BGH Urteil v. - II ZR 224/03

Leitsatz

[1] Ersteigert ein BGB-Gesellschafter nach Kündigung der Gesellschaft im Rahmen der Teilungsversteigerung das das Gesellschaftsvermögen bildende Grundstück und teilt es anschließend in Wohnungs- und Teileigentum auf, ist dieses Wohnungs- und Teileigentum nicht das stellvertretende commodum für die durch Vollbeendigung der BGB-Gesellschaft unmöglich gewordene Verpflichtung des Gesellschafters, seinen Gesellschaftsanteil auf seinen früheren Mitgesellschafter zu übertragen.

Gesetze: BGB § 281 a.F.; BGB § 285 n.F.

Instanzenzug: LG Hamburg

Tatbestand

Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche im Zusammenhang mit der Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Klägerin.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Das mit einem vermieteten Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück "S. A. 8" in H. war ursprünglich das einzige Vermögen einer GbR, welche aus drei zu gleichen Teilen beteiligten Gesellschaftern bestand.

Für den Fall der ohne Zustimmung der Mitgesellschafter gestatteten Anteilsübertragung sah der Gesellschaftsvertrag ein Vorkaufsrecht der verbleibenden Gesellschafter vor, auf das die §§ 2034 ff. BGB Anwendung finden sollten. Am wurde ein Gesellschaftsanteil von 1/3 an die Klägerin übertragen. Mit Vertrag vom erwarben die Beklagten zu 1 und 2 (im folgenden: die Beklagten) die beiden anderen 1/3 - Anteile von den früheren Gesellschaftern. Hierfür war ein Kaufpreis von insgesamt 2,5 Mio. DM vereinbart worden. Im notariellen Vertrag wurde jedoch ein Kaufpreis von 3,5 Mio. DM beurkundet. Dennoch übte die Klägerin das Vorkaufsrecht zu dem - von ihr vermuteten - wahren Kaufpreis von 2,5 Mio. DM aus. Weil die Klägerin jedoch zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage war, die Vereinbarung des niedrigeren Kaufpreises zu beweisen, stimmte sie der Grundbuchberichtigung zugunsten der Beklagten im Juli 1990 zu, nachdem die Beklagten zuvor mit einer Klage gedroht hatten.

Im Januar 1993 kündigten die Beklagten die Gesellschaft und beantragten die Teilungsversteigerung des Grundstücks. Dieses ersteigerten sie sodann für 9 Mio. DM und wandelten das Grundeigentum in Wohnungs- und Teileigentum um. Eine der Eigentumswohnungen übereigneten sie ihrem Sohn (= Beklagter zu 3). Nach einigen Verzögerungen wurde der Erlös aus der Teilungsversteigerung an die Parteien ausgekehrt.

Da die Klägerin der Ansicht war, wegen Vereitelung der Erfüllung ihres Anspruchs aus dem ausgeübten Vorkaufsrecht einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu haben, die Beklagten aber wiederum meinten, wegen verspäteter Zustimmung zur Erlösauskehr selbst Schadensersatzforderungen gegen die Klägerin durchsetzen zu können, tauschten die Parteien Bürgschaften zur Sicherung ihrer wechselseitig behaupteten Ansprüche aus. 1995 klagten die Beklagten (u.a.) auf Herausgabe der der Klägerin ausgehändigten Bürgschaftsurkunde. Diese Klage wurde vom - unter Hinweis auf einen bestehenden Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB wegen des absichtlichen Versuchs der Beklagten, die Klägerin von der Ausübung und Durchsetzung ihres Vorkaufsrechts abzuhalten, abgewiesen. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision hat der Senat nicht angenommen.

Im Zuge eines 1999 eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahrens erreichte die Klägerin im Januar 2000 die Eintragung von Vormerkungen zur Sicherung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs auf Übereignung der Wohnungseigentumsanteile.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin von den Beklagten Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution. Dieser Anspruch soll nach ihrer Auffassung durch Übertragung des Eigentums an dem gebildeten Wohn- und Teileigentum zu erfüllen sein. Die Abgabe der dazu notwendigen Erklärungen verlangt sie Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages, der sich aus Kaufpreis und ausbezahltem Gesellschafteranteil abzüglich der von den Beklagten gezogenen Nutzungen zusammensetzt. Bezüglich dieser Nutzungen fordert sie von den Beklagten Auskunftserteilung und Rechnungslegung. Weiter begehrt sie die Herausgabe der den Beklagten übergebenen Bürgschaftsurkunde. Die Beklagten haben widerklagend die Herausgabe der der Klägerin ausgehändigten Bürgschaftsurkunde und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Klägerin hinsichtlich der mit der Bürgschaftshingabe verbundenen Kosten sowie die Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom Januar 2000 beantragt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage (nur) hinsichtlich der Herausgabe der Bürgschaftsurkunde stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage erweitert und u.a. beantragt festzustellen, daß die Beklagten zum Ersatz "aller weiteren, noch nicht bezifferbaren Schäden" aus der verspäteten Eigentumsübertragung verpflichtet sind. Das Berufungsgericht hat die Klage gegen den Beklagten zu 3 sowie die Widerklageanträge der Beklagten und den Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung für unbegründet erachtet, im übrigen auf die Berufung der Klägerin die Klage gegen die Beklagten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit insoweit zur Höhe an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen diesen Erfolg der Berufung der Klägerin wenden sich die Beklagten mit ihrer insoweit vom Senat zugelassenen Revision.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist im Umfang ihrer Zulassung begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. 1. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - ausgeführt:

Die Klägerin könne von den Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 325 BGB a.F. verlangen. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des 9. Zivilsenats des ) stehe fest, daß der Klägerin ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht hinsichtlich der von den Beklagten erworbenen Gesellschaftsanteile zu einem Kaufpreis von 2,5 Mio. DM zugestanden habe. Dieses gegen die Verkäufer der Gesellschaftsanteile ausgeübte Verkaufsrecht könne die Klägerin gemäß § 2035 Abs. 1 BGB nach Übertragung der Gesellschaftsanteile auf die Beklagten diesen gegenüber ausüben. In der durch Klageandrohung und Beweisnot der Klägerin veranlaßten Zustimmung der Klägerin zur Grundbuchberichtigung zugunsten der Beklagten liege kein Verzicht der Klägerin auf ihr Vorkaufsrecht. Durch das Betreiben der Teilungsversteigerung sei den Beklagten die Erfüllung ihrer Verpflichtung aus dem ausgeübten Vorkaufsrecht unmöglich geworden. Im Rahmen des Schadensersatzanspruchs der Klägerin wegen Nichterfüllung könne diese gemäß § 281 BGB a.F. das stellvertretende commodum von den Beklagten verlangen. Dies sei bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise das Wohnungs- und Teileigentum.

2. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.

a) Frei von Rechtsfehlern ist die Feststellung des Berufungsgerichts, der Klägerin habe gegen die Verkäufer der Gesellschaftsanteile ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht zu einem Kaufpreis von 2,5 Mio. DM zugestanden, welches sie wirksam gegenüber den Verkäufern ausgeübt und auf das sie auch nicht verzichtet habe. Hiergegen wird auch von der Revision nichts erinnert.

b) Zutreffend ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe nach Übertragung der Gesellschaftsanteile auf die Beklagten in entsprechender Anwendung von § 2035 Abs. 1 Satz 1 BGB von diesen als den Erwerbern die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem ausgeübten Vorkaufsrecht verlangen können, d.h. die Übertragung der veräußerten Gesellschaftsanteile (siehe hierzu , WM 2002, 303, 304 f.). Ob eine entsprechende Anwendung von § 2035 Abs. 1 Satz 1 BGB - wie die Revision meint - ausscheidet, wenn der Vorkaufsberechtigte die Übertragung des dem Vorkaufsrecht unterliegenden Gegenstandes selbst veranlaßt hat, kann offen bleiben. Die Klägerin hat weder die Übertragung der Gesellschaftsanteile veranlaßt, noch zielgerichtet daran mitgewirkt. Sie hat lediglich unter dem Druck der von den Beklagten angedrohten Klage der Berichtigung des Grundbuchs zugunsten der Beklagten zugestimmt, weil sie zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage war, die Vereinbarung eines Kaufpreises von 2,5 Mio. DM nachzuweisen.

c) Zutreffend ist schließlich auch noch die Ansicht des Berufungsgerichts, den Beklagten sei die Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Übertragung der Gesellschaftsanteile schuldhaft unmöglich geworden. Jedenfalls mit der Verteilung des Versteigerungserlöses aus der von den Beklagten nach Kündigung der Gesellschaft betriebenen Teilungsversteigerung des Grundstücks war die GbR zwischen den Parteien (voll) beendet. Übertragbare Gesellschaftsanteile existierten nicht mehr.

d) Von erheblichen Rechtsfehlern beeinflußt ist jedoch die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin könne im Rahmen des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung von den Beklagten gemäß § 281 BGB a.F. (nunmehr: § 285 BGB) die Herausgabe dessen verlangen, was die Beklagten infolge des Umstands erlangt haben, der die Leistung unmöglich gemacht habe, wobei dies bei wirtschaftlicher Betrachtung das Wohnungs- und Teileigentum an dem Grundstück sei.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, das Wohnungs- und Teileigentum sei das stellvertretende commodum für die unmöglich gewordene Verpflichtung der Beklagten, die Gesellschaftsanteile an der GbR auf die Klägerin zu übertragen, ist schon im Ansatz verfehlt.

Voraussetzung für einen Anspruch aus § 281 BGB a.F. (ebenso wie für den nunmehr anwendbaren § 285 BGB) ist, daß der Schuldner aufgrund eines bestimmten Umstandes von seiner Primärpflicht zur Leistung des geschuldeten Gegenstands frei wird und aus diesem Grund (Kausalität) einen Ersatz für eben diesen Gegenstand (Identität) erlangt (vgl. nur Sen.Urt. v. - II ZR 6/84, WM 1985, 270, 272; ebenso statt vieler MünchKommBGB/Emmerich aaO § 281 Rdn. 3 ff.; zum neuen Recht Erman/H.P. Westermann aaO § 285 Rdn. 4 ff. jeweils m.w.Nachw.). Daran fehlt es hier. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile ist durch die Kündigung des Gesellschaftsvertrages, die Teilungsversteigerung und die abschließende Verteilung des Versteigerungserlöses unmöglich geworden. Das Wohnungs- und Teileigentum haben die Beklagten hingegen erlangt, indem sie, wie es auch jedem Dritten möglich gewesen wäre, im Rahmen der Teilungsversteigerung das Grundstück ersteigert und es sodann in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt haben. Angesichts dessen könnte man allenfalls den den Beklagten im Rahmen der Verteilung des Versteigerungserlöses zugeflossenen Betrag als stellvertretendes commodum im Sinne des § 281 BGB a.F. für die Anteile der Beklagten an der Liquidationsgesellschaft ansehen.

II. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 ZPO).

Zwar steht der Klägerin der bislang vom Berufungsgericht nicht geprüfte Anspruch auf Naturalrestitution unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu. Da die GbR, wie ausgeführt, voll beendet ist, die Gesellschaftsanteile mithin nicht mehr existieren, ist eine Herstellung des gleichen wirtschaftlichen Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, unmöglich. Bei Unmöglichkeit der Restitution wird der Anspruch aus § 249 Abs. 1 BGB durch den auf Kompensation abzielenden Anspruch aus § 251 BGB verdrängt (BGHZ 147, 320, 322 m.w.Nachw.).

Entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Ansicht besteht die Naturalrestitution nicht in der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück. Bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Verpflichtung der Beklagten, d.h. bei Übertragung der Gesellschaftsanteile, wäre die Klägerin zwar im Wege der Anwachsung Alleineigentümerin des Grundstücks geworden. Dieser Eigentumserwerb ist aber nur die rechtliche und wirtschaftliche Folge der Übertragung der Gesellschaftsanteile und entspricht damit nicht der im Wege der Naturalrestitution geschuldeten "Wieder"herstellung der Anteile selbst.

Das Berufungsgericht hat jedoch bislang nicht geprüft, ob der Klägerin möglicherweise ein Schadensersatzanspruch in Geld zusteht. Zwar hat die Klägerin Schadensersatz in Geld nicht beantragt und ohne entsprechenden Antrag konnte das Berufungsgericht ihr einen Anspruch auf Geldersatz nicht zusprechen. Der Anspruch auf Schadensersatz in Geld ist im Verhältnis zu dem von der Klägerin geltend gemachten Naturalherstellungsanspruch kein minus, sondern ein aliud. Bei zutreffender Würdigung der Rechtslage wäre das Berufungsgericht jedoch verpflichtet gewesen, auf eine geänderte Antragstellung der Klägerin hinzuwirken (MünchKommZPO/Musielak 2. Aufl. § 308 Rdn. 9 f.; Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. § 139 Rdn. 15). Diese Verpflichtung bestand hier zusätzlich vor dem Hintergrund, daß die Klägerin durch die Ausführungen im Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamburg, das auf einen Naturalrestitutionsanspruch abgestellt hatte, offenbar zu ihrer verfehlten Antragstellung veranlaßt worden ist.

Die Zurückverweisung ist erforderlich, um dem Berufungsgericht die Möglichkeit zu geben, diesen Hinweis nachzuholen und ggfls. nach Neuformulierung des Antrags das Bestehen eines auf Geldersatz gerichteten Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen die Beklagten zu prüfen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2005 S. 1409 Nr. 26
DStR 2005 S. 1107 Nr. 26
IAAAB-97863

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja