durch den Wert des Pkw im Zeitpunkt der Wegnahme.
IV. Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird bis zum auf 26.258,51 €, danach auf 35.394,01 € festgesetzt.
Fundstelle(n):
GAAAB-97988
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein