Begrenzung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage; ordnungsgemäße Rüge eines Verfahrensmangels; Übergang des alleinigen Anfechtungs- und Klagerechts gegen Steuerbescheide auf den Insolvenzverwalter
Gesetze: FGO § 76 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2; InsO § 80; AO § 350
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen in der Begründung der Beschwerde die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden, d.h. in der Beschwerdeschrift muss entweder dargetan werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert, oder dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
1. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Das gilt insbesondere für die von dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) für grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage, ob auch im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung (InsO) die Einspruchsbefugnis nach § 350 der Abgabenordnung (AO 1977) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners auf den Insolvenzverwalter übergeht. Die Rechtsfrage ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil es an ihrer Klärungsbedürftigkeit fehlt. Somit ist die Zulassung der Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts erforderlich, da die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage auch Voraussetzung des Zulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 41).
a) Eine Rechtsfrage ist u.a. dann nicht klärungsbedürftig, wenn auf den Sachverhalt durch die Rechtsprechung geklärte Rechtsgrundsätze anzuwenden sind und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen (vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 46). Dies gilt auch dann, wenn bei einer gesetzlichen Neuregelung eines Sachverhalts in das neue Gesetz Tatbestandsmerkmale übernommen werden, zu denen es bereits eine feststehende höchstrichterliche Rechtsprechung gibt (, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587). Nicht anders zu behandeln ist der vorliegende Fall einer gesetzlichen Neuregelung, welche eine ältere gesetzliche Regelung übernimmt, zu der es eine feststehende höchstrichterliche Rechtsprechung gibt.
b) Nach § 80 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Die Vorschrift ist § 6 Abs. 1 der Konkursordnung (KO) nachgebildet und weicht von diesem nur durch die Einbeziehung des Neuerwerbs in die Haftungsmasse ab (vgl. Kroth in Braun, Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 80 Rz. 2), so dass im Übrigen die Rechtsprechung zu § 6 KO herangezogen werden kann. Dies gilt auch für die gefestigte Rechtsprechung des BFH, nach der mit Konkurseröffnung das alleinige Anfechtungs- und Klagerecht gegen Steuerbescheide dem Konkursverwalter zusteht (BFH-Beschlüsse vom VIII R 51/94, BFH/NV 1995, 663; vom X R 30/04, BFH/NV 2004, 1547; , BFHE 145, 495, BStBl II 1986, 408).
Die von dem Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde vorgebrachten Argumente rechtfertigen demgegenüber nicht die Zulassung der Revision. Soweit er sich auf den Sinn und Zweck des heutigen § 80 InsO beruft, übersieht er, dass dieser wie zu § 6 KO nach wie vor in der Sicherstellung der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger des Schuldners liegt (vgl. , BFH/NV 2003, 663). Demgegenüber enthält die Argumentation des Klägers, die Anfechtung belastender Steuerbescheide diene gerade der Verbesserung der Stellung der übrigen Insolvenzgläubiger, keinen neuen Gesichtspunkt. Sie übersieht zudem, dass die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger auch bei der Anfechtung belastender Steuerbescheide durch eine unzweckmäßige Prozessführung gefährdet zu werden vermag.
c) Auch soweit sich der Kläger gegen die Annahme einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe der Einkommensteuerbescheide durch das Finanzgericht (FG) wendet, ist die Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, deren Beantwortung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängt, nicht dargetan. Anders als vom Kläger behauptet hat das FG seine Entscheidung nicht auf einen Rechtssatz gestützt, nach dem die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts auch dann wirksam ist, wenn sie nicht gegenüber dem Bevollmächtigten erfolgt, sondern gegenüber einer diesem nahe stehenden Person. Der Sache nach geht es dem Kläger hier um eine Überprüfung einer möglicherweise fehlerhaften Rechtsanwendung von § 122 Abs. 1 AO 1977 im Einzelfall. Auf die materielle Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils kann die Zulassung der Revision jedoch nicht gestützt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289).
2. Für eine schlüssige Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch das FG muss dargelegt werden, welche Tatfragen aufklärungsbedürftig sind, welche Beweise zu welchen Beweisthemen das FG nicht erhoben hat, warum der Kläger —sofern er durch einen Prozessbevollmächtigten vor dem FG vertreten war— nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat, warum die Beweiserhebung sich dem FG —auch ohne besonderen Antrag— nach Lage der Akten als erforderlich hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme —ausgehend von der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG— zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (BFH-Beschlüsse vom III B 118/98, BFH/NV 1999, 1478; vom VIII 12/05, BFH/NV 2006, 250).
Zwar hat das FG nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Der Amtsermittlungsgrundsatz wird aber durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt. Die Sachaufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, Beweisanträge zu ersetzen, welche die fachkundig vertretene Partei selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (BFH-Beschlüsse vom VIII B 41/99, BFH/NV 2000, 744; vom III B 7/03, BFH/NV 2004, 645). Die Beteiligten trifft im finanzgerichtlichen Verfahren eine Mitverantwortung für die Sachaufklärung. Für die klagende Partei gilt dies in besonderer Weise bezüglich der ihrem Einflussbereich oder zumindest ihrem Wissensbereich zuzurechnenden Tatsachen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 645).
Diesen Anforderungen genügt die Aufklärungsrüge hinsichtlich einer möglicherweise bestehenden Ermächtigung des Klägers durch den Insolvenzverwalter zur Einspruchseinlegung nicht. Es ist nicht vorgetragen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts in dieser Hinsicht auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag des Klägers bzw. seines Prozessvertreters aufdrängen musste.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2091 Nr. 11
RAAAB-97231