BAG Urteil v. - 7 AZR 489/02

Leitsatz

[1] Die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für ältere Arbeitnehmer nach § 218 Abs. 1 Nr. 3 SGB III ist kein Sachgrund für die Befristung des Arbeitsvertrags mit dem geförderten Arbeitnehmer.

Gesetze: BGB § 620; SGB III § 218 Abs. 1 Nr. 3; SGB III § 217; SGB III § 222 Abs. 2; AFG § 97; BeschFG 1996 § 1

Instanzenzug: ArbG Hildesheim 3 Ca 341/01 vom LAG Niedersachsen 12 Sa 1595/01 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung am geendet hat.

Der am geborene Kläger war vom bis zum jeweils befristet für ein Jahr auf der Grundlage der §§ 97 ff. AFG bzw. § 218 Abs. 1 Nr. 3 SGB III im Landesamt für des beklagten Landes beschäftigt. Mit Bescheid vom gewährte das Arbeitsamt dem Landesamt für erneut einen Eingliederungszuschuß für ältere Arbeitnehmer gemäß §§ 217 ff. SGB III für die Zeit vom bis zum . Daraufhin schlossen die Parteien am einen für diesen Zeitraum befristeten Arbeitsvertrag, in dem nur einige Bestimmungen des BAT zur Anwendung gebracht wurden, nicht aber § 2 BAT und die Sonderregelungen.

Der Kläger hat sich mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der Befristung zum gewandt und seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für ältere Arbeitnehmer sei kein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrags.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristung im Arbeitsvertrag vom mit Ablauf des beendet worden ist

sowie

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens weiter auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom als nicht vollbeschäftigten Angestellten weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Befristung sei wegen der Gewährung eines Eingliederungszuschusses für ältere Arbeitnehmer gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Gründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für ältere Arbeitnehmer nach § 218 Abs. 1 Nr. 3 SGB III ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrags. Die Befristung könnte jedoch ohne Sachgrund nach § 1 Abs. 2 BeschFG in der hier maßgeblichen, bis zum geltenden Fassung (BeschFG 1996) gerechtfertigt sein. Dies kann der Senat jedoch nach den bislang festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen.

I. Die in dem Arbeitsvertrag vom vereinbarte Befristung, die allein der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle unterliegt, ist nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt. Die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für ältere Arbeitnehmer nach der am in Kraft getretenen Bestimmung in § 218 Abs. 1 Nr. 3 SGB III ist, anders als die Förderung durch Lohnkostenzuschüsse für ältere Arbeitnehmer nach der Vorgängerregelung in § 97 AFG, keine Maßnahme der Arbeitsbeschaffung, sondern dient dem Ausgleich von Minderleistungen. Mit dieser Zwecksetzung rechtfertigt der Eingliederungszuschuß die Befristung des Arbeitsvertrags mit dem geförderten Arbeitnehmer nicht.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist allein die Abhängigkeit von Zuschüssen und Haushaltsmitteln kein Sachgrund für die Befristung von Arbeitsverträgen. Die Unsicherheit der finanziellen Entwicklung ist ein typisches Unternehmerrisiko,

das nicht auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden kann. Deshalb rechtfertigt auch die allgemeine Unsicherheit über das Weiterlaufen von Drittmitteln die Befristung eines Arbeitsvertrags nicht (vgl. etwa - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 145 = EzA BGB § 620 Nr. 111, zu II 5 der Gründe mwN).

2. Das beklagte Land kann sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zur Rechtfertigung der Befristung nicht auf die Rechtsprechung des Senats zu der Gewährung von Lohnkostenzuschüssen für ältere Arbeitnehmer nach der am außer Kraft getretenen Bestimmung in § 97 AFG berufen.

a) Nach § 97 Abs. 1 AFG konnte die Bundesanstalt für Arbeit Arbeitgebern zu den Lohnkosten älterer Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen Zuschüsse gewähren, sofern sie zusätzlich eingestellt und beschäftigt wurden. Gefördert wurden nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AFG nur Arbeitnehmer, die dem Arbeitgeber vom Arbeitsamt zugewiesen wurden. Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 AFG wurden Zuschüsse nur gewährt für Arbeiten, die sonst nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt worden wären. Die Regelungen in §§ 91 ff. AFG dienten daher der zumindest zeitweiligen Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze und der Eröffnung wenigstens vorübergehender Beschäftigungsmöglichkeiten für leistungsschwächere Arbeitnehmer ( - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 145 = EzA BGB § 620 Nr. 111, zu II 6 b aa der Gründe mwN). Der Arbeitgeber stellte den ihm von der Arbeitsverwaltung zugewiesenen Arbeitnehmer deshalb regelmäßig nur im Vertrauen auf die zeitlich begrenzte Förderungszusage ein, ohne die er entweder keinen oder einen leistungsfähigeren Arbeitnehmer eingestellt hätte. Dies rechtfertigte die Befristung des Arbeitsvertrags mit dem zugewiesenen Arbeitnehmer für die Dauer der Förderung ( - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 166 = EzA BGB § 620 Nr. 130, zu II 3 a der Gründe mwN).

b) Im Gegensatz zu der Förderung nach §§ 91 ff. AFG ist die Eingliederung von Arbeitnehmern nach §§ 217 ff. SGB III keine Maßnahme der Arbeitsbeschaffung. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind nunmehr in §§ 260 ff. SGB III geregelt. Die Förderung nach §§ 217 ff. SGB III setzt nicht voraus, daß der Arbeitnehmer zusätzlich eingestellt und beschäftigt wird. Sie dient daher weder der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze und Beschäftigungsmöglichkeiten, noch der Finanzierung von Arbeitsplätzen. Die Förderung wird vielmehr nach § 217 Satz 1 SGB III zum Ausgleich von Minderleistungen gewährt. Dementsprechend richten sich Dauer und Höhe der Förderung gemäß § 219 SGB III nach dem Umfang der Minderleistung des Arbeitnehmers und den jeweiligen Eingliederungserfordernissen. Dies gilt auch für die Eingliederung älterer Arbeitnehmer nach § 218 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. Mit dieser Zwecksetzung rechtfertigt die Gewährung eines Eingliederungszuschusses die Befristung des Arbeitsvertrags mit dem geförderten Arbeitnehmer nicht. Denn die Förderung nach §§ 217 ff. SGB III hindert den Arbeitgeber - anders als die Förderung durch Gewährung von Lohnkostenzuschüssen nach dem früheren § 97 AFG - nicht, den Arbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz einzusetzen, der ohnehin besetzt worden wäre. Durch die Vorschriften in §§ 217 ff. SGB III wurden daher keine eigenständigen Befristungsmöglichkeiten geschaffen (vgl. zum Einarbeitungszuschuß nach § 49 AFG: - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 145 = EzA BGB § 620 Nr. 111, zu II 6 c der Gründe).

Etwas anderes folgt nicht daraus, daß der Eingliederungszuschuß für ältere Arbeitnehmer im Gegensatz zum Eingliederungszuschuß bei Einarbeitung (§ 218 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), bei erschwerter Vermittlung (§ 218 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) und für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen (§ 222a SGB III) nicht zurückzuzahlen ist, wenn das Arbeitsverhältnis während des Förderungszeitraums und bis zu zwölf Monate danach beendet wird. Dadurch soll ein besonderer Anreiz zur Einstellung älterer Arbeitnehmer geschaffen werden. Dies ändert aber nichts an dem in § 217 SGB III bestimmten Förderungszweck, der allein darin besteht, dem Arbeitgeber einen Ausgleich dafür zu gewähren, daß er einen Arbeitnehmer einstellt, der vorübergehend keine vollwertige Leistung erbringt.

II. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die klageabweisende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aus anderen Gründen zutreffend ist. Zwar könnte die Befristung ohne Sachgrund nach § 1 Abs. 2 BeschFG 1996 wirksam sein. Der Senat kann jedoch nicht beurteilen, ob sich das beklagte Land zur Rechtfertigung der Befristung auf § 1 BeschFG 1996 berufen kann oder ob die Parteien die Befristungsmöglichkeit nach dieser Bestimmung vertraglich ausgeschlossen haben. Dies ist vom Landesarbeitsgericht aufzuklären.

1. Nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 ist die Befristung eines Arbeitsvertrags bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Nach § 1 Abs. 2 BeschFG 1996 ist die Befristung ohne die in Absatz 1 genannten Einschränkungen zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 60. Lebensjahr vollendet hat. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 BeschFG 1996 sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Kläger hatte bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses am das 60. Lebensjahr vollendet.

2. Die im Vertrag vom vereinbarte Befristung hat das Anschlußverbot in § 1 Abs. 3 BeschFG 1996 nicht verletzt. Denn der vorangegangene Vertrag war weder unbefristet noch nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 BeschFG 1996 befristet. Vielmehr handelte es sich um eine Befristung mit Sachgrund, an die sich eine sachgrundlose Befristung nach § 1 BeschFG 1996 anschließen konnte.

3. Der Rechtfertigung der Befristung nach § 1 Abs. 2 BeschFG 1996 steht nicht entgegen, daß diese Rechtsgrundlage im Vertrag vom nicht genannt ist. Denn die Anwendbarkeit von § 1 BeschFG 1996 setzt keine Vereinbarung der Parteien voraus, die Befristung auf das Beschäftigungsförderungsgesetz zu stützen. Die Vorschrift enthält - anders als etwa § 57b Abs. 5 HRG in der bis zum geltenden Fassung (jetzt: § 57 Abs. 3 HRG) - kein Zitiergebot. Soweit daher nicht tarifliche Vorschriften die Angabe des Rechtfertigungsgrunds erfordern, hängt die Wirksamkeit der Befristung nicht davon ab, ob der Rechtfertigungsgrund zum Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung gemacht oder dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluß mitgeteilt wurde. Es reicht vielmehr aus, daß der Rechtfertigungsgrund bei Vertragsschluß objektiv vorlag ( - AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 13 = EzA BGB § 620 Nr. 193, zu II 1 a der Gründe). Die Bestimmungen der SR 2 y zum BAT finden mangels einzelvertraglicher Vereinbarung (eine Tarifbindung der Parteien wurde nicht behauptet) keine Anwendung.

4. Die Rechtfertigung der Befristung nach § 1 Abs. 2 BeschFG 1996 könnte jedoch daran scheitern, daß die Parteien die Befristungsmöglichkeit nach dieser Bestimmung vertraglich abbedungen haben. Ob dies der Fall ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.

a) Den Arbeitsvertragsparteien ist es unbenommen, eine Vereinbarung zu treffen, durch welche das Beschäftigungsförderungsgesetz als Rechtsgrundlage für die vereinbarte Befristung ausgeschlossen wird. Dies kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. An einen konkludenten Ausschluß der Befristungsmöglichkeit nach § 1 BeschFG 1996 ist vor allem dann zu denken, wenn der Arbeitnehmer die Erklärung des Arbeitgebers dahingehend verstehen darf, daß die Befristung ausschließlich auf einen bestimmten Sachgrund gestützt werden und von dessen Bestehen abhängen soll. Ob die Parteien die Befristungsmöglichkeit nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz konkludent ausgeschlossen haben, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Die Benennung eines Sachgrunds im Arbeitsvertrag kann dafür ein wesentliches Indiz sein. Allein reicht sie jedoch nicht aus zu der Annahme, die sachgrundlose Befristung solle damit ausgeschlossen sein. Vielmehr müssen im Einzelfall noch zusätzliche Umstände hinzutreten ( - AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 13 = EzA BGB § 620 Nr. 193, zu II 1 b der Gründe). Ob die Anwendbarkeit des § 1 BeschFG 1996 vertraglich abbedungen wurde, ist grundsätzlich von den Gerichten der Tatsacheninstanz durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln.

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Parteien die Befristungsmöglichkeit nach § 1 BeschFG 1996 vertraglich ausgeschlossen haben und demzufolge eine Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien nicht vorgenommen. Der Senat kann dies nicht nachholen. Das Revisionsgericht kann eine vom Landesarbeitsgericht unterlassene Vertragsauslegung nur dann selbst vornehmen, wenn die dazu erforderlichen Tatsachen festgestellt sind und kein weiterer Sachvortrag der Parteien zu erwarten ist ( - AP BAT § 55 Nr. 3, zu II 3 a der Gründe; - 8 AZR 89/90 - BAGE 67, 279 = AP ZPO § 550 Nr. 21 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 11). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Bislang steht nur fest, daß im Arbeitsvertrag vom die Befristung auf §§ 97 ff. AFG und damit auf einen Sachgrund gestützt wurde. Dies allein reicht zur Abbedingung der Befristungsmöglichkeit nach § 1 BeschFG 1996 jedoch nicht aus. Umstände bei Vertragsschluß, die für oder gegen die Abbedingung sprechen könnten, hat das Landesarbeitsgericht bisher nicht festgestellt. Da weder die Vorinstanzen noch die Parteien § 1 BeschFG 1996 zur Rechtfertigung der Befristung in Betracht gezogen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Parteien dazu keine weiteren Tatsachen mehr vortragen wollen. Der Rechtsstreit war daher an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, um den Parteien Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag zu geben und dem Landesarbeitsgericht die Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen unter Berücksichtigung etwaiger besonderer Umstände bei Vertragsschluß zu ermöglichen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BB 2003 S. 2132 Nr. 40
DB 2004 S. 142 Nr. 3
SAAAB-94711

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