Leitsatz
[1] Erleidet ein Arbeitnehmer einen Unfall mit Personenschaden auf einem vom Arbeitgeber mit einem Betriebsfahrzeug und einem vom Betrieb gestellten Fahrer durchgeführten Transport von der Wohnung zu einer Baustelle, ist die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers und des Fahrers nach § 104 Abs. 1, § 105 SGB VII ausgeschlossen.
Gesetze: SGB VII § 8 Abs. 1; SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1; SGB VII § 104 Abs. 1; SGB VII § 105; SGB VII § 108; ZPO § 256 Abs. 1; BRTV-Bau § 7
Instanzenzug: ArbG Bautzen 2 Ca 2073/01 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall beim Transport des Klägers zu einer Baustelle mit einem Fahrzeug seiner Arbeitgeberin.
Der Kläger und der Beklagte zu 3) sind Arbeitnehmer der Beklagten zu 1), die ein Bauunternehmen betreibt. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers und der Beklagten zu 1) finden die Vorschriften des BRTV-Bau Anwendung. Bei der Beklagten zu 2) bestand eine Haftpflichtversicherung für einen VW-Transporter der Beklagten zu 1). Am brachte der Beklagte zu 3) als Führer dieses Fahrzeugs mehrere Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) von ihren Wohnungen zu den jeweiligen Baustellen, darunter den Kläger. Dieser saß auf dem Beifahrersitz, während sich vier weitere Arbeitnehmer auf den Rücksitzen befanden. Infolge von Glatteis kam es auf der Autobahn frühmorgens zu einem Verkehrsunfall, in den noch drei andere Fahrzeuge verwickelt waren. Der Kläger erlitt verschiedene Verletzungen, die zu einer Arbeitsunfähigkeit bis zum führten. Vom Unfalltag bis zum sowie vom 14. bis befand sich der Kläger auf Grund der unfallbedingten Verletzungen in stationärer Behandlung; vom 5. Mai bis schloss sich eine Reha-Behandlung an. Der Kläger erhielt bis zum Entgeltfortzahlung und danach Krankengeld. Die zuständige Berufsgenossenschaft erkannte den Verkehrsunfall als versicherte Tätigkeit an. Der Beklagte zu 3) wurde vom Amtsgericht Kamenz wegen fahrlässigen Fahrens mit zu hoher, nicht angepaßter Geschwindigkeit in Tateinheit mit fahrlässigem Verstoß gegen die Vorschriften über das allgemeine Verhalten im Straßenverkehr zu einer Geldbuße in Höhe von 75,00 DM verurteilt.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagten hafteten ihm auf Grund der unfallbedingten Körperverletzung auf Ersatz des entstandenen Schadens - Einkom-mensminderung während des Bezuges von Krankengeld - und Schmerzensgeld. Ferner sei die Pflicht zum Ersatz künftiger materieller und immaterieller Schäden festzustellen. Der Unfall sei nicht durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden. Auch sei die Haftung nicht gemäß §§ 104 f. SGB VII beschränkt. Für keinen der Insassen habe die Fahrt zur Arbeitszeit gezählt, welche erst 35 Minuten nach dem Unfall, nämlich um 7.00 Uhr, begonnen hätte. Daher habe sich das normale Risiko eines jeden Kraftfahrers auf dem Weg zur Arbeit realisiert. Es habe sich nicht um einen sog. Werksverkehr gehandelt; der Sammeltransport werde von der Beklagten zu 1) nur dann durchgeführt, wenn weiter entfernt liegende Baustellen anzufahren seien. Für die einzelnen Arbeitnehmer bestehe keine Verpflichtung, diesen Transport zu benutzen; es stehe ihnen frei, auf eigene Kosten zu den Baustellen zu fahren.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 25.000,00 DM (entsprechend 12.782,30 Euro) betragen soll, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins hieraus seit dem zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere, soweit sie nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht entstehen - aus dem Unfallereignis vom auf der Bundesautobahn 4 Bautzen in Richtung Dresden bei Kilometer 21,5 im Landkreis Kamenz zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen;
3. die Beklagten weiter als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.543,96 DM (entsprechend 789,41 Euro) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins hieraus seit dem zu zahlen.
Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Haftung der Beklagten zu 1) und 3) sei gemäß § 104 bzw. § 105 SGB VII beschränkt, weswegen auch die Beklagte zu 2) nicht zur Regulierung des Schadens verpflichtet sei. Die Unfallfahrt habe für den Kläger dienstlichen Charakter gehabt, denn sie habe im Zusammenhang mit dem Betrieb und seiner Betriebszugehörigkeit gestanden. Es liege daher ein Arbeitsunfall und kein Wegeunfall vor. Die Beklagten haben außerdem behauptet, der Kläger sei unangeschnallt gewesen, und seine Füße hätten sich auf dem Armaturenbrett befunden. Er habe die Verletzungen deshalb selbst verschuldet.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Gründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Haftungsbeschränkungen gemäß § 104 bzw. § 105 SGB VII zu Recht für gegeben erachtet. Ein Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und 3) ist daher nicht gegeben, so dass auch die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherung nicht einstandspflichtig ist.
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klage sei - auch hinsichtlich des Feststellungsantrages - zulässig, jedoch nicht begründet. Der Unfall habe sich auf einem Betriebsweg im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ereignet, weshalb die Haftung gemäß §§ 104 f. SGB VII auf Vorsatz beschränkt sei; dieser liege nicht vor. Der von der Beklagten zu 1) angebotene Fahrdienst komme einem Werksverkehr gleich. Er unterscheide sich von einer privat durchgeführten Fahrt zur Arbeit dadurch, dass die Organisation beim Arbeitgeber liege. Der Arbeitnehmer begebe sich bereits vor Beginn der Arbeitszeit in eine Sphäre, die bis zu einem bestimmten Grade der Arbeitgeber beherrsche. Die Mitnahme erfolge in dessen Fahrzeug und durch einen Betriebsangehörigen, der nicht aus Gefälligkeit, sondern als Arbeitnehmer tätig werde. All dies zeige, dass bei der gewählten Art der Beförderung die betrieblichen Bezüge größer und stärker seien als diejenigen zur Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr.
B. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
I. Die Klage ist - auch hinsichtlich des auf Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden gerichteten Antrages - zulässig. Das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben.
1. Das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO muss als Sach-urteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (Senat - 8 AZR 497/01 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 25). Bei Feststellungsklagen, die sich auf künftigen Schadensersatz beziehen, liegt das rechtliche Interesse bereits dann vor, wenn Schadensfolgen in der Zukunft möglich, auch wenn ihre Art, ihr Umfang und sogar ihr Eintritt noch ungewiss sind ( - NJW 1991, 2707 mwN). Es muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen (Senat - 8 AZR 497/01 - aaO mwN). Insoweit reicht es aus, wenn die nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Ersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer und voraussehbarer Leiden besteht (vgl. - VersR 1989, 1055 = NJW-RR 1989, 1367). Dies trifft bei schwereren Unfallverletzungen in aller Regel zu. Das Feststellungsinteresse kann in Fällen dieser Art nur verneint werden, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen immerhin zu rechnen; es ist nicht erforderlich, dass der Kläger von dem späteren Schaden eine bestimmte Vorstellung hat ( - aaO; - VI ZR 20/71 - VersR 1972, 459).
2. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Der Kläger hat bereits erstinstanzlich unter Bezugnahme auf einen Arztbericht vom vorgetragen, insbesondere die nach der Verletzung des linken Beines aufgetretenen Folgezustände wie Bewegungseinschränkungen des Kniegelenkes, posttraumatische Arthrose oder Schmerzen in Form von Anlaufschwierigkeiten und belastungsabhängigen Schmerzen, würden sich in Zukunft nicht bessern, sondern eher noch verschlechtern. Damit liegt die nicht nur entfernte Möglichkeit künftiger Schadensfolgen vor.
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass eine Ersatzpflicht für keinen der Beklagten besteht, weil die Haftungsfreistellung gem. §§ 104, 105 SGB VII eingreift.
1. Die Beklagte zu 1) haftet dem Kläger nicht auf Ersatz seiner Personenschäden und auf Schmerzensgeld gemäß §§ 823, 847, 278 aF BGB, § 7 Abs. 1 StVG, denn ihre Ersatzpflicht ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen.
a) Nach dieser Vorschrift sind Unternehmer den gesetzlich Unfallversicherten, die für ihr Unternehmen tätig sind, zum Ersatz von Personenschäden nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Die Norm bezieht sich auf alle Haftungsgründe des bürgerlichen Rechts einschließlich der Gefährdungshaftung zB nach den Vorschriften des StVG (Geigel/Kunschert Der Haftpflichtprozeß S. 815 Rn. 191; Lauterbach-Dahm UV-SGB VII § 104 Rn. 11).
b) Der Ausschluss der Haftung folgt vorliegend nicht bereits aus der Tatsache, dass die zuständige Berufsgenossenschaft eine versicherte Tätigkeit des Klägers festgestellt hat. Die Bindungswirkung dieser Entscheidung erstreckt sich gemäß § 108 SGB VII nur auf die Feststellung des Versicherungsfalls an sich. In der Regel - so auch hier - erfolgt nämlich keine Feststellung, ob ein Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII oder ein Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 SGB VII vorliegt (vgl. Brackmann/Krasney SGB VII § 108 Rn. 10; Hauck/Nehls SGB VII K § 108 Rn. 7).
c) Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass der für den Personenschaden ursächliche Verkehrsunfall nicht vorsätzlich herbeigeführt worden ist.
d) Entgegen der Auffassung der Revision hat der Arbeitgeber den Unfall nicht auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt. Der Unfall ereignete sich vielmehr auf einen Betriebsweg nach § 8 Abs. 1 SGB VII.
aa) Der Kläger hat den Unfall bei einer versicherten Tätigkeit erlitten. Die Frage, ob sich der Unfall auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII versicherten Weg oder während der versicherten Tätigkeit ereignete, ist aus der Sicht des Geschädigten, hier also des Klägers, zu beantworten. Normzweck ist es, dem Verletzten die Ansprüche gegen Arbeitgeber und Kollegen zu belassen, wenn er außerhalb betrieblicher Gegebenheiten unter solchen Umständen geschädigt wird, die ihn auch als normalen Verkehrsteilnehmer hätten treffen können (Ricke Anm. VersR 2002, 413; MünchArbR/Blomeyer § 61 Rn. 25). Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn man darauf abstellt, ob sich der Geschädigte bei der Tätigkeit befand oder nicht. Dies entspricht der allgemeinen Ansicht (vgl. Marschner BB 1996, 2090; Waltermann NJW 1997, 3401; ErfK/Rolfs § 104 SGB VII Rn. 9; Maschmann SGb 1998, 54). Soweit das Urteil des Senats vom (- 8 AZR 92/00 - AP SGB VII § 105 Nr. 1 = EzA SGB VII § 105 Nr. 1) so verstanden werden könnte, dass sich der Schädiger und nicht der Geschädigte beim Unfall bei der Arbeit oder auf einem nach § 8 Abs. 2 SGB VII versicherten Weg befinden müsse, so stellt der Senat dies hiermit - auch unter der Berücksichtigung der Kritik von Ricke (Anm. VersR 2002, 413) - klar.
bb) Der Kläger hat den Unfall infolge der versicherten Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 SGB VII erlitten. Der Unfall war ein Arbeitsunfall und kein Wegeunfall. Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind "Beschäftigte" versichert. Beschäftigte sind alle Personen, die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, leisten (§ 7 Abs. 1 SGB IV).
Sozialversicherungsrechtlich ist ein Betriebsweg ein Weg, der in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wird, Teil der versicherten Tätigkeit ist und damit der Betriebsarbeit gleichsteht. Anders als der Weg nach dem Ort der Tätigkeit wird er im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen und geht nicht lediglich der versicherten Tätigkeit voraus ( - NJW 2002, 84). Hiervon ist der Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII abzugrenzen, der sich beim Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit ereignet.
Entgegen des Wortlauts des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII und in erweiternder Auslegung des § 8 Abs. 1 SGB VII ist ein Unfall, der sich bei einem vom Arbeitgeber durchgeführten Sammeltransport von Arbeitnehmern mittels eines betriebseigenen Fahrzeuges und eines vom Betrieb eingesetzten Fahrers von der Wohnung zu einer Baustelle ereignet, als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII anzusehen. Dabei schließt sich der Senat den Grundsätzen an, die der Bundesgerichtshof zum Sammelschülertransport im Urteil vom (- III ZR 39/00 - BGHZ 145, 311 = LM SGB VII § 104 Nr. 1 mit zustimmender Anm. Schmitt = NJW 2001, 442; zustimmend ebenso Waltermann NJW 1997, 3401, 3402; Maschmann SGb 1998, 54, 57; Stern-Krieger/Arnau VersR 1997, 408, 410; KassKomm-Ricke § 104 SGB VII Rn. 13) aufgestellt hat.
(1) Der Zweck der Haftungsbeschränkung legt es nahe, sie auch in Konstellationen wie der vorliegenden eingreifen zu lassen. Für die Ausgestaltung des Rechts der sozialen Unfallversicherung war neben dem Prinzip des sozialen Schutzes auch maßgeblich, dass die zivilrechtliche Haftpflicht des Unternehmers gegenüber seinen Arbeitnehmern abgelöst werden sollte, um eine betriebliche Konfliktsituation zu vermeiden; an die Stelle der privatrechtlichen Haftpflicht des Unternehmers wurde die Gesamthaftung der in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer gesetzt (Prinzip der Haftungsersetzung). Auf diese Weise sollten das Risiko von Arbeitsunfällen für den Arbeitgeber, der die Beiträge für die Unfallversicherung allein aufbringt, kalkulierbar und Anlässe zu Konflikten im Betrieb eingeschränkt werden ( und 10/72; 1 BvR 355/71 - BVerfGE 34, 118 = NJW 1973, 502; Senat - 8 AZR 103/02 - AP SGB VII § 104 Nr. 1 mit Anm. Schwarze = EzA SGB VII § 105 Nr. 2; - 8 AZR 92/00 - AP SGB VII § 105 Nr. 1 = EzA SGB VII § 105 Nr. 1 mwN; Drong-Wilmers Anm. VersR 2001, 721). Die Kollision von Zivil- und Sozialrecht wird in verfassungskonformer Weise ( - AP RVO § 636 Nr. 21 = EzA RVO § 636 Nr. 13; - 1 BvL 10/72 - aaO) mittels des Wegfalls zivilrechtlicher Ansprüche gelöst (Lauterbach-Dahm UV-SGB VII § 104 Rn. 4 f.).
Diesem Zweck entspricht es, wenn die Sperrwirkung nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII eingreift, sobald sich der Versicherte in die betriebliche Sphäre begibt, also in einen Bereich, der der Organisation des Unternehmers unterliegt (vgl. Wussow/Schneider Unfallhaftpflichtrecht Kap. 80 TZ 94 ff.).
(2) Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht für dieses Ergebnis. § 636 Abs. 1 RVO als Vorgängervorschrift des § 104 Abs. 1 SGB VII trug dem Rechnung, indem er die Ersatzpflicht (außer wiederum bei Vorsatz) auf die Teilnahme am allgemeinen Verkehr beschränkte. Die hier in Rede stehende Fahrt wäre für den Kläger keine Teilnahme am allgemeinen Verkehr iSv. § 636 Abs. 1 RVO gewesen, denn nach der Rechtsprechung und der ganz überwiegenden Ansicht in der Literatur lag jene nicht vor, wenn der Unfall in einem engen inneren Zusammenhang zu Unternehmenszugehörigkeit und betrieblicher Verrichtung stand (Baumer/Fischer/Salzmann Die gesetzliche Unfallversicherung § 636 RVO Anm. 11 b) mwN; - BGHZ 8, 330, 337 = RdA 1953, 156; - VI ZR 193/54 - BGHZ 19, 114, 119 = AP Ges. SchadErsAnspr. Dienst- u. ArbUnfall § 1 Nr. 1; - VI ZR 20/91 - BGHZ 116, 30, 35 = NJW 1992, 572). Nach der damaligen Rechtslage war das zB der Fall, wenn der Verletzte in einem vom Unternehmer gelenkten betriebseigenen Fahrzeug im betrieblichen Interesse befördert wurde; führten solche Fahrten zur Arbeitsstelle, handelte es sich für den Verletzten im Verhältnis zu seinem das Fahrzeug führenden Kollegen und zum Arbeitgeber nicht um Teilnahme am allgemeinen Verkehr ( - AP RVO § 636 Nr. 7). Selbst für die Fahrt zu einem Richtfest, an dem der verletzte Bauarbeiter freiwillig teilnahm, wurde die Teilnahme am allgemeinen Verkehr verneint, weil es sich um ein Fahrzeug des Arbeitgebers handelte und die Fahrt im Verhältnis zum Schädiger - wie im vorliegenden Fall ein Kollege des Geschädigten - ein innerbetrieblicher Vorgang gewesen sei ( - AP RVO § 636 Nr. 8 mit Anm. Ottow = EzA RVO § 636 Nr. 8). Die von der Revision vorgebrachten Argumente der freiwilligen Teilnahme des Klägers und der fehlenden Regelmäßigkeit der Transporte wären nach der seinerzeitigen Rechtslage also unbehelflich gewesen.
Soweit die Neuformulierung des § 8 als eine bewusste Abkehr von der bisherigen Rechtslage angesehen wird (so zB Bereiter-Hahn/Mehrtens Gesetzliche Unfallversicherung § 104 SGB VII Rn. 19.2; Lauterbach-Dahm UV-SGB VII § 104 Rn. 25; Hauck/Nehls SGB VII K § 104 Rn. 30; Brackmann/Krasney SGB VII § 104 Rn. 23; Rolfs NJW 1996, 3177, 3179; zweifelnd wohl auch ErfK/Preis 3. Aufl. § 104 SGB VII Rn. 23 unter Verweisung auf KassKomm-Ricke § 104 SGB VII Rn. 13, der aber im Ergebnis dem BGH zustimmt) kann dem nicht gefolgt werden. Durch die Neuregelung gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII wollte der Gesetzgeber die Haftungsfreistellung jedenfalls nicht einschränken ( - BGHZ 145, 311 = NJW 2001, 442; Waltermann NJW 1997, 3401, 3402). Die Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch führt dazu aus: "Die Ausnahme umfaßt nicht mehr Betriebswege, die nach geltendem Recht (§ 636 RVO) als Teilnahme am öffentlichen Verkehr behandelt werden" (BT-Drucks. 13/2204 S. 100). Mag man auch die Floskel "entsprechend dem geltenden Recht" in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/2204 S. 100) als nicht ausreichenden Beleg ansehen, da sie auch an anderen Stellen verwendet wurde, in denen es tatsächlich zu Abänderungen gekommen ist (vgl. insoweit die Bedenken und Nachweise bei Ricke VersR 2003, 540, 541 Rn. 9), so besteht doch Einigkeit darüber, dass kein Grund bestanden hatte, an der früheren Rechtslage etwas zu ändern. Es war nie angefochten oder bezweifelt worden, dass die Haftungsbeschränkung bei Wegeunfällen, wenn diese im betrieblichen Einflussbereich lagen, eingreift (so auch Ricke VersR 2003, 540, 541). Hebeler (Anm. VersR 2001, 951, 953) merkt in seiner im Übrigen kritischen Anmerkung zum - III ZR 39/00 - BGHZ 145, 311 = NJW 2001, 442) an, dass der gesetzgeberische Wille bestanden habe, eine der Vorgängerregelung entsprechende Norm zu schaffen. Jede Gesetzesänderung wäre deshalb sehr überraschend gewesen (so zutreffend auch Waltermann NJW 1997, 3401, 3402). Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Auch nach seiner Auffassung ist bei der Auslegung des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine dem bis dahin geltenden Recht (§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO) entsprechende Regelung hat schaffen wollen ( - aaO; aA Brackmann/Krasney SGB VII § 104 Rn. 23; insoweit auch Hebeler Anm. VersR 2001, 951). Daher könne für die Unterscheidung, ob der Versicherungsfall bei einem - in die Haftungsbeschränkung des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII einbezogenen - Betriebsweg oder einem - von der Haftungsbeschränkung ausgenommenen - nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII versicherten Weg eingetreten ist, hinsichtlich der Kriterien innerbetrieblicher Vorgänge die zu § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO ergangene Rechtsprechung herangezogen werden. Es sei nämlich auch bei der Abgrenzung des innerbetrieblichen Vorgangs gegenüber der "Teilnahme am allgemeinen Verkehr" darum gegangen, ob sich ein betriebliches Risiko oder ein "normales" Risiko verwirklicht habe, das nach dem Willen des Gesetzgebers aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu einem Haftungsausschluss gegenüber dem Schädiger führen sollte ( - aaO; - VI ZR 20/91 - BGHZ 116, 30 = NJW 1992, 572).
Auch nach der Auffassung des Bundessozialgerichts kann an die früheren Regelungen der Reichsversicherungsordnung angeknüpft werden. § 8 Abs. 1 SGB VII definiert danach den Arbeitsunfall in Anlehnung an das früher geltende Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO), wobei das Wort "infolge" in Satz 1 lediglich deutlicher als das Wort "bei" in § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO zum Ausdruck bringen soll, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall erforderlich ist. Satz 2 übernimmt den von der Rechtsprechung und Literatur entwickelten Unfallbegriff ( - B 2 U 39/99 R - NJW 2002, 84; - B 2 U 3/99 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 1). Die zur RVO ergangene Rechtsprechung und dazu erschienene Literatur kann - auch nach Auffassung des Bundessozialgerichts - daher für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Arbeits- und Wegeunfällen nach den Vorschriften des SGB VII weiter herangezogen werden, falls nicht die wenigen Änderungen des materiellen Rechts hinsichtlich des Unfallversicherungsschutzes bei einzelnen Verrichtungen (ua. § 8 Abs. 2 Nr. 2 - 5 SGB VII) entgegenstehen.
Soweit Hebeler (VersR 2001, 951, 953) dem Bundesgerichtshof vorhält, er lasse sich allein von haftungsrechtlichen Erwägungen leiten, diesen Erwägungen sei aber das Merkmal "auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg" nicht zugänglich, es müsse vielmehr "genuin" unfallversicherungsrechtlich ausgelegt werden (im Anschluss an Kater/Leube SGB VII § 104 Rn. 40), so wird verkannt, dass es sich bei dem Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII gerade um eine zivilrechtliche Haftungsnorm handelt, in deren Rahmen haftungsrechtliche Erwägungen angestellt werden müssen. Mit einem vom Arbeitgeber organisierten Sammeltransport wird hier jedenfalls ein Grad der betrieblichen Gestaltung erreicht, der die Verwirklichung des Risikos als Verwirklichung eines betrieblichen Risikos im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII erscheinen lässt, bei dem der Arbeitgeber und die Kollegen von der Haftung freigestellt sind.
cc) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, spricht für diese Auffassung auch die auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbare tarifliche Regelung des § 7 BRTV-Bau in der bei Eintritt des Unfalls geltenden Fassung. Gemäß § 7 Nr. 3.1 BRTV-Bau haben Arbeitnehmer Anspruch auf Fahrtkostenabgeltung, wenn die Bau- oder Arbeitsstelle mindestens sechs Kilometer von der Wohnung entfernt liegt. Dieser Anspruch entfällt, wenn die Möglichkeit der kostenlosen Beförderung mit einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten ordnungsgemäßen Fahrzeug gegeben wird. Dies verdeutlicht, dass auch die Tarifvertragsparteien die Fahrt zu Baustellen, die außerhalb des Betriebsgeländes liegen, nicht als bloßen Weg zur eigentlichen Tätigkeit, sondern als deren Bestandteil ansehen.
dd) Hieran ändert der vom Kläger vorgebrachte Umstand nichts, dass der Transport nur angeboten wird, wenn entfernte Baustellen anzufahren sind. Es spricht im Gegenteil für eine noch stärkere Einbindung der Fahrt in die betriebliche Organisation, wenn die Durchführung der Fahrt von Erfordernissen des Arbeitsablaufs abhängt. Daher werden ähnliche Fälle verschiedentlich selbst nach Auffassung derer als Arbeitsunfälle gewertet, die den typischen Werksverkehr nur als nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII versichert ansehen (Beispiel bei Brackmann/Krasney SGB VII § 104 Rn. 23 mwN: Vertreter fährt von seiner Wohnung direkt zum Kunden und nimmt unterwegs einen Kollegen mit, damit dieser am Kundengespräch teilnimmt: Betriebsfahrt und damit Arbeitsunfall). Überdies spricht gerade der vom Kläger vorgetragene Umstand, dass die Benutzung des Sammeltransports freigestellt war, für den Haftungsausschluss. Benutzt ein Arbeitnehmer einen derartigen Transport, so verfügt er eben nicht über die uneingeschränkten Haftungsansprüche, sondern er begibt sich in die betriebliche Gefahrengemeinschaft mit den daraus resultierenden Haftungsbeschränkungen.
e) Diesem Ergebnis steht die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht entgegen. Die insoweit vom Kläger angezogene Entscheidung (Senat - 8 AZR 92/00 - AP SGB VII § 105 Nr. 1 = EzA SGB VII § 105 Nr. 1) betraf einen Unfall auf dem Werksgelände. Der Senat hat dazu festgestellt, dass das Verlassen des Arbeitsplatzes einschließlich des Weges auf dem Werksgelände (sog. Betriebsweg) bis zum Werkstor wegen des engen Zusammenhangs mit der eigentlichen Arbeitsleistung noch betriebliche Tätigkeit darstellt. Er hat weiter ausgeführt, der Weg von dem Ort der Tätigkeit beginne mit dem Durchschreiten oder Durchfahren des Werkstores; es sei nicht zulässig, von Fall zu Fall auf die speziellen örtlichen und baulichen Verhältnisse der jeweiligen Betriebsstätte abzustellen. Auf dem abgegrenzten Werksgelände bestehe dessen betriebseigentümliche Gefahr und nicht (nur) das allgemeine Wegerisiko.
Dies erlaubt nicht, wie der Kläger offenbar meint, den Umkehrschluss, außerhalb des Betriebsgeländes erlittene Unfälle könnten keine Arbeitsunfälle iSv. § 8 Abs. 1 SGB VII sein. In der zitierten Entscheidung hat der Senat lediglich ausgeführt, dass Wegeunfälle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII) innerhalb des Werksgeländes nicht denkbar sind. Dagegen richtet sich die Bewertung von Unfällen außerhalb des Werksgeländes nach anderen Kriterien, wobei Sinn und Zweck der §§ 8, 104 f. SGB VII zu beachten sind. Abzustellen ist, wie auch die zitierte Entscheidung (Senat - 8 AZR 92/00 - AP SGB VII § 105 Nr. 1 = EzA SGB VII § 105 Nr. 1) hervorhebt, auf die Frage, ob der Geschädigte noch in enger Berührung mit der Arbeitsleistung anderer Arbeitnehmer des Betriebes steht, sich noch in der Herrschaftssphäre des Arbeitgebers aufhält und dessen Ordnungsgewalt unterliegt. Dies ist beim Werksverkehr oder bei Unfällen im Werksgelände gleichermaßen der Fall (Geigel/Kunschert Der Haftpflichtprozeß S. 815 Rn. 192 mwN), denn die Fahrt ist integrierter Bestandteil der Organisation des Betriebes (vgl. - BGHZ 145, 311 = NJW 2001, 442).
2. Auch gegen den Beklagten zu 3) besteht der geltend gemachte Anspruch nicht. Zu seinen Gunsten greift der Haftungsausschluss gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII ein. Er unterliegt den gleichen tatbestandlichen Voraussetzungen wie § 104 Abs. 1 SGB VII (vgl. BT-Drucks. 13/2204; Lauterbach-Dahm UV-SGB VII § 105 Rn. 1) und ist daher ebenso gegeben wie dieser (so. B II 1 a).
3. Weil eine Haftung der Fahrzeughalterin und des Fahrzeugführers mithin nicht besteht, hat der Kläger auch gegen die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer keinen Ersatzanspruch aus § 3 Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2004 S. 1172 Nr. 21
DB 2004 S. 656 Nr. 12
DAAAB-94849
1Für die Amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein