BGH Beschluss v. - I ZR 94/02

Leitsatz

[1] 1. Setzen die Vorschriften der Richtlinie 2001/83/EG, welche die Bezugnahme auf Äußerungen fachunkundiger Dritter und die Werbung mit Auslosungen betreffen, nicht nur einen Mindest-, sondern einen abschließenden Höchststandard für die Verbote der Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel?

2. Im Falle der Bejahung von Frage 1:

a) Liegt eine mißbräuchliche oder irreführende Bezugnahme auf eine "Genesungsbescheinigung" i.S. des Art. 90 lit. j der Richtlinie 2001/83/EG vor, wenn der Werbende das Ergebnis einer Umfrage bei fachunkundigen Dritten mit einer pauschal positiven Gesamtbewertung des beworbenen Arzneimittels wiedergibt, ohne die Bewertung bestimmten Anwendungsgebieten zuzuordnen?

b) Führt das Fehlen eines ausdrücklichen Verbots der Werbung mit Auslosungen in der Richtlinie 2001/83/EG dazu, daß diese grundsätzlich erlaubt sind, oder enthält Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG einen Auffangtatbestand, der das Verbot einer Internetwerbung mit der monatlichen Auslosung eines Preises von geringem Wert begründen kann?

3. Sind die vorgestellten Fragen für die Richtlinie 92/28/EWG entsprechend zu beantworten?

Gesetze: HumanarzneimittelRL - Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EG Nr. L 311 v. , S. 67 ff.); HeilmittelwerbeG § 11 Abs. 1 Nr. 11; HeilmittelwerbeG § 13

Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main LG Frankfurt am Main

Gründe

I. Die Beklagte vertreibt verschiedene, als (nicht verschreibungspflichtige) Arzneimittel in der Bundesrepublik Deutschland registrierte Ginseng-Präparate. Unter anderem warb sie für diese Arzneimittel im Mai 2000 mit einem Werbeschreiben, dem sie die nachfolgend in Ablichtung wiedergegebene "Auswertung Konsumentenbefragung" beifügte:

Am kündigte die Beklagte auf ihrer Internet-Homepage die monatliche Auslosung von einer Packung "Roter Imperial Ginseng von Gintec Extraktpulver" an, wie nachfolgend in Ablichtung wiedergegeben:

Der klagende Wettbewerbsverein hat die Werbung mit der "Auswertung Konsumentenbefragung" und die angekündigte Auslosung wegen Verstoßes gegen Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes in Verbindung mit §§ 1, 3 UWG a.F. beanstandet und Unterlassung begehrt. Die Werbung mit der "Auswertung Konsumentenbefragung" enthalte verbotene Hinweise auf Äußerungen Dritter i.S. von § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG. Die angekündigte Auslosung verstoße gegen § 11 Abs. 1 Nr. 13 HWG.

Der Beklagten ist es nach der Entscheidung des Berufungsgerichts (OLG Frankfurt am Main GRUR Int. 2002, 931 = WRP 2002, 730) verboten,

im geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise für Ginseng-Präparate:

1) mit der "Auswertung Konsumentenbefragung, Roter Ginseng von Gintec" zu werben (es folgt die oben wiedergegebene "Auswertung Konsumentenbefragung");

2) mit einer Auslosung entsprechend der oben wiedergegebenen Internet-Veröffentlichung vom zu werben.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

II. Der Erfolg der Revision hängt ab von der Auslegung

- des Regelungsgehalts der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EG Nr. L 311 v. , S. 67 ff.) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG (ABl. Nr. L 136 v. , S. 34 ff.) geänderten Fassung (im folgenden: Richtlinie 2001/83/EG) im Hinblick auf die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die auf Äußerungen fachunkundiger Dritter Bezug nimmt oder Auslosungen enthält und

- der Art. 87 Abs. 3, Art. 90 lit. j der Richtlinie 2001/83/EG, sowie

- des Regelungsgehalts der Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom über die Werbung für Humanarzneimittel (ABl. Nr. L 113 v. , S. 13; im folgenden: Richtlinie 92/28/EWG) im Hinblick auf die zuvor benannte Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel.

Vor der Entscheidung über das Rechtsmittel der Beklagten ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 234 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 EG eine Vorabentscheidung zu den im Beschlußtenor aufgestellten Fragen einzuholen.

1. a) Gemäß § 3 UWG (in Kraft seit dem ) sind unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, unzulässig. Unlauter in diesem Sinne handelt insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG). Gesetzliche Vorschriften in diesem Sinne sind die Vorschriften des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz, im folgenden: HWG).

§ 11 Abs. 1 HWG lautet:

(1) Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden

[...]

11. mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen,

[...]

13. mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist,

[...]

Demgegenüber stellt die derzeit geltende Richtlinie 2001/83/EG höhere Anforderungen an entsprechende Werbeverbote. Diese können den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 HWG aber nur einschränken, wenn die Richtlinie 2001/83/EG einen abschließenden Höchststandard vorschreibt, der den Mitgliedstaaten verbietet, strengere Werbeverbote zu normieren bzw. diese anzuwenden. Nur wenn die Richtlinie 2001/83/EG einen abschließenden Höchststandard setzt, kommt es auf die Auslegung der einzelnen Regelungen an. Dabei verbietet Art. 90 lit. j der Richtlinie 2001/83/EG im Gegensatz zu § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG nur Elemente in der Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die sich in mißbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise auf Genesungsbescheinigungen beziehen. Die Richtlinie enthält auch kein ausdrückliches Verbot von Preisausschreiben, Verlosungen und anderen Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist, wie es in § 11 Abs. 1 Nr. 13 HWG besteht. Die Vorschrift des Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG bestimmt lediglich, daß die Arzneimittelwerbung einen zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern muß, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt, und nicht irreführend sein darf.

b) Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche bestehen nur, wenn das beanstandete Verhalten auch zur Zeit seiner Begehung unzulässig war, da die Ansprüche auf eine Wiederholungsgefahr gestützt sind (vgl. , GRUR 2005, 603, 604 = WRP 2005, 874 - Kündigungshilfe, m.w.N.). Gemäß § 1 UWG a.F. bestand ein Unterlassungsanspruch bei der Vornahme von Handlungen, die gegen die guten Sitten verstießen. Ein Verstoß gegen die guten Sitten lag bei einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschrift des § 11 Abs. 1 HWG vor. Da die im Jahre 2000 geltende Richtlinie 92/28/EWG auch höhere Anforderungen an die Werbeverbote für Arzneimittel stellte als das HWG, ist zunächst entscheidend, ob sie dessen Anwendung einschränken kann, weil sie einen abschließenden Höchststandard setzt. In diesem Fall kommt es auf die Auslegung der in der Richtlinie enthaltenen Verbote an. Dabei entspricht Art. 5 lit. j der Richtlinie 92/28/EWG in seinem Regelungsgehalt Art. 90 lit. j der Richtlinie 2001/83/EG und Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 92/28/EWG dem Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG.

2. Das Berufungsgericht hat die von dem Kläger beanstandete Werbung wegen eines Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 Nr. 11 und § 11 Abs. 1 Nr. 13 HWG i.V. mit § 1 UWG a.F. verboten. Auch der Senat geht davon aus, daß es sich bei der Werbung der Beklagten mit der "Auswertung Konsumentenbefragung" um eine Werbung mit Äußerungen Dritter handelt (§ 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG) und die "Auslosung" eine Verlosung i.S. von § 11 Abs. 1 Nr. 13 HWG zum Gegenstand hat. Der Anwendung des § 11 Abs. 1 Nr. 11, Nr. 13 HWG könnte der Inhalt der Richtlinie 2001/83/EG bzw. der Richtlinie 92/28/EWG entgegenstehen, wenn die weitergehenden Werbeverbote des nationalen Rechts gegen abschließendes Gemeinschaftsrecht verstoßen.

3. Zur ersten Frage:

Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es danach zunächst auf die Frage an, ob die Richtlinie 2001/83/EG die Verbote für die Öffentlichkeitswerbung von Arzneimitteln, welche die Bezugnahme auf Äußerungen fachunkundiger Dritter und die Werbung mit Auslosungen betreffen, abschließend regelt und dadurch die innerstaatlichen Stellen der Bundesrepublik Deutschland und damit auch den Senat hindert, weitergehende, im Heilmittelwerbegesetz normierte Werbeverbote anzuwenden.

Ob die Richtlinie 2001/83/EG einen abschließenden Höchststandard für die Verbote der Öffentlichkeitswerbung von Arzneimitteln enthält, ist umstritten, wobei sich die Auseinandersetzung in der Rechtsprechung und in der Literatur weitgehend auf die Richtlinie 92/28/EWG bezieht, die Diskussion aber auf die Richtlinie 2001/83/EG übertragbar ist.

a) Teilweise wird vertreten, daß die Richtlinie 92/28/EWG lediglich Mindestanforderungen an die Werbung festlegt (zur Richtlinie 92/28/EWG: das Berufungsurteil in diesem Verfahren; ferner: OLG Hamburg, GRUR-RR 2002, 363, 364 sowie Urt. v. - 3 U 23/02, zitiert nach juris, Rdn. 43 ff.; Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz, 2. Aufl. (2001), Einführung Rdn. 5a; zur Richtlinie 2001/83/EG: OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2004, 273). Die Richtlinie 92/28/EWG enthalte zwar eine erkennbare Tendenz zur Vollharmonisierung, dies bedeute aber nicht, daß sie bereits vorliege. Dementsprechend formuliere die Richtlinie zum Teil ausdrücklich nur Mindestanforderungen (Art. 4 Abs. 1 lit. b: in der Werbung erforderliche Mindestangaben), ohne diese als Ausnahme kenntlich zu machen. Wenn die Richtlinie 92/28/EWG in Art. 2 Abs. 3, 2. Spiegelstrich ebenfalls ein Irreführungsverbot beinhalte, obwohl im ersten Erwägungsgrund klargestellt sei, daß die Anwendung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. EG Nr. L 250, S. 17, im folgenden: Richtlinie 84/450/EWG) nicht berührt werde, könne sie nur einen Mindeststandard setzen, da Art. 7 der Richtlinie 84/450/EWG den Mitgliedstaaten weitergehende Maßnahmen erlaube.

Diese Argumentation ist auf die Richtlinie 2001/83/EG übertragbar. Der Erwägungsgrund 42 der Richtlinie 2001/83/EG entspricht dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 92/28/EWG (die Anwendung der Richtlinie 84/450/EWG wird nicht berührt) und Art. 89 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2001/83/EG entspricht der Regelung des Art. 4 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 92/28/EWG (in der Werbung erforderliche Mindestangaben).

b) Die vom Senat befürwortete Gegenansicht geht von einer abschließenden Regelung aus, die einen Höchststandard setzt, wenn nicht einzelne Vorschriften ausdrücklich nur Mindestanforderungen beinhalten (zur Richtlinie 92/28/EWG: KG GRUR 1995, 684, 688; Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Aufl. (2000), Einl. Rdn. 24 ff.; Gröning, Heilmittelwerberecht, Bd. 2 (RL 92/28/EWG), Einl. Rdn. 21 ff.).

Für den Charakter einer abschließenden Regelung sprächen der Sinn und Zweck der Richtlinie 92/28/EWG. Da sie ausdrücklich auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV), insbesondere Art. 100a EWGV, gestützt sei, handele es sich um eine Maßnahme zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand habe (Art. 100a Abs. 1 Satz 2 EWGV). Die Bestimmungen einer Richtlinie, die die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Werbung für Arzneimittel harmonisieren wollten, enthielten nicht nur Mindeststandards, da andernfalls das Binnenmarktziel konterkariert würde. Dies gelte um so mehr, als die Richtlinie 92/28/EWG daneben auch das Recht der Verbraucher schützen wolle. Die Belange des reibungsfreien Absatzes und des Verbraucherschutzes stünden in einem Spannungsverhältnis, das der Richtliniengeber bei der Rechtssetzung berücksichtigt und austariert habe. Dieses gewollte Gleichgewicht zwischen den widerstreitenden Belangen sei verbindlich.

Diese Argumentation hat auch nach Einfügung der Richtlinie 92/28/EWG in die Richtlinie 2001/83/EG Bestand. Nach dem Erwägungsgrund 2 müssen alle maßgebenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften in erster Linie einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten. Gemäß dem Erwägungsgrund 3 muß dieses Ziel aber mit Mitteln erreicht werden, welche die Entwicklung der pharmazeutischen Industrie und den Handel mit Arzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft nicht hemmen. In diesem Sinne führt der Erwägungsgrund 43 aus, daß die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen auf dem Gebiet der Arzneimittelwerbung unterschiedlich sind und sich auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken. Im Bereich der Arzneimittelwerbung sind also Schutz- und Integrationsinteressen auszutarieren.

Die Richtlinie 2004/27/EG, die die Richtlinie 2001/83/EG ändert, führt im Erwägungsgrund 2 aus, die Erfahrung habe gezeigt, daß weitere Maßnahmen erforderlich seien, um die noch bestehenden Hemmnisse für den freien Handel zu beseitigen. Daher müßten, so der Erwägungsgrund 3, die nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften einander angenähert werden, damit das Funktionieren des Binnenmarktes verbessert und gleichzeitig ein hohes Niveau des menschlichen Gesundheitsschutzes erreicht werden könne. Das für eine abschließende Regelung sprechende Integrationsinteresse steht damit nicht nur gleichberechtigt neben dem Gesundheitsinteresse, sondern veranlaßt darüber hinaus die Änderung der Richtlinie 2001/83/EG.

Nach Ansicht des Senats spricht auch die "DocMorris"-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urt. v. - Rs C-322/01, GRUR 2004, 174 = WRP 2004, 205) für den abschließenden Charakter der Richtlinie 2001/83/EG. Wenn Art. 88 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG nicht dahingehend ausgelegt werden kann, daß er die Werbung für den Versandhandel mit Arzneimitteln erfaßt und Art. 88 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG einem Verbot nach § 8 Abs. 1 HWG entgegensteht, soweit es sich auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bezieht (Tz. 144), dann muß zumindest Art. 88 der Richtlinie 2001/83/EG einen Höchststandard setzen.

4. Zur zweiten Frage:

a) Wird die erste Vorlagefrage bejaht, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits weiter darauf an, ob eine mißbräuchliche oder irreführende Bezugnahme auf eine "Genesungsbescheinigung" i.S. des Art. 90 lit. j der Richtlinie 2001/83/EG vorliegt, wenn der Werbende das Ergebnis einer Umfrage bei fachunkundigen Dritten mit einer pauschal positiven Gesamtbewertung des beworbenen Arzneimittels wiedergibt, ohne die Bewertung bestimmten Anwendungsgebieten zuzuordnen.

Der Begriff der "Genesungsbescheinigung" könnte bei einer engen Auslegung angesichts der Formulierung "Bescheinigung" dahin verstanden werden, daß er sich auf eine Bestätigung von Heilungserfolgen durch im Gesundheitswesen tätige Personen bezieht. Ein derart enges Verständnis erscheint dem Senat auch im Hinblick auf Art. 90 lit. f der Richtlinie 2001/83/EG, der die Empfehlung durch bestimmte Personengruppen voraussetzt, zweifelhaft. Die Angaben fachunkundiger Dritter über Heilungserfolge und Linderung von Krankheiten könnten solche "Bescheinigungen" darstellen.

Fraglich ist, ob davon auch Äußerungen fachunkundiger Dritter erfaßt sind, die nur eine allgemeine Zufriedenheit bekunden.

Selbst wenn diese mittelbare Bezugnahme auf die Wirksamkeit des Arzneimittels für das Vorliegen einer "Genesungsbescheinigung" ausreichen sollte, stellt sich weiter die Frage, ob eine mißbräuchliche oder irreführende Bezugnahme darauf allein schon deswegen vorliegen kann, weil die positive Gesamtbeurteilung nicht den einzelnen zuvor in der Werbung dargestellten Anwendungsgebieten zuzuordnen ist.

b) Wird die erste Vorlagefrage bejaht, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits weiter darauf an, ob das Fehlen eines ausdrücklichen Verbots der Werbung mit Auslosungen in der Richtlinie 2001/83/EG dazu führt, daß diese grundsätzlich erlaubt sind, oder ob Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG einen Auffangtatbestand enthält, der das Verbot einer Internetwerbung mit der monatlichen Auslosung eines Preises von geringem Wert begründen kann.

Das Fehlen eines ausdrücklichen Verbots der Arzneimittelwerbung mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist, insbesondere im Verbotskatalog des Art. 90 der Richtlinie 2001/83/EG, und das Fehlen der Erwähnung dieser Werbeform in den Erwägungsgründen, sprechen zunächst dafür, daß ein entsprechendes Werbeverbot in der Richtlinie 2001/83/EG nicht enthalten ist. Demgegenüber wird in der deutschen Kommentarliteratur die Auffassung vertreten, es handele sich um eine planwidrige Lücke (vgl. zur Richtlinie 92/28/EWG, wobei die Begründung auf die Richtlinie 2001/83/EG übertragbar ist: Doepner, Heilmittelwerbegesetz, § 11 Nr. 11, Rdn. 18; Gröning, Heilmittelwerberecht, Bd. 1, § 11 Nr. 13 HWG Rdn. 3). Der Einsatz aleatorischer Werbemittel im Bereich der Publikumswerbung widerspreche den Zielvorgaben der Richtlinie. Die Werbung mit zufallsabhängigen Verfahren sei jedenfalls entgegen der Vorgabe aus dem Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 92/28/EWG (dieser entspricht dem Erwägungsgrund 45 der Richtlinie 2001/83/EG) unvernünftig und übertrieben, so daß sie dem generalklauselartigen Tatbestand des Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 92/28/EWG (entsprechend Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG) unterfallen müsse.

Selbst wenn die Nichterwähnung des Verbots dieser Werbeform in der Richtlinie 2001/83/EG im Einzelfall nicht ausschließt, daß diese Werbeform dem Verbot aus der generalklauselartigen Regelung des Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG unterfällt, stellt sich die weitere Frage, ob eine Internetwerbung mit einer monatlichen Verlosung eines Preises von lediglich geringem Wert aus dem Verbot herausfällt.

Dabei ist nach Auffassung des Senats auf den Regelungskatalog des Art. 90 der Richtlinie 2001/83/EG abzustellen. Ein Verhalten, das über die Generalklausel verboten wird, müßte das Gewicht der ausdrücklich verbotenen Verhaltensweisen erreichen. Es erscheint zumindest fraglich, ob eine Internetwerbung, die eine aktive Nachfrage des Interessenten erfordert statt sich ihm unaufgefordert aufzudrängen und die die Auslosung eines Preises von nur geringem Wert enthält, dieses Gewicht haben kann.

5. Zur dritten Frage:

Im Hinblick auf die Maßgeblichkeit des rechtlichen Rahmens auch im Zeitpunkt der Wettbewerbshandlung (vgl. II. 1. b)) stellen sich die erörterten Fragen gleichfalls für die Richtlinie 92/28/EWG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2005 S. 3376 Nr. 46
NJW 2006 S. 800 Nr. 11
RAAAB-97539

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja