Leitsatz
[1] Hängt die Höhe der einer Komplementär-GmbH u.a. für die Haftungsübernahme zu zahlenden Vergütung nach dem Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft von der Höhe des Stammkapitals der GmbH ab, dürfen deren Gesellschafter das Stammkapital nicht ohne Wahrung der gesellschafterlichen Treuepflichten gegenüber der Kommanditgesellschaft in erheblichem Umfang (hier: um das 42-fache) erhöhen.
Gesetze: BGB § 705; HGB §§ 161 ff.
Instanzenzug: OLG München 17 U 3083/03 vom LG München I 23 O 11544/02 vom
Tatbestand
Die beklagte GmbH ist seit 1996 Komplementärin, die Klägerin und ihr früherer Ehemann, der zugleich Alleingesellschafter der Beklagten ist, sind mit im wesentlichen gleichen Einlagen Kommanditisten unter anderem folgender Gesellschaften:
V. I. KG (im Folgenden: V. I KG),
V. II KG (im Folgenden: V. II KG),
V. Wohnbau KG (im Folgenden: V. Wohnbau KG), G. KG (im Folgenden: G. KG).
Die Klägerin war bis zum Geschäftsführerin der Beklagten. Nach ihrer Abberufung beteiligte sich die Beklagte 1999 an der E. II GmbH und im Jahre 2000 an der S. GmbH & Co. KG. An diesen beiden Gesellschaften ist die Klägerin nicht beteiligt.
Mit Beschluss vom erhöhte der geschiedene Ehemann der Klägerin das Stammkapital der Beklagten von 50.000,00 DM auf 1,1 Mio. €. Das hat zur Folge, dass sich die von der Beklagten bezogene, an ihrem eigenen Stammkapital bestimmungsgemäß ausgerichtete Vergütung in den vier Kommanditgesellschaften, an denen die Klägerin beteiligt ist, um 4.200 % erhöht. Die Klägerin sieht hierin ein treuepflichtwidriges Verhalten der Beklagten und nimmt diese auf Rückzahlung der bereits entnommenen Vergütungen an die jeweilige Kommanditgesellschaft sowie auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr in vollem Umfang stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten.
Gründe
I. Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
1. Das Berufungsgericht meint, die Rückzahlungsansprüche seien als Schadensersatz wegen der Verletzung gesellschafterlicher Treuepflichten gerechtfertigt. Die Beklagte habe einseitig durch die exorbitante Stammkapitalerhöhung in die Struktur der Kommanditgesellschaften in nicht mehr tragbarer Weise eingegriffen, wobei sich die Erhöhung der Haftungsvergütung wegen der Stellung des geschiedenen Ehemanns der Klägerin als Alleingesellschafter der Beklagten wirtschaftlich günstig für ihn und nachteilig für die Klägerin ausgewirkt habe. Während die bisherigen Haftungsvergütungen den an die Kommanditisten zu verteilenden Gewinn bzw. Verlust kaum beeinflusst hätten, sei dies in Folge der Erhöhung grundlegend anders, ohne dass sich das Tätigkeitsfeld der Beklagten in der jeweiligen Kommanditgesellschaft verändert habe. Eine weitere zum Schadensersatz verpflichtende Treuepflichtverletzung liege darin, dass die Beklagte sich die erhöhte Vergütung ohne vorherige verbindliche Feststellung der Jahresabschlüsse habe auszahlen lassen. Angesichts des Umfangs der Steigerung der Vergütung handele es sich bei der Maßnahme um ein Grundlagengeschäft, für welches die Mitwirkung der Klägerin unerlässlich sei.
Die Unterlassungsanträge seien als Maßnahme der Notgeschäftsführung ausnahmsweise gerechtfertigt.
II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen besteht kein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung gesellschafterlicher Treuepflichten (1). Die Unterlassungsanträge sind nicht begründet (2).
1. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die kreditgebende Bank, wie die Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen hat, wegen der Sanierung der ca. 3.000 in B. -H. gelegenen, im Eigentum der V. I und V. II KG stehenden Wohnungen eine deutliche Erhöhung der Eigenkapitalbasis der Gesellschaften - alternativ der Kommanditeinlagen oder des Stammkapitals der Komplementärin - verlangt habe und, da die Klägerin eine Erhöhung ihrer Kommanditeinlagen abgelehnt habe, die Beklagte ihr Stammkapital deshalb habe erhöhen müssen. Revisionsrechtlich ist danach dieser Sachverhalt zugunsten der Beklagten zugrunde zu legen.
a) Durch die Stammkapitalerhöhung als solche hat die Beklagte keine gesellschafterliche Treuepflicht verletzt.
Die Beklagte schuldet als Komplementär-GmbH nicht anders als eine natürliche Person Treue gegenüber der Gesellschaft, wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend erkannt hat. Auch sie muss den Gesellschaftszweck fördern und bei der Wahrnehmung eigener berechtigter Belange Rücksicht auf die Mitgesellschafter nehmen (s. allgemein zu den gesellschafterlichen Treuepflichten MünchKommBGB/Ulmer 4. Aufl. § 705 Rdn. 221 ff.). Gegen diese Verpflichtung hat die Beklagte nicht verstoßen. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt liegt die Stammkapitalerhöhung der Beklagten im Interesse der Gesellschaft. Die prozentuale Koppelung der Komplementärsvergütung an das jeweilige Stammkapital der GmbH dient zwar in erster Linie der Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung (s. dazu Binz/Sorg, GmbH u. Co KG 10. Aufl. § 16 Rdn. 145 ff. m.w.Nachw.) und liegt damit im Interesse der Beklagten. Objektiv hat die von der Beklagten durchgeführte Stammkapitalerhöhung wegen der infolge der Koppelung automatisch eintretenden Erhöhung der Haftungsvergütung auch einen Liquiditätsverlust auf Seiten der Gesellschaften und eine Verringerung des - auch - an die Klägerin zu verteilenden, eventuell anfallenden Gewinns bzw. eine Erhöhung ihrer Verlustbeteiligung zur Folge. Eine Treuepflichtverletzung ist mit der Stammkapitalerhöhung gleichwohl nicht verbunden, weil es nach dem zu unterstellenden Vortrag der Beklagten für die Erhöhung eine sachliche, auch im Interesse der von der Beklagten geführten Kommanditgesellschaften und damit der Klägerin als Mitgesellschafterin liegende Rechtfertigung gab. Die Stammkapitalerhöhung bei der Beklagten stärkte die Kreditwürdigkeit aller betroffenen Gesellschaften. Auf Kredite waren diese zur Renovierung der auch nach dem Vortrag der Klägerin sanierungsbedürftigen Wohnungen in B. angewiesen.
Das Berufungsgericht hat zudem nicht ausreichend beachtet, dass der - objektiv - reduzierten Liquidität der Gesellschaften als "Gegenwert" der für die wirtschaftliche Betätigung der Kommanditgesellschaften förderliche, durch die Stammkapitalerhöhung ebenfalls exorbitant erhöhte Haftungsfonds der Beklagten gegenüberstand und die Beklagte nach ihrem unwidersprochenen, als richtig zu unterstellenden Vortrag aus ihrer Beteiligung an den beiden anderen Gesellschaften Gewinne erzielt, die ihre Stellung als persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaften ebenfalls stärken.
b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht nach Maßgabe der von ihm getroffenen Feststellungen angenommen, die Beklagte habe ihre gesellschafterliche Treuepflicht dadurch verletzt, dass sie auf der Grundlage ihres erhöhten Stammkapitals ihre Vergütung errechnet und entnommen hat. Die Auszahlung war nach den bestehenden gesellschaftsvertraglichen Abreden ohne weiteres zulässig (aa), sie bedurfte vor allem nicht - wie die Klägerin meint - eines einstimmigen Beschlusses (bb). Die Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen auch nicht die Annahme, die Auszahlung stelle einen einseitigen Entzug von Mitteln dar, die dringend zur Weiterführung der Gesellschaft erforderlich seien (cc).
aa) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass Vergütungsansprüche im Gesellschaftsvertrag vereinbart oder durch Gesellschafterbeschluss begründet werden können (Senat, BGHZ 17, 299, 301; Urt. v. - II ZR 178/74, WM 1976, 446, 447 zur Geschäftsführervergütung; s. auch Schlegelberger/Martens, HGB 5. Aufl. § 114 Rdn. 22 m.w.Nachw.). Ist die Vergütung - auch der Höhe nach - im Gesellschaftsvertrag bereits abschließend geregelt, bedarf es zur Auszahlung keines - zusätzlichen - Beschlusses. Die Entnahme ist dann eine einfache Geschäftsführungsmaßnahme.
So liegt der Fall hier. Die Regelungen in den jeweiligen Gesellschaftsverträgen sind zum Grund und zur Höhe der Vergütungsansprüche abschließend: Danach "erhält" der Komplementär für die Übernahme der persönlichen Haftung eine Vergütung in Höhe von 5 bzw. 6 % seines Stammkapitals.
bb) Ein Gesellschafterbeschluss über die Auszahlung ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht aus dem Aspekt des Grundlagengeschäfts erforderlich. Die Auszahlung der erhöhten Vergütung ist kein Grundlagengeschäft. Durch die Auszahlung als solche wird der Gesellschaftsvertrag nicht geändert, sondern vom Geschäftsführer ausgeführt. Ob die Klägerin als Kommanditistin der vier Gesellschaften das Recht hat, von ihren Mitgesellschaftern eine Änderung der Vergütungsregelungen zu verlangen, ist im Rahmen des vorliegenden, allein das Verhältnis zu der persönlich haftenden Gesellschafterin betreffenden Rechtsstreits nicht zu entscheiden.
cc) Die Auszahlung verletzt auch im Übrigen keine gesellschafterliche Treuepflicht. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, die seine Annahme rechtfertigen, die Beklagte habe bei der Auszahlung zu Lasten der Kommanditgesellschaften einseitig ihre eigenen Interessen verfolgt.
Die Entnahme der erhöhten Vergütung stellt die Ausübung eines eigennützigen Mitgliedschaftsrechts dar (s. hierzu MünchKommBGB/Ulmer aaO § 705 Rdn. 227; MünchKommHGB/K. Schmidt § 105 Rdn. 191 jeweils m.w.Nachw.). Ein Vorrang des Gesellschaftsinteresses besteht bei der Ausübung derartiger Rechte nicht. Nach der von ihm zu wahrenden gesellschafterlichen Treuepflicht ist der Gesellschafter aber - wie oben ausgeführt - gehalten, von seinen Rechten nicht willkürlich und ohne Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft Gebrauch zu machen (MünchKommBGB/Ulmer aaO Rdn. 224, 227 m.w.Nachw.). Gemessen hieran hat die Beklagte durch die Entnahme der Vergütungen ihre Treuepflichten nicht verletzt. Für die Erhöhung besteht ein sachlicher Grund, wie oben ausgeführt. Das Berufungsgericht hat im Übrigen weder festgestellt, dass die Auszahlungen die finanzielle Lage der Kommanditgesellschaften beeinträchtigen (s. zu einem solchen Fall Sen.Urt. v. - II ZR 102/84, WM 1985, 256), noch dass mit der Auszahlung sonstige unzumutbaren Folgen für die Gesellschaft verbunden sind. Angesichts des Volumens der Haftungsvergütungen im Verhältnis zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Kommanditgesellschaften folgt die Unzumutbarkeit auch nicht bereits aus der Höhe der Vergütungen.
2. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche stehen der Klägerin nicht zu.
Schon im Ansatzpunkt verkennt das Berufungsgericht, dass die von ihm zur Stützung seiner Ansicht herangezogene Entscheidung des Senats (BGHZ 76, 160 ff.) kein Grundlagengeschäft betrifft, von dem das Berufungsgericht verfehlt ausgeht, sondern dass es um die Beurteilung einer Geschäftsführungsmaßnahme ging. Um solch eine Geschäftsführungsmaßnahme handelt es sich auch hier, wenn die Berechtigung der Beklagten zur Entnahme der (erhöhten) Vergütung in Frage steht. In diesem Bereich ist der persönlich haftende Gesellschafter nach der Organisationsordnung der Kommanditgesellschaft freier gestellt mit der Folge, dass die Gesellschafter die getroffenen Geschäftsführungsmaßnahmen hinnehmen müssen und sie grundsätzlich auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen beschränkt sind. Nur unter engen Ausnahmen, die an den in § 744 Abs. 2 BGB niedergelegten Maßstäben zu orientieren sind, kann nach der Rechtsprechung des Senats etwas anderes gelten und den Gesellschaftern das Recht zustehen, von dem persönlich haftenden Gesellschafter Unterlassung zu verlangen und diesen Anspruch gerichtlich zu verfolgen (Senat aaO S. 168).
Die Voraussetzungen einer solchen Ausnahme hat das Berufungsgericht zu Unrecht als erfüllt angesehen. Wie ausgeführt, fehlt es schon an ausreichenden Feststellungen zu einer mit der Auszahlung verbundenen Gefährdung des Gesellschaftsvermögens. Die vom Berufungsgericht zur Begründung der Ausnahmesituation herangezogene Gefahr weiterer Stammkapitalerhöhungen ist rein spekulativ und vermag eine Notgeschäftsführung ebenfalls nicht zu rechtfertigen.
III. Eine eigene Entscheidung ist dem Senat verwehrt, da weitere tatrichterliche Feststellungen erforderlich sind. Die Parteien erhalten dadurch zusätzlich die Gelegenheit, ihren Vortrag zu ergänzen und gegebenenfalls ihre Anträge anzupassen.
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 511 Nr. 10
DB 2006 S. 329 Nr. 6
DStR 2006 S. 524 Nr. 12
DStZ 2006 S. 171 Nr. 5
GmbH-StB 2006 S. 66 Nr. 3
NJW-RR 2006 S. 469 Nr. 7
SJ 2006 S. 40 Nr. 10
StuB-Bilanzreport Nr. 12/2006 S. 487
WM 2006 S. 436 Nr. 9
WPg 2006 S. 382 Nr. 6
ZIP 2006 S. 230 Nr. 5
KAAAB-97725
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja