Leitsatz
[1] Eine Genehmigung i.S. der §§ 1001, 1002 BGB erfordert lediglich das Einverständnis zwischen Eigentümer und Besitzer hinsichtlich der Vornahme bestimmter Verwendungen. Sie kann daher nicht nur als nachträgliche Zustimmung (§ 184 BGB), sondern auch vor der Durchführung der Verwendungen als Einwilligung (§ 183 BGB) erteilt werden.
Gesetze: BGB § 1001 Satz 1 2. Alt.; BGB § 1002 Abs. 1
Instanzenzug: OLG Dresden vom LG Dresden
Tatbestand
Die Klägerin, ein Leasingunternehmen, begehrt vom Beklagten, der eine Autoreparaturwerkstatt betreibt, die Zahlung einer Nutzungsentschädigung wegen Vorenthaltens eines ihr gehörenden Pkw.
1997 hatte die Klägerin dem Leasingnehmer O. ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt, welches dieser nach dem Leasingvertrag in einem betriebs- und verkehrssicheren Zustand zu halten sowie fällige Wartungsarbeiten pünktlich und erforderliche Reparaturen unverzüglich durch einen vom Hersteller anerkannten Betrieb reparieren zu lassen hatte. Nach einem Unfall vom verbrachte der Leasingnehmer das Fahrzeug in die Werkstatt des Beklagten, um es dort zunächst begutachten zu lassen. Mit einem an den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners gerichteten Schreiben vom , das sie auch dem Beklagten übersandte, teilte die Klägerin mit, daß sie mit einer Weiterleitung von Entschädigungsleistungen des Fahrzeugversicherers an die Werkstatt oder den Leasingnehmer nach Vorlage der Reparaturrechnung einverstanden sei. Daraufhin beauftragte der Leasingnehmer am den Beklagten mit der Durchführung der Reparatur und erhielt das Fahrzeug am zurück. Auf die vom Beklagten in Rechnung gestellten Reparatur- und Mietwagenkosten in Höhe von 10.283,26 DM zahlte die Versicherung lediglich 8.864,83 DM.
Am brachte der Leasingnehmer O. den Pkw erneut zum Beklagten; diesmal wegen eines vermuteten Motorschadens. Für die Fehlersuche berechnete der Beklagte 78,88 DM. Der Leasingnehmer hatte der Klägerin kurz zuvor erklärt, zahlungsunfähig zu sein und zahlte ab auch keine Leasingraten mehr, worauf die Klägerin am den Leasingvertrag fristlos kündigte und den Beklagten aufforderte, das Fahrzeug bis zur Abholung bereitzustellen. Dieser verweigerte jedoch die Herausgabe im Hinblick auf die noch ausstehenden Zahlungen aus den durchgeführten Werkarbeiten vom Juni und August. Auch nachdem die Klägerin den Betrag von 78,88 DM am gezahlt hatte, gab der Beklagte das Fahrzeug nicht heraus. Dies geschah erst am im Laufe eines Herausgabeprozesses.
Das Landgericht hat der Klage auf Nutzungsentschädigung für die Vorenthaltung des Pkw überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht zu, da der Beklagte sich mit Erfolg für den fraglichen Zeitraum auf ein Zurückbehaltungsrecht an dem Fahrzeug wegen von ihm darauf vorgenommener Verwendungen beruft.
1. Der Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Verwendungsersatz nach § 994 Abs. 1 Satz 1 BGB.
a) Zutreffend hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall die §§ 994 ff. BGB unter Berufung auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (grundlegend BGHZ 34, 122, 127 ff.; vgl. auch BGHZ 131, 220, 222; zuletzt , zur Veröffentlichung in BGHZ 148, 322 bestimmt) für anwendbar gehalten.
b) Die vom Beklagten vorgenommenen Reparaturarbeiten stellen zur Wiederherstellung des beschädigten Pkw aufgewendete, vermögenswerte Leistungen dar. Sie sind damit Verwendungen i.S. der §§ 994 ff. BGB (vgl. BGHZ 34, 122, 127/128). Ihre Notwendigkeit auch dem Umfang nach wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.
c) Ausgeschlossen ist die Anwendung der §§ 994 ff. BGB nur dann, wenn zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer der Sache zu keinem Zeitpunkt eine Vindikationslage bestanden hat (BGHZ 34, 122, 129). War hingegen der Besitzer zum Zeitpunkt der Vornahme der Verwendungen zum Besitz berechtigt, ist aber später eine Vindikationslage eingetreten, steht es dem unrechtmäßigen Fremdbesitzer frei, gemäß §§ 994 ff. BGB Ersatz der von ihm getätigten Verwendungen vom Eigentümer zu verlangen; unerheblich ist, wann die Verwendungen erfolgt sind, ob also der Besitzer die Verwendungen bereits zu einem Zeitpunkt vorgenommen hat, als er noch rechtmäßig besessen hat oder ob dies erst nach Eintritt der Vindikationslage geschehen ist (BGHZ 34, 122, 131/132). Entscheidend ist allein, daß Verwendungen vom Besitzer vorgenommen worden sind und er zur Zeit der Geltendmachung der Verwendungsansprüche einem Herausgabeanspruch des Eigentümers ausgesetzt ist. Anderenfalls wäre er in nicht zu rechtfertigender Weise schlechter gestellt als ein im Zeitpunkt der Verwendungsvornahme nicht berechtigter Besitzer (BGHZ 34, 122, 132).
Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil und soweit der unrechtmäßige Besitzer einen - hier aufgrund der Insolvenz des Leasingnehmers allerdings kaum realisierbaren - Anspruch aus dem Werkvertrag mit dem Besteller auf Bezahlung der Reparaturkosten hat; der vertragliche Anspruch gegen den Besteller steht in diesem Falle neben dem gegen den Eigentümer gerichteten, der sich aus §§ 994 ff. BGB ergibt (BGHZ 34, 122, 129 u. 131).
2. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen seiner Aufwendungen für die Reparatur des Wagens kann der Beklagte allerdings nicht auf § 1000 BGB stützen. Nach dieser Vorschrift besteht ein Zurückbehaltungsrecht nicht für solche Verwendungen, die im Rahmen früherer Reparaturarbeiten vorgenommen worden sind, nach deren Abschluß das Fahrzeug bereits wieder an den Eigentümer oder den zum Besitz berechtigten Dritten zurückgegeben worden war (BGHZ 51, 250, 253/254; , NJW 1983, 2140).
3. Dem Beklagten stand jedoch ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 2 BGB zu. Er hatte einen fälligen Verwendungsersatzanspruch gegen die Klägerin aus der Reparatur vom Juni 1998. Dies folgt aus der vom Berufungsgericht zutreffend angenommenen Genehmigung (§ 1001 Satz 1 2. Alt. BGB) der im Rahmen dieser Reparatur vorgenommenen Verwendungen durch die Klägerin.
a) Das Berufungsgericht ist im Wege der Auslegung des - auch - an den Beklagten gerichteten Schreibens der Klägerin vom zu dem Ergebnis gelangt, daß hiermit ein Einverständnis mit den anstehenden Reparaturarbeiten erklärt worden ist. Diese tatrichterliche Interpretation ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs revisionsrechtlich nur eingeschränkt auf die Verletzung von gesetzlichen oder allgemein anerkannten Auslegungsregeln (wozu auch der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung zählt), Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen hin überprüfbar (vgl. etwa Sen.Urt. v. - II ZR 194/98, NJW 2000, 2099; BGHZ 131, 136, 138 jeweils m.w.N.).
Danach sind im vorliegenden Fall keine Auslegungsfehler erkennbar. Daß die Klägerin dem Inhalt des Schreibens - wie die Revision ausführt - tatsächlich nur "versicherungstechnische" Bedeutung beigemessen haben will, ist unerheblich. Für die Auslegung ihrer Erklärung kommt es allein darauf an, wie die Mitteilung der Klägerin aus der Sicht des Beklagten, der nicht Versicherer, sondern Werkstattinhaber war, nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu verstehen war.
b) In der Mitteilung der Klägerin, sie sei einverstanden, daß die Versicherungsleistung zur Bezahlung der Reparatur ihres Fahrzeugs verwendet würde, liegt eine Genehmigung i.S. von § 1001 Satz 1 2. Alt. BGB. Der Umstand, daß das Einverständnis der Erteilung des Reparaturauftrages vorangegangen ist, steht dem nicht entgegen.
Zwar scheint der Wortlaut der Norm, der von einer "Genehmigung" spricht, unter welcher nach der Legaldefinition des § 184 Abs. 1 BGB die nachträgliche Zustimmung zu verstehen ist, auf den ersten Blick gegen die Einbeziehung eines bereits vor Verwendungsvornahme erklärten Einverständnisses in den Anwendungsbereich des § 1001 BGB zu sprechen. Die in den §§ 182 ff. BGB vorgegebene Terminologie wird jedoch selbst innerhalb des BGB nicht konsequent durchgehalten. So wird der Begriff der "Genehmigung" häufig - etwa in den §§ 841, 1643, 1819-1822 BGB - entgegen §§ 182 ff. BGB als Oberbegriff für die vorherige und nachträgliche Zustimmung verwendet.
Ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm folglich kein eindeutiges Bild, sind andere Auslegungskriterien heranzuziehen. Betrachtet man die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 1001 BGB, zeigt sich, daß dieser in seiner ursprünglichen Fassung den Verwendungsersatzanspruch erst und nur im Falle der Wiedererlangung der Sache durch den Eigentümer zur Entstehung kommen lassen wollte. Der damalige § 938 Satz 1 des ersten Entwurfs zum BGB lautete: "Die dem Besitzer oder Inhaber nach den Vorschriften der §§ 936, 937 zustehenden Ansprüche sind dadurch bedingt, daß der Eigenthümer die Sache wiedererlangt." Später trat der - in §§ 1001 Satz 3, 1002 Abs. 1 BGB enthaltene - Gedanke hinzu, daß die Verwendungsersatzansprüche nur innerhalb einer kurzen Präklusivfrist bzw. dann einklagbar sein sollten, wenn die Rücknahme unter dem Vorbehalt des von seiten des Besitzers geltend gemachten Erstattungsanspruchs stattgefunden habe (Prot. S. 6045). Der letztgenannte Grundgedanke beruht dabei auf der Auffassung, daß der die dauerhafte Durchsetzbarkeit des Verwendungsersatzanspruchs begründende Umstand das Einigsein der Beteiligten darüber ist, daß der Eigentümer dem Besitzer den diesem nach dem Gesetz zustehenden Betrag zu bezahlen hat (Prot. S. 6046). Eine solche Vereinbarung kann aber auch in anderer Weise als durch nachträgliche Annahme der Sache unter Vorbehalt der Ersatzansprüche erfolgen, weshalb die Rücknahme der unter Vorbehalt angebotenen Sache nur als ein Fall der "Genehmigung" der Verwendung anzusehen ist und die klageweise Durchsetzung des Ersatzanspruchs generell von der Genehmigung der Verwendung durch den Eigentümer abhängig sein soll (Prot. S. 6046). Hieraus entstand die endgültige Fassung der (späteren) §§ 1001, 1002 BGB. Aus alldem folgt, daß der Ausdruck "Genehmigung" vom Gesetzgeber in §§ 1001, 1002 BGB nicht bewußt im Sinne der in § 184 Abs. 1 BGB enthaltenen Definition gewählt wurde. Vielmehr steht der Begriff der Genehmigung, wie er von der Redaktionskommission vorgeschlagen worden war, an dieser Stelle als Synonym für ein Einverständnis zwischen Eigentümer und Besitzer hinsichtlich der Vornahme bestimmter Verwendungen. Erforderlich ist damit lediglich die Billigung der jeweils in Frage stehenden Verwendungen durch den Eigentümer. Ist demnach lediglich ein Gutheißen der Verwendungen durch den Eigentümer bzw. ein Konsens über die Verwendungsvornahme Voraussetzung für das Entstehen des Ersatzanspruchs, so kann ein Einverständnis jedenfalls dann auch schon vor der eigentlichen Vornahme von Verwendungen in einer den Voraussetzungen des § 1001 BGB genügenden Weise erklärt werden, wenn zwischen den Beteiligten klar ist, welche Maßnahmen im Einzelfall vorgenommen werden sollen.
Dieses Ergebnis wird gestützt durch Überlegungen zu Sinn und Zweck der Genehmigungsvoraussetzung in § 1001 Satz 1 BGB. Diese sind vornehmlich darin zu sehen, den Eigentümer nicht gegen oder ohne seinen Willen einem Ersatzanspruch für möglicherweise als aufgedrängt empfundene Verwendungen auszusetzen, von deren Vornahme er gar nichts wußte und die deshalb auch nicht seine Billigung gefunden haben (Denkschrift S. 979; MünchKomm. BGB/Medicus, 3. Aufl. § 1001 Rdn. 1; Westermann, Sachenrecht 6. Aufl. § 33 I 4.).
War dagegen - wie hier - der Eigentümer bereits vorab über die vorzunehmenden Verwendungen (Reparatur der unfallbedingten Schäden an seinem Pkw) informiert und hat deren Vornahme gebilligt, kann es auf den Zeitpunkt der Mitteilung seines Einverständnisses nicht entscheidend ankommen, zumal häufig vom Zufall abhängen wird, ob die Erklärung des Eigentümers den Empfänger vor oder nach Durchführung der als Verwendung anzusehenden Arbeiten erreicht.
Die Richtigkeit dieser Auffassung folgt letztlich auch aus einem Vergleich mit dem bösgläubigen, unrechtmäßigen Besitzer. Jener erhält notwendige Verwendungen nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt (§ 994 Abs. 2 BGB), so daß sich die Ersatzpflicht gemäß § 683 Satz 1 BGB grundsätzlich nach dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn richtet. Dabei kann der geäußerte wirkliche Wille - von dem der Verwender gar keine Kenntnis zu haben braucht - selbstverständlich auch schon vor Vornahme der Verwendungen erklärt worden sein. Wollte man dies im Falle des Verwendungsersatzanspruchs nach §§ 994 Abs. 1, 1001 Satz 1 BGB anders sehen, käme das einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung des zum Zeitpunkt der Verwendungen berechtigten Fremdbesitzers gegenüber dem unrechtmäßigen, bösgläubigen Besitzer gleich.
Da dem Beklagten mithin aufgrund seines fälligen Verwendungsersatzanspruchs ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 2 BGB zustand, war er bis zu der nicht erfolgten Zahlung bzw. Sicherheitsleistung nach § 273 Abs. 3 BGB berechtigt, die Herausgabe des Pkw der Klägerin zu verweigern.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2003 S. 93 Nr. 2
CAAAB-97920
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja