Verwertung von Zeugenaussagen aus einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren
Gesetze: FGO § 81, FGO § 96 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) meldete zum eine gewerbliche Tätigkeit unter der Bezeichnung „Energieberatung und Berechnung” an. Seine unternehmerische Tätigkeit übte er in einem Arbeitszimmer in dem mit seiner Familie bewohnten Einfamilienhaus aus.
Durch Kaufvertrag vom übertrug der Kläger das Unternehmen mit Wirkung vom auf den Schwiegersohn seiner Ehefrau, Herrn F. Dieser gab für das Unternehmen in den Streitjahren (1999 bis 2001) Umsatzsteuererklärungen ab.
Nach einem gegen den Kläger gerichteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren ging der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) davon aus, dass in den Streitjahren nicht F, sondern der Kläger (weiterhin) als Unternehmer aufgetreten sei und erließ gegen den Kläger unter Zurechnung der von F erklärten Umsätze entsprechende Umsatzsteuerbescheide.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung u.a. aus, maßgeblich für die Bestimmung der leistenden Person sei, wer als Unternehmer nach außen hin auftrete. Bereits nach den vorliegenden Unterlagen sei im Verhältnis zu den Kunden nach außen hin ausschließlich der Kläger als Unternehmer aufgetreten. Dies sei von dem (vom FG vernommenen) Zeugen F bestätigt worden. Dessen Aussage werde durch die vom Kläger nicht in Zweifel gezogenen Aussagen der Auftraggeber A, B und C gestützt, die im Rahmen des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im Rahmen ihrer Vernehmung als Zeuge bekundet hätten, ausschließlich Kontakt mit dem Kläger gehabt zu haben und den Namen F nicht zu kennen.
Unter diesen Umständen sei unerheblich, dass der Kläger sein Unternehmen durch Kaufvertrag an F übertragen und dieser mit der steuerrechtlichen Abwicklung ein Steuerberatungsbüro beauftragt und auch das Gewerbe auf seinen Namen angemeldet habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er begehrt die Zulassung der Revision wegen unrichtiger Rechtsanwendung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie wegen der Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO mangelnder Sachaufklärung und der Versagung rechtlichen Gehörs.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO zuzulassen.
Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordert eine Zulassung der Revision, wenn dem FG ein Rechtsfehler unterlaufen ist, der von erheblichem Gewicht und deshalb geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen. Ein solcher Fehler kommt nur bei offensichtlichen materiellen oder formellen Rechtsanwendungsfehlern des FG im Sinne einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung in Betracht (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom I B 43/04, BFH/NV 2005, 707; vom II B 9/04, BFH/NV 2006, 24; vom V B 37-39, 57/03, BFH/NV 2004, 829).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) grundsätzlich derjenige ist, der als Unternehmer nach außen hin auftritt (vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 191/00, BFH/NV 2001, 1152; vom V B 12/02, BFH/NV 2004, 97, unter II.1.c). Es hat von diesem rechtlichen Ausgangspunkt aus den Sachverhalt —nach Beweisaufnahme— gewürdigt und ist zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt. Der Kläger wendet sich mit seinem Vorbringen, die Anwendung der vom BFH herausgearbeiteten Beweisanzeichen für die Unternehmereigenschaft i.S. des § 2 Abs. 1 UStG auf den vorliegenden Sachverhalt bringe das Ergebnis, dass der Kläger kein Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift sei, im Kern gegen die Würdigung des FG. Dessen Rechtsanwendung ist nicht willkürlich oder greifbar gesetzwidrig.
2. Eine Zulassung der Revision kommt auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Betracht. Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das FG nicht gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) verstoßen. Das FG musste nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht den Kläger zur Aussage des Zeugen F anhören.
Der Kläger bezieht sich insoweit auf die Aussage des Zeugen F, der ausgesagt hat, er „meine”, dass der Kläger gegenüber den Kunden deutlich gemacht habe, dass er, F, nun die Leistungen erbringe. Der Kläger trägt vor, das FG hätte sich nicht auf diese „lückenhafte Aussage” stützen und daraus schließen dürfen, er (der Kläger) habe seine Kunden nicht über den Inhaberwechsel informiert.
Tatsächlich hat jedoch das FG —zugunsten des Klägers— in den Entscheidungsgründen ausgeführt, F habe erklärt (und nicht lediglich „gemeint”), der Kläger habe bei Übernahme die Kunden von dem Unternehmensübergang informiert (FG-Urteil S. 4). Das FG ist mithin —entgegen der Darstellung des Klägers— bei der Urteilsfindung nicht von einer insoweit lückenhaften Aussage des F ausgegangen.
Überdies fehlt der Vortrag, inwiefern eine weitere Aufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. dazu z.B. , BFH/NV 2005, 1861).
Eine Vernehmung des Klägers als Beteiligter kam angesichts des von ihm vor der mündlichen Verhandlung vorgelegten ärztlichen Attests ohnehin nicht in Betracht. Darin ist u.a. ausgeführt, der Gesundheitszustand des Klägers sei stark beeinträchtigt. Eine Genesung erfordere „absolute Ruhe und die Vermeidung von Aufregungen jeglicher Art”. Der Kläger habe von einem bevorstehenden Verhandlungstermin vor dem FG berichtet. Aus ärztlicher Sicht solle „eine Teilnahme an einem derartigen Termin unbedingt unterbleiben, da die damit verbundene Aufregung zu massivsten Gesundheitsbeeinträchtigungen und dauerhaften Gesundheitsstörungen führen könnte”.
b) Schließlich rügt der Kläger ohne Erfolg, das angefochtene Urteil beruhe auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das FG die Aussagen der nicht im Finanzgerichtsprozess, sondern im bereits zuvor eingeleiteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren gehörten Zeugen A, B und C berücksichtigt und ihn (den Kläger) über diese Vorgehensweise nicht vorab informiert habe.
Entgegen der Auffassung des Klägers war das FG nicht gehalten, den Kläger darauf hinzuweisen, dass es diese außerhalb des finanzgerichtlichen Verfahrens gewonnenen Zeugenaussagen zum Gegenstand seines Urteils machen wolle.
Das FA hatte sich im Klageverfahren im Schriftsatz vom auf die Aussagen von Auftraggebern berufen und hierzu beispielhaft eines der Vernehmungsprotokolle beigefügt. Es hatte ferner im Schriftsatz vom vorgetragen, A, B und C hätten übereinstimmend ausgesagt, den Namen F nicht zu kennen. Das FG hatte daraufhin um Vorlage der Ermittlungsakte des gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahrens gebeten und dies dem Kläger mitgeteilt. Unter diesen Umständen war das FG nicht gehalten, den Kläger darauf hinzuweisen, dass es die in der Ermittlungsakte enthaltenen Aussagen von A, B und C berücksichtigen werde. Das FG kann sich die Feststellungen aus —wie im Streitfall— in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführten Ermittlungsakten zu eigen machen, falls nicht die Verfahrensbeteiligten substantiierte Einwendungen vortragen und entsprechende Beweisanträge stellen (vgl. z.B. , BFH/NV 2000, 215, m.w.N.). Den Beteiligten bleibt es unbenommen, durch entsprechende Beweisanträge die Verwendung unmittelbarer Beweismittel anstelle des mittelbaren Beweismittels sicherzustellen (vgl. , BFHE 153, 463). Hiervon hat der Kläger jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2092 Nr. 11
PAAAB-97210