BGH Beschluss v. - I ZB 13/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin hatte gegen die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner Zahlungs- und Feststellungsklage erhoben; die Beklagten waren durch denselben Prozeßbevollmächtigten vertreten.

Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 antragsgemäß verurteilt und weiter u.a. ausgesprochen, daß sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trage. Die Klage gegen die Beklagte zu 2 hat es abgewiesen und weiter ausgesprochen, daß deren außergerichtlichen Kosten die Klägerin trage.

Im Kostenfestsetzungsbeschluß hat das Landgericht die von der Klägerin der Beklagten zu 2 zu erstattenden Kosten auf 3.962 DM festgesetzt. Dabei hat es die außergerichtlichen Kosten in der Höhe zugrunde gelegt, die bei der Beklagten zu 2 angefallen wären, wenn sie einen eigenen Prozeßbevollmächtigten beauftragt hätte.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin ist erfolglos geblieben.

Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihre Auffassung weiter, an außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 sei nur der Betrag anzusetzen, den diese tatsächlich und notwendigerweise aufgebracht habe. Die Beklagte zu 2 beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Bei der gegebenen Sachlage könne der obsiegende Streitgenosse gegenüber der Klägerin in vollem Umfang diejenigen Kosten geltend machen, die er seinen Prozeßbevollmächtigten zu zahlen hätte, wenn diese allein für ihn tätig geworden wären. Das beruhe auf der Erwägung, daß die von den Streitgenossen durch die Bestellung gemeinsamer Prozeßbevollmächtigter erzielte Kostenersparnis billigerweise ihnen und nicht dem Prozeßgegner zugute kommen müsse. Für die Klägerin bedeute dies keine unangemessene Härte, denn sie habe im Ergebnis keine höheren Kosten zu erstatten, als wenn die Beklagten - was sie nicht hätte verhindern können - jeweils eigene Prozeßbevollmächtigte beauftragt hätten. Eine Bereicherung der Beklagten zu 2 werde nicht bewirkt, wohl aber eine Entlastung der Beklagten zu 1. Das erscheine gerechtfertigt und auch prozeßökonomisch; es erspare, im Kostenfestsetzungsverfahren noch nach der tatsächlichen Kostentragung zu forschen und den Gründen dafür nachzugehen.

III. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Als notwendige Kosten, die einer Partei erwachsen sind und auf deren Erstattung sie nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO Anspruch hat, können bei Streitgenossen mit nur einem gemeinsamen Prozeßbevollmächtigten grundsätzlich nur die tatsächlich angefallenen, der wertmäßigen Beteiligung entsprechenden Kosten des gemeinsamen Anwalts festgesetzt werden.

1. Die im Streitfall zu entscheidende Rechtsfrage ist umstritten. Das Beschwerdegericht hat seine, von ihm in ständiger Rechtsprechung vertretene Meinung (vgl. OLG Hamburg JurBüro 1991, 108) auch auf eine zeitlich weit zurückliegende Entscheidung des beschließenden Senats (, JurBüro 1969, 941 m. abl. Anm. von Schneider; vgl. auch OLG Bamberg JurBüro 1988, 1182 und 1689; OLG Oldenburg JurBüro 1988, 484) gestützt. An dieser Auffassung hält der Senat, wie er bereits auf eine Anfrage des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs erklärt hat, nicht mehr fest (Beschl. v. - VIII ZB 100/02).

2. Ausgehend von der Kostengrundentscheidung, die bei in unterschiedlichem Umfang obsiegenden und unterliegenden Streitgenossen nach ständiger Praxis von der Baumbachschen Formel bestimmt wird, darf ein Unterlaufen dieser Grundentscheidung dadurch, daß der obsiegende Streitgenosse die vollen Kosten bei seinem Gegner liquidiert, nicht Platz greifen. Die Bestimmung des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO geht von der Notwendigkeit der erstattungsfähigen Kosten aus, so daß es darauf ankommt, ob der Streitgenosse auf Dauer in seinem Vermögen belastet wird. Dieses Verständnis der Vorschrift vermeidet auch das unbillige Ergebnis, daß ein Streitgenosse entgegen der Kostengrundentscheidung die vollen Anwaltskosten der Streitgenossen tragen muß. Der Senat tritt demnach der in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und dem Schrifttum weit überwiegend vertretenen Auffassung bei, daß für den obsiegenden Streitgenossen nur die ihm tatsächlich erwachsenen Anwaltskosten erstattungsfähig sind.

Im übrigen ist das Kostenrecht von dem Grundsatz beherrscht, daß keinesfalls höhere Kosten festgesetzt werden dürfen, als dem Berechtigten tatsächlich entstanden sind (BVerfGE 62, 189, 192 f.). Diesem Grundsatz würde es widersprechen, wenn die Beklagte zu 2 den Ersatz von Kosten erhielte, die sie ihrem Prozeßbevollmächtigten gar nicht schuldet. Dem steht nicht entgegen, daß die Beklagte zu 2 einen vollen Ersatzanspruch hätte, wenn sie - was die Klägerin auch nicht hätte verhindern können - einen eigenen Prozeßbevollmächtigten bestellt hätte. Notwendige Kosten im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO können nur aufgewendete Kosten, nicht aber Kosten sein, die eine Partei hätte aufwenden können ().

IV. Danach war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
OAAAB-96516

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