BGH Beschluss v. - 4 StR 395/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 265; StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StGB § 242; StGB § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1; StGB § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3; StGB § 244 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 244 a Abs. 1

Instanzenzug: LG Bielefeld vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten B. unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren Bandendiebstahls in 20 Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, den Angeklagten Ba. wegen einer Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in 13 Fällen und zum Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Mit ihren hiergegen eingelegten Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts und wenden sich insbesondere gegen die Annahme von Bandentaten.

Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Zur Frage der Bande hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte B. vereinbarte vor Beginn der verfahrensgegenständlichen Taten im November 2003 mit einem polnischen Staatsangehörigen namens A. , im Bundesgebiet hochwertige Kraftfahrzeuge zu entwenden, sie in einem sicheren Versteck mit neuen Schließsystemen, Steuergeräten und Fahrzeugidentifikationsnummern (FIN) zu versehen und die so "umgearbeiteten" Fahrzeuge weiterzuverkaufen. Für jeden entwendeten Kraftwagen sollte der Angeklagte B. von A. 5.000 bis 6.000 Dollar erhalten. Gemäß der Absprache oblag die unmittelbare Durchführung der Autodiebstähle ausschließlich dem Angeklagten B. , während A. im Vorfeld der Taten die zur Überwindung der Sicherungssysteme notwendigen Motor- und Getriebesteuergeräte beschaffen und nach den Taten die Weiterveräußerung der durch Kurierfahrer nach Polen verbrachten Fahrzeuge besorgen sollte. Die Umarbeitung der FIN sollte von einem Partner des A. mit dem Decknamen "Meister" vorgenommen werden. Dieser reiste auf Veranlassung des A. jeweils eigens aus Polen ein. Nachdem das erste Versteck im Januar 2004 von der Polizei entdeckt worden war, erklärte sich der Angeklagte Ba. nach Verhandlungen mit A. und dem Angeklagten B. bereit, die entwendeten Fahrzeuge gegen Zahlung von 500 Euro pro Stück in einer von ihm angemieteten Scheune unterzustellen.

II.

1. Die Sachrüge hat in folgenden Fällen Erfolg:

a) Fälle 1 bis 6 der Urteilsgründe

In diesen Fällen hält die Verurteilung des Angeklagten B. wegen schweren Bandendiebstahls rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Annahme des Landgerichts, dass insoweit neben den Angeklagten B. und A. auch "Meister" Bandenmitglied im Sinne der §§ 244 a Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB sei, ist durch die Feststellungen nicht belegt.

Die Tätigkeiten, die "Meister" entfaltete, erfolgten erst, nachdem der Angeklagte B. die entwendeten Kraftfahrzeuge in einem Versteck sicher untergebracht hatte und die Diebstahlstaten beendet waren (vgl. BGHR StGB § 259 Abs. 1 Absatzhilfe 7; BGH NStZ 2003, 32). Sie dienten dazu, die Weiterveräußerung der Fahrzeuge durch A. zu ermöglichen. War dieser ausnahmsweise zur Übernahme eines Fahrzeugs nicht bereit oder kam es aus sonstigen Gründen nicht zu einer Einigung mit dem Angeklagten B. - wie später in den Fällen 17, 19 und 20 der Urteilsgründe - führte "Meister" keine Umarbeitungen durch.

Diese Tätigkeiten belegen die Mitgliedschaft des "Meister" in der Diebesbande nicht. Zwar kann auch eine Absprache hinsichtlich einer späteren Mitwirkung bei der Beuteverwertung als Teilnahme bei der Vortat und außerdem als Hehlerei in Betracht kommen (vgl. BGHSt 7, 134, 142; BGH NStZ 2002, 200, 201 m.w.N.). Eine solche lag jedoch nach den Urteilsfeststellungen hier nicht vor. Das Tätigwerden des "Meister" erfolgte ohne konkreten Bezug zu den Diebstahlstaten; es geschah nur im Interesse und auf Einzelweisung des A. im Hinblick auf dessen Hehlereihandlungen. Dies vermag eine Mitgliedschaft in einer Diebstahlsbande nicht zu begründen (vgl. BGH StV 2001, 459; BGH NStZ 2003, 32).

Der Angeklagte B. hat sich demnach in den Fällen 1 bis 6 der Urteilsgründe jeweils nur wegen Diebstahls strafbar gemacht (§§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB).

b) Fälle II. 7 und 9 der Urteilsgründe

Auch in diesen Fällen hält die Verurteilung des Angeklagten B. wegen schweren Bandendiebstahls ebenso wie die des Angeklagten Ba. wegen Beihilfe dazu rechtlicher Prüfung nicht stand. In diesen beiden Fällen entwendete der Angeklagte B. Kraftfahrzeuge, die nicht zum Weiterverkauf bestimmt waren, sondern die er ausschließlich für seinen eigenen Gebrauch verwenden wollte und auch, nachdem sie zunächst in der von dem Angeklagten Ba. zur Verfügung gestellten Scheune gesichert worden waren, verwendet hat. Diese Taten waren daher nicht Ausfluss der Bandenabrede (vgl. ), sondern geschahen losgelöst davon.

Die Angeklagten haben sich insoweit nur des Diebstahls, §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB (B. ) bzw. der Beihilfe dazu (Ba. ) schuldig gemacht. Bei Letzterem entfällt in beiden Fällen auch der Vorwurf einer tateinheitlich begangenen gewerbsmäßigen Bandenhehlerei.

c) Fall II. 13 der Urteilsgründe

Insoweit ist der Angeklagte B. ebenfalls nicht wegen (schweren) Bandendiebstahls, sondern nur wegen Diebstahls, §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB, zu bestrafen, da eine Beteiligung des Angeklagten Ba. an dem Kraftfahrzeugdiebstahl nicht sicher festgestellt werden konnte.

2. Fälle II. 8, 10 bis 12, 14, 16 bis 23 der Urteilsgründe

Hinsichtlich dieser Taten hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, dass sich die Angeklagten B. , A. und Ba. zu einer "Dreier(diebes)bande" zusammengeschlossen hatten und die Kraftfahrzeugdiebstähle (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB) als schwere Bandendiebstähle zu bewerten sind, da sie unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begangen wurden.

Entgegen der Ansicht der Revision steht dem nicht entgegen, dass entsprechend der Bandenabrede an den Diebstählen ein täterschaftlicher Beitrag ausschließlich vom Angeklagten B. erbracht werden sollte, während A. und Ba. insoweit lediglich Gehilfendienste im Vorfeld der Taten und nach Vollendung leisten sollten.

Wie der Senat im Anschluss an BGHSt 46, 321 entschieden hat (BGHSt 47, 214), kann Mitglied einer Bande auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen. Die in der Bandenabrede begründete erhöhte abstrakte Gefährlichkeit durch die auf eine gewisse Dauer angelegte enge Bindung, die einen ständigen Anreiz zur Fortsetzung der kriminellen Tätigkeit bildet (Organisationsgefahr), besteht bei einer Diebesbande unabhängig davon, ob dem einzelnen Mitglied bei der Verwirklichung der konkreten Tat eine "täterschaftliche" Beteiligung zufällt. Ebenso wie es zur Qualifikation der Einzeltat als Bandentat genügt, dass bei der eigentlichen Tatbegehung ein Bandenmitglied allein handelt und sich die erforderliche Mitwirkungshandlung eines weiteren Bandenmitglieds in Beihilfehandlungen etwa im Vorbereitungsstadium erschöpft, ist die Zusage regelmäßiger Erbringung solcher Tatbeiträge auch grundsätzlich geeignet, die Bandenmitgliedschaft zu begründen (vgl. Erb JR 2002, 337, 339 unter Hinweis auf BGHSt 46, 321). Allerdings darf es sich nicht um Beiträge von gänzlich untergeordneter Bedeutung handeln, da diese eine Organisationsgefahr schwerlich begründen oder steigern können. So verhält es sich hier indes nicht:

Die Tätigkeit des A. war für die Diebstahlstaten von erheblicher Bedeutung. Bereits der Tatplan stammte von A. , die Besorgung der für die Tatdurchführung unbedingt notwendigen Steuergeräte erfolgte durch ihn, außerdem sicherte er in aller Regel die Abnahme der entwendeten Kraftfahrzeuge zu einem Festpreis zu. Dass A. damit zugleich an einer Diebesbande (als Gehilfe) und einer Hehlerbande (als Täter) beteiligt war, steht zu der Gesetzeslage nicht in Widerspruch. Allerdings sieht das Gesetz eine aus Dieben und Hehlern bestehende "gemischte" Bande als Qualifikationsmerkmal nur bei den Hehlereitatbeständen (§§ 260 Abs. 1 Nr. 2, 260 a Abs. 1 StGB) vor, nicht dagegen bei den entsprechenden Diebstahlstatbeständen (§§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244 a Abs. 1 StGB). Damit scheidet indes die Annahme einer aus der Mindestanzahl von Mitgliedern bestehenden Diebesbande nur aus, wenn sich jemand, der nur Hehler ist, mit zwei anderen am Diebstahl Beteiligten zusammenschließt, nicht aber, wenn der Betreffende nach der Bandenabrede auch zugleich an den Diebstahlstaten teilnehmen soll. Dieses Ergebnis ist die Konsequenz aus der Rechtsprechung, die eine Vereinbarkeit von Hehlerei und Teilnahme am Diebstahl anerkennt (so schon BGHSt 7, 134).

Auch die Beihilfehandlungen des Angeklagten Ba. waren nach den Feststellungen für die Diebstahlstaten von Gewicht. Er stellte gegen Entgelt die von ihm gemietete Scheune zur Verfügung und garantierte so die Sicherung der Diebesbeute unmittelbar nach der Tat. Seine nicht unerhebliche Einbindung in die Bandenstruktur wird auch dadurch belegt, dass nur er über einen Schlüssel zu der Scheune verfügte.

III.

1. In den Fällen 1 bis 7, 9 und 13 der Urteilsgründe ändert der Senat die Schuldsprüche wie in der Beschlussformel ersichtlich, da ausgeschlossen werden kann, dass im Rahmen einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen Bandentaten rechtfertigen würden. § 265 StPO steht der Änderung der Schuldsprüche nicht entgegen, da sich die geständigen Angeklagten gegen die geringeren Vorwürfe nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

2. Die Schuldspruchänderung bedingt beim Angeklagten B. die Aufhebung der in den Fällen 1 bis 7, 9 und 13 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie des Gesamtstrafausspruchs. Es ist nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte.

Der Strafausspruch beim Angeklagten Ba. wird durch die Schuldspruchänderung nicht berührt. Im Hinblick auf die insgesamt erfolgte tateinheitliche Verurteilung und den nahezu unveränderten Schuldgehalt schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung auf eine noch niedrigere Strafe erkannt hätte.

Fundstelle(n):
MAAAB-95604

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