Leitsatz
[1] Die Grundsätze, wonach ein wirksam betriebsbedingt gekündigter Arbeitnehmer nach Kenntniserlangung von einem Betriebsübergang ein Fortsetzungsverlangen gegenüber dem Betriebserwerber unverzüglich geltend machen muss, gelten nicht beim Übergang eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses.
Gesetze: BGB § 613a; BGB § 242
Instanzenzug: ArbG Berlin 51 Ca 29042/01 vom LAG Berlin 6 Sa 961/02 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch einen Betriebsübergang auf die Beklagte übergegangen ist.
Der schwerbehinderte Kläger war seit bei der Deutsche Orthopädische Werke GmbH & Co. KG (DOW) in deren Niederlassung in Berlin als technischer Betriebsleiter der Betriebsstelle G-Straße beschäftigt. Bei dieser Betriebsstätte handelte es sich um ein reines Auslieferungslager, in dessen Werkstatt lediglich sog. Notreparaturen durchgeführt wurden, um die ausgegebenen orthopädischen Hilfsmittel in einen funktionstüchtigen Zustand zu versetzen. In dem Arbeitsvertrag vom war dem Kläger seine vorangegangene Betriebszugehörigkeit bei der F GmbH ab angerechnet worden.
Im April 2001 entzog die AOK Berlin der DOW wegen deren wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Zulassung zur Abgabe medizinischer Hilfsmittel. Da die Ersatzkassen ihr die Abwicklung bereits vorliegender Aufträge gestatteten, war es dem inzwischen eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalter möglich, die Geschäftstätigkeit der DOW aufrechtzuerhalten.
Mit Schreiben vom stellte der Geschäftsführer der DOW den Kläger mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von der Arbeit frei. Am folgenden Tag wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der DOW eröffnet. Seit dem entfaltete die in Niedersachsen ansässige Beklagte in der Betriebsstätte G-Straße betriebliche Aktivitäten, wozu sie auch einen Teil der dortigen Mitarbeiter weiterbeschäftigte. Eine durch den Insolvenzverwalter vom wegen Betriebsstilllegung erklärte Kündigung des Klägers wurde nach Hinweis auf die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers mit Schreiben des Insolvenzverwalters vom widerrufen. In diesem Schreiben wiederholte der Insolvenzverwalter die Freistellung des Klägers von der Arbeitsleistung. Anfang 2002 bezog die Beklagte neue Betriebsräume.
Mit seiner mit Schriftsatz vom erhobenen Klage macht der Kläger geltend, sein Arbeitsverhältnis sei auf Grund eines Betriebsübergangs auf die Beklagte übergegangen und bestehe seit dem zu dieser fort. Die Beklagte habe den Geschäftsbetrieb der Betriebsstätte G-Straße unverändert weitergeführt und sämtliche Mitarbeiter dieser Betriebsstätte außer ihm übernommen. Er habe von dem Betriebsübergang zunächst nichts gewusst und sei davon ausgegangen, der Insolvenzverwalter werde ihm mit einer Zustimmung der Hauptfürsorgestelle eine Neukündigung aussprechen. Erst später habe er von dem Betriebsübergang erfahren.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass sein ursprüngliches Arbeitsverhältnis zur DOW seit dem zur Beklagten fortbestehe.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Betriebsübergang liege nicht vor. Sie habe von den rund 300 Mitarbeitern der DOW in Deutschland ca. 60 übernommen, von den etwa 50 am Standort Berlin beschäftigten Mitarbeitern insgesamt 22. In Berlin sei lediglich die Betriebsstätte in der G-Straße von ihr fortgeführt worden. Während die DOW auch medizinische Hilfsmittel produziert habe, verfolge sie ausschließlich den unternehmerischen Zweck, als sog. Lager für die Krankenkassen zu fungieren und den Einsatz der Hilfsmittel zu organisieren. Von den ca. 15 Mitarbeitern in der Betriebsstätte G-Straße seien von ihr aus der Tourenplanung die Arbeitnehmer S und Si und aus der Werkstatt/Auslieferungsvorbereitung die Arbeitnehmer K und B nicht übernommen worden. Der Umzug in neue Räumlichkeiten sei erforderlich gewesen, weil die vorhandenen Räume für die Krankenkassen nicht mehr akzeptabel gewesen seien. Es liege daher auch kein Teilbetriebsübergang vor. Jedenfalls habe der Kläger es versäumt, sich unverzüglich an sie wegen einer Weiterbeschäftigung zu wenden. Die Klage sei verwirkt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis seit dem zur Beklagten fortbesteht. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist am auf Grund eines Betriebsteilübergangs gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen. Die Feststellungsklage des Klägers ist nicht verwirkt.
I. Das Landesarbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers auf Grund eines Betriebsteilübergangs zu der Beklagten fortbestehe und der Kläger das auch rechtzeitig geltend gemacht habe. Es hat im Wesentlichen ausgeführt:
1. Die Klage sei zulässig, der Kläger habe ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung des Fortbestands seines mit der DOW begründeten Arbeitsverhältnisses zur Beklagten. Das Rechtsschutzinteresse des Klägers sei nicht auf Grund einer Prozessverwirkung analog § 242 BGB entfallen. Dabei könne dahinstehen, ob für die Verwirkung das sog. Zeitmoment gegeben sei. Jedenfalls fehle es am Umstandsmoment. So sei ein berechtigtes Vertrauen der Beklagten, der Kläger sei nicht an einer Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten interessiert, nicht gegeben.
2. Entgegen der Auffassung der ersten Instanz sei der Kläger auch nicht gehindert, eine Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses gegenüber der Beklagten wegen eines Betriebsteilübergangs geltend zu machen. Anders als bei dem Fortsetzungsverlangen gegenüber dem Betriebserwerber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch wirksame Kündigung des Betriebsveräußerers stehe der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bei einer Freistellung durch den Veräußerer außer Streit. Die Geltendmachung des auf den Betriebserwerber übergegangenen Arbeitsverhältnisses müsse daher nicht "unverzüglich" erfolgen.
3. Die Beklagte habe am mit der Betriebsstätte G-Straße einen Teilbetrieb der DOW übernommen. Diese Betriebsstätte sei als Auslieferungslager für medizinische Hilfsmittel eine organisatorische Untergliederung der Niederlassung der DOW in Berlin gewesen. Der Betriebsteil habe nach der Übernahme durch die Beklagte seine Identität behalten, weil die Beklagte ab dem in denselben Räumlichkeiten wie zuvor die DOW ein Auslieferungslager für medizinische Hilfsmittel betrieben habe. Damit habe sie denselben Betriebszweck wie die DOW weiterverfolgt. Die Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit sei ohne zeitliche Unterbrechung erfolgt. Die DOW habe trotz des Entzugs der Zulassung durch die AOK Berlin im April 2001 ihr Auslieferungslager G-Straße unter Aufsicht des vorläufigen Insolvenzverwalters bis weiter betrieben, um Altaufträge der Ersatzkassen abzuarbeiten. Die Beklagte habe ab die betriebliche Tätigkeit der DOW in der Betriebsstätte G-Straße mit wesentlichen Teilen der bisherigen Belegschaft fortgesetzt. Zwar seien nach Angaben der Beklagten von ca. 15 Arbeitnehmern in der Betriebsstätte G-Straße außer dem Kläger noch je zwei Mitarbeiter aus der Tourenplanung und der Auslieferungsvorbereitung nicht übernommen worden, ohne dass dies jedoch zu einer Änderung der Arbeitsorganisation geführt habe. Die Beklagte sei nicht auf die Akquirierung neuer Kunden angewiesen gewesen, da sie lediglich die früheren Geschäftsbeziehungen der DOW zu den diversen Krankenkassen habe wiederaufnehmen müssen. Der Annahme eines Betriebsteilübergangs stehe nicht entgegen, dass die Beklagte für den weiteren Betrieb des Auslieferungslagers für medizinische Hilfsmittel einer Zulassung durch die jeweilige Krankenkasse bedurfte. Auch der Umstand, dass die Zulassung der AOK Berlin vom mit Rücksicht auf den Zustand der Räumlichkeiten in der G-Straße zunächst bis befristet war, so dass Anfang 2002 ein Umzug in neue Räumlichkeiten erforderlich gewesen sei, stehe der Annahme eines Betriebsteilübergangs nicht entgegen.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung stand. Das Landesarbeitsgericht hat der Feststellungsklage zu Recht stattgegeben.
1. Die Feststellungsklage ist gem. § 256 ZPO zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Rechtsschutzinteresse des Klägers nicht auf Grund einer Verwirkung gem. § 242 BGB analog entfallen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Geltendmachung eines Betriebsübergangs durch den Arbeitnehmer wie jeder andere Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis verwirkt werden. Die Verwirkung tritt ein, wenn der Anspruchsberechtigte erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums den Anspruch erhebt (Zeitmoment) und dadurch beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, dieser werde nicht mehr in Anspruch genommen (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist ( - 8 AZR 583/01 - EzA BGB § 613a Nr. 209; - 2 AZR 711/87 - AP BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 5 = EzA BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 1).
Im Streitfall kann dahinstehen, ob das Zeitmoment für eine Verwirkung erfüllt ist. Hierfür könnte sprechen, dass der Kläger erstmalig mit der am der Beklagten zugestellten Klage den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zum auf die Beklagte geltend gemacht hat. Der Kläger hat nach eigenen Angaben auf einer Betriebsversammlung am erfahren, dass die Betriebsstätte G-Straße von der Beklagten übernommen wird.
Es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte nicht darauf vertrauen konnte, der Kläger würde sich nicht auf einen Übergang seines Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB berufen. Der Kläger war am durch den Geschäftsführer der DOW mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von der Arbeit freigestellt worden. Da diese Freistellung auch gegenüber einem Betriebserwerber wirksam ist, musste der Kläger seine Arbeitskraft gar nicht der Beklagten anbieten. Im Übrigen hatte der Insolvenzverwalter die dem schwerbehinderten Kläger am ausgesprochene Kündigung wegen fehlender Zustimmung der Hauptfürsorgestelle am widerrufen. Angesichts dessen konnte die Beklagte nicht vertrauen, der Kläger werde die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum oder zu einem späteren Zeitpunkt hinnehmen. Überdies hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass sie wegen dieses Vertrauens irgendwelche Dispositionen vorgenommen oder unterlassen habe.
b) Zu Unrecht verweist die Revision in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Senats vom (- 8 AZR 265/97 - BAGE 90, 153 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 5 = EzA BGB § 613a Nr. 171). Nach dieser Entscheidung hat der Arbeitnehmer, dem wirksam betriebsbedingt gekündigt worden war, nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen (zB durch nachträgliche Einstellung der organisierten Hauptbelegschaft) sein Fortsetzungsverlangen gegenüber dem Betriebserwerber "unverzüglich" geltend zu machen. Der Sachverhalt liegt hier anders, denn im Streitfall wäre das ungekündigte Arbeitsverhältnis rechtswirksam auf Grund § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen. Bei dieser Sachlage kommt nur eine Verwirkung des Anspruchs auf Geltendmachung des übergegangenen Arbeitsverhältnisses in Betracht ( - EzA BGB § 613a Nr. 209, zu II 1 b der Gründe).
2. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht entschieden, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers am auf Grund eines Teilbetriebsübergangs gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen ist.
a) Ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit "Betrieb" bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Zu den maßgeblichen Tatsachen zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, der Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen sowie die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeit (st. Rspr. BAG im Anschluss an - EuGHE I 1997, 1259 (Ayse Süzen) = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145: - 8 AZR 416/99 - BAGE 95, 1 = AP BGB § 613a Nr. 209 = EzA BGB § 613a Nr. 190; zuletzt beispielsweise - 8 AZR 319/01 - AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210; - 8 AZR 583/01 - EzA BGB § 613a Nr. 209). Dabei darf eine Einheit nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen ergeben, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr. BAG im Anschluss an - aaO: - 8 AZR 101/96 - BAGE 86, 20, 28 = AP BGB § 613a Nr. 154 = EzA BGB § 613a Nr. 149). In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden sind, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung ihrer Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hat. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen Auftragnehmer (Funktionsnachfolger) ohne Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel oder - in betriebsmittelarmen Betrieben - der Hauptbelegschaft keinen Betriebsübergang dar ( - BAGE 87, 296, 299, 300 = AP BGB § 613a Nr. 171 = EzA BGB § 613a Nr. 160).
Der Übergang eines Betriebsteils steht für dessen Arbeitnehmer dem Betriebsübergang gleich. Auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die übernommene wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt ( - AP BGB § 613a Nr. 196 = EzA BGB § 613a Nr. 185; - 8 AZR 583/01 - EzA BGB § 613a Nr. 209). Bei den übertragenen sächlichen und immateriellen Betriebsmitteln muss es sich um eine organisatorische Untergliederung handeln, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird, auch wenn es sich nur um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt. § 613a BGB setzt für den Teilbetriebsübergang voraus, dass die übernommenen Betriebsmittel bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten ( - NZA 1998, 253; - 8 AZR 555/95 - BAGE 86, 271, 277 f. = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 16 = EzA BGB § 613a Nr. 153; - 8 AZR 52/96 - EzA BGB § 613a Nr. 166; - 8 AZR 729/96 - BAGE 87, 303, 305 f. = AP BGB § 613a Nr. 172 = EzA BGB § 613a Nr. 159; - 8 AZR 718/98 - aaO; zuletzt - 8 AZR 319/01 - AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210 und - 8 AZR 583/01 - aaO). Betriebsteile, beispielsweise ein Verwaltungsbereich, gehen damit nur dann über, wenn dessen sächliche oder immaterielle Betriebsmittel oder der nach der Zahl und Sachkunde wesentliche Teil des dort beschäftigten Personals übertragen worden sind. Eine bloße Wahrnehmung der gleichen Funktion beim Erwerber mit dessen eigenem Personal reicht für einen Betriebsübergang nicht aus. Voraussetzung ist, dass der entsprechende Bereich beim Veräußerer also organisatorisch verselbständigt war ( - aaO).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall anzunehmen, dass die Beklagte am den Geschäftsbetrieb der Betriebsstätte G-Straße übernommen hat und das Arbeitsverhältnis des Klägers als technischer Betriebsleiter zu diesem Zeitpunkt gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen ist.
aa) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht in der Betriebsstätte G-Straße bereits bei der DOW einen selbständig übertragungsfähigen Betriebsteil iSd. § 613a BGB gesehen. Diese Betriebsstätte war eine organisatorische Untergliederung der Niederlassung der DOW in Berlin und hatte unter der Leitung des Klägers den Zweck, medizinische Hilfsmittel im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung zu lagern, zu warten und auszuliefern. Für die Qualität eines selbständig übertragungsfähigen Betriebsteils war es unschädlich, dass es sich bei der Betriebsstätte G-Straße als Auslieferungslager im Verhältnis zu der in anderen Betriebsstätten der DOW betriebenen Produktion medizinischer Hilfsmittel lediglich um einen untergeordneten Betrieb mit einer Hilfsfunktion handelte.
bb) Mit der Übernahme der Betriebsstätte G-Straße durch die Beklagte und Fortführung des Geschäftsbetriebs als Auslieferungslager für die Krankenkassen wurde die "Identität der wirtschaftlichen Einheit" gewahrt.
(1) Die Beklagte hat am das Auslieferungslager für die Krankenkassen in denselben Räumlichkeiten in der G-Straße unverändert fortgeführt. Entgegen der Auffassung der Revision verfolgt die Beklagte kein anderes unternehmerisches Ziel in der Betriebsstätte G-Straße als die DOW zuvor. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts produzierte die DOW zwar in anderen Betriebsstätten medizinische Hilfsmittel, nicht aber in der von der Beklagten übernommenen Betriebsstätte. Der Geschäftsbetrieb in der G-Straße fungierte auch vor dem bei der DOW als ein reines Auslieferungslager und war kein (teilweiser) Produktionsbetrieb. Der unternehmerische Zweck, Auslieferung medizinischer Hilfsmittel für die Krankenkassen, hat sich bei der Beklagten nicht dadurch geändert, dass diese nur fremdproduzierte medizinische Hilfsmittel ausliefert, während die DOW auch in ihren anderen Betriebsstätten gefertigte eigene medizinische Hilfsmittel auslieferte.
(2) Die Identität der wirtschaftlichen Einheit wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte zur Auslieferung für die Krankenkassen der Zulassung der jeweiligen Kassen bedurfte. Nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V dürfen Hilfsmittel an Versicherte nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden. Anders als die höchstpersönliche Notarbefugnis, die das wesentliche Substrat eines Notariats ist und deshalb einen rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang ausschließt ( - BAGE 92, 251 = AP BGB § 613a Nr. 197 = EzA BGB § 613a Nr. 187, zu I 3 b und c der Gründe), stellt die Kassenzulassung lediglich die formale Voraussetzung für die Auslieferung medizinischer Hilfsmittel an Versicherte und die Abrechnung mit den jeweils zuständigen Krankenkassen dar. Insoweit kann der Zulassung der Krankenkassen für die Auslieferung medizinischer Hilfsmittel keine höhere personenbezogene Bedeutung zukommen als bei dem Apotheker, der seine Apotheke veräußert; in diesem Fall hat der Senat die Möglichkeit eines Betriebsübergangs bejaht ( - 8 AZR 139/97 - BAGE 88, 196 = AP BGB § 613a Nr. 177 = EzA BGB § 613a Nr. 163, zu I 1 der Gründe).
(3) Die Beklagte hat die betriebliche Tätigkeit in der G-Straße auch mit wesentlichen Teilen der Belegschaft fortgesetzt. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht der Nichtübernahme von je zwei Mitarbeitern aus der Tourenplanung und der Auslieferungsvorbereitung neben mindestens zehn übernommenen Mitarbeitern der DOW kein entscheidendes Gewicht beigemessen, zumal die nicht übernommenen Mitarbeiter für den Betrieb bei der DOW keine besondere Bedeutung hatten und durch andere Mitarbeiter ersetzt wurden. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Arbeitsorganisation sei dadurch nicht verändert worden, hat auch die Revision nicht angegriffen.
(4) Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass die betriebliche Tätigkeit am nahtlos von der Beklagten fortgesetzt wurde. Soweit zunächst, wie auch zuletzt bei der DOW, nur Altaufträge abgewickelt wurden, weil die entsprechenden Zulassungen durch die Krankenkassen noch ausstanden, liegt jedenfalls keine erhebliche Unterbrechung vor, die eine den Betriebsübergang ausschließende Stilllegung zur Folge hätte. Die Beklagte beabsichtigte am unstreitig die Auslieferung an die Krankenkassen im bisherigen Umfang fortzusetzen und hat die entsprechenden Zulassungen auch beantragt und von der AOK Berlin bereits am erhalten.
III. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2004 S. 1634 Nr. 30
DB 2004 S. 2110 Nr. 39
XAAAB-94864
1Für die Amtliche Sammlung: Ja; Für die Fachpresse: Nein