BGH Urteil v. - I ZR 64/01

Leitsatz

[1] Die Vorschrift des § 59k BRAO hat eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion.

Eine Steuerberatungsgesellschaft, die eine Kurzbezeichnung (hier: KPMG) zulässigerweise in ihrer Firma führt, kann in analoger Anwendung des § 59k Abs. 1 Satz 2 BRAO nach Ausweitung ihrer Tätigkeit auf das Gebiet einer Rechtsanwaltsgesellschaft die Kurzbezeichnung grundsätzlich beibehalten.

Gesetze: UWG § 1; BRAO § 59k; BORA § 9

Instanzenzug:

Tatbestand

Die Beklagte, die 1977 als Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in das Handelsregister eingetragen wurde, firmierte zunächst unter "A. Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft". Nach Rückgabe ihrer Zulassung als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft änderte sie am ihre Firma in "KPMG Treuhand GmbH Steuerberatungsgesellschaft" und am in "KPMG Treuhand & G. Steuerberatungsgesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft". Weitere Änderungen der Firmierung der Beklagten erfolgten am in "KPMG Treuhand & G. GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft" und am in "KPMG Treuhand B. B. GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft". Im Laufe des Revisionsverfahrens hat die Beklagte die Firma erneut geändert.

Die Kläger, ein Anwaltsverein und eine Rechtsanwaltskammer, sind der Ansicht, die Führung des Bestandteils "KPMG" in der Firma einer Rechtsanwaltsgesellschaft sei nach der Bundesrechtsanwaltsordnung verboten. Sie haben die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, in ihrem Firmennamen die Buchstabenreihung "KPMG" zu führen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (LG Leipzig NJW 2001, 1732).

Mit der (Sprung-)Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Landgericht hat in der Verwendung der Buchstabenkombination "KPMG" in der Firma der Beklagten einen Verstoß gegen § 59k BRAO gesehen und den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Firma der Beklagten habe nach § 59k BRAO die Bezeichnung Rechtsanwaltsgesellschaft und den Namen wenigstens eines Gesellschafters, der Rechtsanwalt sei, zu enthalten. Sonstige Firmenbestandteile seien nur zulässig, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben seien. Dies sei bei der Buchstabenfolge "KPMG" nicht der Fall, weshalb dieser Zusatz in der Firma der Beklagten unzulässig sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die Buchstabenfolge in der Firmierung einer Steuerberatungsgesellschaft zulässig gewesen sei. Die Ausnahmevorschrift des § 59k Abs. 1 Satz 2 BRAO über die Fortführung von Kurzbezeichnungen von Sozietäten sei nicht einschlägig.

Die Bestimmung des § 59k BRAO sei eine wettbewerbsrelevante Vorschrift, die dem Schutz eines wichtigen Gutes der Allgemeinheit diene. Sie bezwecke die Wahrung der Wettbewerbsgleichheit, der Individualisierung der Rechtsanwaltsgesellschaft und der Verhinderung einer Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Die Klagebefugnis der Kläger folgt aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG (vgl. für eine Rechtsanwaltskammer: , GRUR 2003, 886 = WRP 2003, 1103 - Erbenermittler; für einen Anwaltsverein: , GRUR 1993, 834, 835 = WRP 1992, 706 - Haftungsbeschränkung bei Anwälten).

2. Das Landgericht hat zu Unrecht einen Unterlassungsanspruch der Kläger aus § 1 UWG i.V. mit § 59k BRAO bejaht. Die beanstandete Firmierung der Beklagten mit der Buchstabenfolge "KPMG" verstößt nicht gegen § 59k BRAO.

a) Entgegen der Ansicht der Revision hat die Bestimmung des § 59k BRAO nicht lediglich eine registerrechtliche Bedeutung, sondern eine wettbewerbsbezogene Schutzfunktion.

Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kommt ein Anspruch aus § 1 UWG in Fällen, in denen ein beanstandetes Verhalten gegen ein Gesetz verstößt, nur dann in Betracht, wenn von dem Gesetzesverstoß zugleich eine unlautere Störung des Wettbewerbs auf dem Markt ausgeht. Es muß daher anhand einer am Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtenden Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens geprüft werden, ob dieses durch den Gesetzesverstoß das Gepräge eines unlauteren Verhaltens bekommt. Der Gesetzesverstoß kann dazu allein nicht genügen, wenn die verletzte Norm nicht zumindest auch eine wettbewerbsbezogene, d.h. - entsprechend dem Normzweck des § 1 UWG - eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat (vgl. BGHZ 150, 343, 347 f. - Elektroarbeiten; , GRUR 2003, 164, 165 = WRP 2003, 262 - Altautoverwertung; Urt. v. - I ZR 292/00, GRUR 2003, 969, 970 = WRP 2003, 1350 - Ausschreibung von Vermessungsleistungen).

Als spezielle gesetzliche Regelung zu § 4 GmbHG enthält § 59k BRAO Bestimmungen zur Firma der Rechtsanwaltsgesellschaft. Die Vorschrift dient der eindeutigen Außendarstellung der Rechtsanwaltsgesellschaften und damit dem Schutz der Öffentlichkeit vor Irreführungen und der Wahrung der Wettbewerbsgleichheit innerhalb des Berufsstands (vgl. Feuerich/Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung, 6. Aufl., § 59k Rdn. 2). Sie hat daher auch eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion.

b) Entgegen der Annahme des Landgerichts verstößt die Buchstabenkombination "KPMG" in der Firma der Beklagten aber nicht gegen § 59k Abs. 1 BRAO. Nach dieser Vorschrift, die mit Wirkung vom durch das Gesetz zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und anderer Gesetze vom (BGBl. I S. 2600) eingeführt worden ist, muß die Firma der Gesellschaft den Namen wenigstens eines Gesellschafters, der Rechtsanwalt ist, und die Bezeichnung Rechtsanwaltsgesellschaft enthalten. Sonstige Firmenbestandteile dürfen, soweit nicht ein Fall des § 59k Abs. 1 Satz 2 BRAO vorliegt, nur geführt werden, soweit sie gesetzlich vorgeschrieben sind. Daraus folgt ein Verbot gesetzlich nicht vorgeschriebener Sachbezeichnungen.

aa) Die Bestimmung des § 59k Abs. 1 Satz 3 BRAO begegnet allerdings im Hinblick auf Art. 3 und Art. 12 GG verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Kleine-Cosack, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl., § 59k Rdn. 12; Hartung/Holl/Römermann, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., § 59k BRAO Rd. 10; Henssler, JZ 2001, 337, 341 f.; offengelassen AnwGH Hamburg NJW 2002, 3557, 3558).

Rechtsanwälte können mit Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern Gesellschaften bilden (§§ 28, 44b WPO, §§ 50, 50a StBerG, §§ 59a, 59e BRAO). Für Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften hat der Gesetzgeber in § 31 WPO und § 53 StBerG eine dem § 59k Abs. 1 Satz 3 BRAO vergleichbare Bestimmung, durch die weitere Zusätze in der Firma von Rechtsanwaltsgesellschaften ausgeschlossen werden, nicht aufgenommen. Weder dem Gesetzgebungsverfahren noch den Bestimmungen über die Rechtsanwaltsgesellschaften (§§ 59c-m BRAO) ist ein Grund für eine gegenüber Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften abweichende Regelung zu entnehmen. Er ist auch nicht aufgrund von Besonderheiten bei in der Form von Gesellschaften mit beschränkter Haftung betriebenen Rechtsanwaltsgesellschaften gegenüber denjenigen GmbHs ersichtlich, die von anderen freien Berufen nach den jeweiligen maßgeblichen berufsrechtlichen Bestimmungen betrieben werden (vgl. auch BGHZ 148, 270, 282).

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 59k Abs. 1 Satz 3 BRAO ergeben sich weiter daraus, daß vergleichbare Einschränkungen für die Firmierung bei Zusammenschlüssen von Rechtsanwälten in anderer Rechtsform als derjenigen einer GmbH nicht erfolgt sind. Der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs hat die Bezeichnung "CMS" als Teil des Namens einer Rechtsanwaltssozietät für zulässig erachtet, weil es sich um einen Hinweis auf eine gleichnamige Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) nach § 8 Satz 2 BORA handelte, an der die Anwaltssozietät mittelbar beteiligt war (vgl. AnwZ (B) 12/01, NJW 2002, 608). Einen Hinweis auf eine internationale Kooperation von Rechtsanwälten (in jenem Fall: Andersen Legal) hat der Anwaltsgerichtshof Hamburg (NJW 2002, 3557) ebenfalls nicht beanstandet (zur Zulassung einer Phantasiebezeichnung als Firma einer Rechtsanwalts-AG vgl. BayObLG NJW 2000, 1647 einerseits und OLG Nürnberg NJW 2003, 2245 andererseits).

Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 59k Abs. 1 Satz 3 BRAO kann vorliegend jedoch im Ergebnis offenbleiben.

bb) Die Beklagte kann die beanstandete Buchstabenfolge "KPMG" aufgrund einer analogen Anwendung des § 59k Abs. 1 Satz 2 BRAO zulässigerweise führen. Nach dieser Vorschrift darf eine Rechtsanwaltsgesellschaft im Falle der Fortführung einer Sozietät eine zulässig verwendete Kurzbezeichnung in die Firma aufnehmen. Dadurch soll der immaterielle Wert einer von einer Sozietät zulässigerweise verwendeten Kurzbezeichnung geschützt werden (vgl. Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und anderer Gesetze, BT-Drucks. 13/9820, S. 18). Daß tatsächlich ein immaterieller Wert der Kurzbezeichnung existiert, ist nicht Voraussetzung des § 59k Abs. 1 Satz 2 BRAO.

Seinem Wortlaut nach ist § 59k Abs. 1 Satz 2 BRAO auf eine Fortführung einer Sozietät beschränkt. Ob darunter neben der BGB-Gesellschaft auch die Partnerschaftsgesellschaft fällt, ist umstritten (bejahend: Kleine-Cosack aaO § 59k Rdn. 7; Hartung/Holl/Römermann aaO § 59k BRAO Rdn. 7; verneinend: Feuerich/Weyland aaO § 59k Rdn. 6). Jedenfalls ist die Bestimmung analog auf die Fortführung von sonstigen Personen- und Kapitalgesellschaften durch eine Rechtsanwaltsgesellschaft anwendbar, mit denen diese zulässigerweise kooperieren kann (§ 59a BRAO). Mit der in § 59k Abs. 1 Satz 2 BRAO geregelten Fortführung einer Sozietät durch eine Rechtsanwaltsgesellschaft ist der Sachverhalt vergleichbar, daß eine Rechtsanwaltsgesellschaft eine Gesellschaft aus Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und den sonstigen in § 59a BRAO angeführten Berufsgruppen fortsetzt, die unabhängig von ihrer Rechtsform eine Kurzbezeichnung in der Firma zulässigerweise verwendet hat. Auch hier besteht die Möglichkeit, daß wie bei der Sozietät i.S. von § 59k Abs. 1 Satz 2 BRAO ein immaterieller Wert der Kurzbezeichnung entstanden ist. Die analoge Anwendung des § 59k Abs. 1 Satz 2 BRAO erfaßt alle Gesellschaften, die auf einem der in § 59a BRAO angeführten Berufsfelder tätig waren. Denn es ist kein Grund ersichtlich, Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die zulässigerweise eine Kurzbezeichnung führen konnten (vgl. § 53 StBerG, § 31 WPO), die Möglichkeit zur Weiterführung einer Kurzbezeichnung zu versagen, wenn sie auch als Rechtsanwaltsgesellschaft tätig werden, soweit diese Kurzbezeichnung mit der BORA vereinbar ist.

Der analogen Anwendung des § 59k Abs. 1 Satz 2 BRAO steht schließlich auch nicht die Übergangsvorschrift des Art. 8 des Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und anderer Gesetze vom (BGBl. I S. 2600, 2607) entgegen. Diese sollte nur dazu dienen, die bereits bestehenden Rechtsanwaltsgesellschaften und Zusammenschlüsse, die eine entsprechende Bezeichnung führten, innerhalb einer Übergangsfrist an die Neuregelung des § 59k BRAO anzupassen. Der Übergangsbestimmung ist jedoch kein Anhalt dafür zu entnehmen, daß eine entsprechende Anwendung des § 59k Abs. 1 Satz 2 BRAO ausscheidet.

Im Streitfall reicht es danach aus, daß die Beklagte die Kurzbezeichnung "KPMG" als Steuerberatungsgesellschaft zulässigerweise geführt hat (§ 53 StBerG) und auch nach Ausweitung ihrer Tätigkeit auf das Gebiet der Rechtsanwaltsgesellschaft kein Verstoß gegen Bestimmungen der BORA gegeben ist. Die Vorschrift des § 9 BORA findet auf die Rechtsanwaltsgesellschaft keine Anwendung (vgl. BayOblG NJW 2000, 1647, 1648). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die in der Satzungsversammlung bei der Bundesrechtsanwaltskammer vom gefaßten Beschlüsse über die Neufassung des § 9 Abs. 2 BORA und die Aufhebung des § 9 Abs. 3 BORA wirksam sind (vgl. BRAK-Mitteilungen 2003, 67 ff., insbesondere S. 69 Fn. 1). Denn die Vorschrift des § 9 BORA regelt sowohl nach der Fassung der Bekanntmachung vom als auch nach der in der Satzungsversammlung vom beschlossenen Neufassung des § 9 Abs. 2 BORA und der Aufhebung des § 9 Abs. 3 BORA nicht die Führung einer Kurzbezeichnung einer Rechtsanwaltsgesellschaft, sondern nur einer Sozietät, Partnerschaftsgesellschaft oder einer beruflichen Zusammenarbeit in sonstiger Weise (Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit) mit sozietätsfähigen Personen i.S. des § 59a BRAO.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2004 S. 512 Nr. 10
DB 2004 S. 809 Nr. 15
DStR 2004 S. 1851 Nr. 43
DStRE 2004 S. 1320 Nr. 21
INF 2004 S. 291 Nr. 8
UAAAB-97324

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja