BAG Urteil v. - 7 AZR 32/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: TzBfG § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3; TzBfG § 17 Satz 1

Instanzenzug: ArbG Bochum 1 Ca 2395/02 vom LAG Hamm 11 Sa 2022/02 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrages vom .

Die Klägerin war von Juli 1995 bis Ende Dezember 2001 auf Grund von acht befristeten Arbeitsverträgen als Justizangestellte bei der Staatsanwaltschaft Bochum des beklagten Landes tätig. Die Parteien vereinbarten die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT).

Mit Vertrag vom vereinbarten die Parteien ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis für die Zeit vom bis , nachdem der Personalrat dem Antrag des Leitenden Oberstaatsanwalts vom auf Zustimmung zur Vertragsverlängerung am zugestimmt hatte. In diesem Vertrag war als Grund der Befristung die Vertretung für die Zeit des Sonderurlaubs der Justizangestellten S gem. § 50 Abs. 1 BAT genannt. Ihr war bis zum Sonderurlaub erteilt worden. Die Klägerin erledigte vom bis zum Kanzleiarbeiten in aushilfsweiser Unterstützung der Geschäftsstelle und arbeitete vom 3. Juni bis zum als Servicekraft (Springerin). Darüber hinaus erledigte sie die Aktenverwaltung sowie Schreibarbeiten. Die Justizangestellte S war während ihrer Tätigkeit mit Kanzleiarbeiten beauftragt.

Nachdem die Klägerin mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrags vom geltend gemacht hatte, schlossen die Parteien am einen weiteren befristeten Vertrag für die Zeit vom bis ebenfalls zur Vertretung der Angestellten S .

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für die Befristung vom habe der Sachgrund der Vertretung nicht vorgelegen. Es habe kein Kausalzusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und dem zeitweiligen Ausfall der Justizangestellten S bestanden. Darüber hinaus sei die vereinbarte Befristung wegen fehlerhafter Personalratsbeteiligung unwirksam.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auf Grund der Befristung nicht am beendet sein wird

und hilfsweise,

das beklagte Land zu verurteilen, mit der Klägerin einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Justizangestellte abzuschließen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass das mit Vertrag vom begründete Arbeitsverhältnis nicht auf Grund Befristung mit dem geendet hat. Allerdings ist die Befristungsabrede schon deshalb unwirksam, weil es hierfür an einem Sachgrund fehlt. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG angenommen und die Klageabweisung nur auf eine fehlerhafte Personalratsanhörung gestützt.

I. Mit ihrer am erhobenen Klage hat die Klägerin die Frist des § 17 Satz 1 TzBfG eingehalten. Die Klage nach § 17 TzBfG kann schon vor Ablauf der vereinbarten Befristung erhoben werden ( - EzA TzBfG § 14 Nr. 9 = DB 2004, 1434, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen <zVv.>, zu I der Gründe).

II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Befristung im Arbeitsvertrag vom der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, obwohl die Parteien am einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen haben. Die hiergegen gerichteten Rügen der Revision sind unbegründet.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen regelmäßig nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrages auf ihre Rechtfertigung zu prüfen. Durch den Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage, die künftig für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgebend sein soll. Damit wird zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben ( - 7 AZR 33/03 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 253 = EzA BGB 2002 § 620 Hochschulen Nr. 1, zu I 1 der Gründe; - 7 AZR 43/99 - AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 26 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 18, zu B I 1 der Gründe). Die Parteien können allerdings in einem nachfolgenden befristeten Arbeitsvertrag dem Arbeitnehmer das Recht vorbehalten, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristungen prüfen zu lassen. Dann ist die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle auch für den davor liegenden Vertrag eröffnet ( - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 236 = EzA BGB § 620 Nr. 195, zu I 2 c der Gründe). Dieser Vorbehalt kann auch konkludent vereinbart werden.

2. Bei Abschluss des Folgevertrags haben die Parteien keinen ausdrücklichen Vorbehalt erklärt. Es ist aber ein konkludenter Vorbehalt anzunehmen. Schließen die Parteien nach Rechtshängigkeit einer Entfristungsklage gem. § 17 TzBfG weitere befristete Verträge ohne ausdrücklichen Vorbehalt, darf der Arbeitnehmer dem Arbeitsvertragsangebot des Arbeitgebers den zusätzlichen Inhalt entnehmen, dieser Vertrag solle nur dann das Arbeitsverhältnis der Parteien regeln, wenn nicht bereits der der gerichtlichen Kontrolle übergebene Arbeitsvertrag maßgeblich für das Arbeitsverhältnis der Parteien ist. Etwas anderes muss der Arbeitnehmer dem Angebot des Arbeitgebers nur entnehmen, wenn dieses Hinweise für die ansonsten regelmäßig eintretende Rechtsfolge der Aufhebung des vorangegangenen Vertrags enthält. Gibt es sie nicht, nimmt der Arbeitnehmer das Angebot unter dem Vorbehalt an, der Vertrag solle nur maßgeblich sein, wenn nicht bereits auf Grund einer vorherigen unwirksamen Befristung ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit bestehe ( - EzA TzBfG § 14 Nr. 9 = DB 2004, 1434, zVv., zu II 2 der Gründe). So verhält es sich im Streitfall. Das Angebot des beklagten Landes vom auf Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags enthält keinen Hinweis darauf, dass das Arbeitsverhältnis auf eine vollständig neue Grundlage gestellt werden solle und deshalb ein gegebenenfalls zuvor bestehendes unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgelöst werde.

III. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, für die Befristung des Vertrags vom sei der Sachgrund der Vertretung gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG gegeben.

Zutreffend ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass nur eine mittelbare Vertretung in Betracht kommt. Denn die Klägerin sollte nach dem Vortrag des beklagten Landes nicht die Arbeitsaufgaben der Angestellten S übernehmen.

Das Landesarbeitsgericht hat eine mittelbare Vertretung mit der Begründung bejaht, der notwendige ursächliche Zusammenhang zwischen dem Ausfall der Angestellten S und der Beschäftigung der Klägerin sei gegeben. Denn es sei dem beklagten Land wegen der gleichen Qualifikationen der Klägerin und der Angestellten S tatsächlich und rechtlich möglich gewesen, die zu vertretende Frau S in den von der Klägerin wahrgenommenen Arbeitsbereich umzusetzen.

1. Ein der Vertreter kann mit anderen Aufgaben als den Aufgaben des Vertretenen beauftragt werden. Denn die befristete Beschäftigung zur Vertretung lässt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt ( - BAGE 90, 335 = AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 138 = EzA BGB § 620 Nr. 160, zu II 1 c der Gründe). Der Arbeitgeber kann bei einem vorübergehenden Ausfall eines Stammarbeitnehmers darüber bestimmen, ob er den Arbeitsausfall überhaupt überbrücken will, ob er im Wege der Umverteilung die vom zeitweilig verhinderten Arbeitnehmer zu erledigenden Arbeitsaufgaben anderen Mitarbeitern zuweist oder ob er dessen Aufgaben ganz oder teilweise von einer Vertretungskraft erledigen lässt ( - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 228 = EzA BGB § 620 Nr. 176, zu 3 der Gründe). Der zeitweilige Ausfall eines Arbeitnehmers und die dadurch bedingte Einstellung einer Ersatzkraft können auch eine Umorganisation erfordern, die dazu führt, dass ein völlig neuer Arbeitsplan erstellt wird, in dem die Aufgaben des zeitweilig ausgefallenen Mitarbeiters einem dritten Mitarbeiter übertragen werden, dieser für andere Aufgaben nicht mehr zur Verfügung steht und für diese anderen Aufgaben nunmehr eine Vertretungskraft eingestellt wird. Notwendig ist nur, dass zwischen dem zeitweiligen Ausfall von Stammarbeitnehmern und der befristeten Einstellung von Aushilfsarbeitnehmern ein ursächlicher Zusammenhang besteht ( - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 135 = EzA BGB § 620 Nr. 106, zu III 1 c aa der Gründe). Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist ( - EzA TzBfG § 14 Nr. 9 = DB 2004, 1434, zVv., zu III 1 der Gründe; - 7 AZR 107/00 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 228 = EzA BGB § 620 Nr. 176, zu 3 der Gründe mwN).

2. Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, kann dieser Kausalzusammenhang im Streitfall nicht festgestellt werden. Das beklagte Land beruft sich ausschließlich auf die fachliche Austauschbarkeit der Klägerin mit der Justizangestellten S . Allein eine solche Austauschbarkeit der Arbeitnehmer ist nicht ausreichend. Der notwendige ursächliche Zusammenhang wird dadurch nicht hergestellt. Vielmehr ist eine konkrete Darlegung erforderlich, wie die Arbeit umorganisiert worden ist oder hätte umorganisiert werden können, um die Aushilfskraft zumindest mittelbar noch als Vertreterin der zu vertretenden Arbeitnehmerin ansehen zu können (vgl. - EzA TzBfG § 14 Nr. 9 = DB 2004, 1434, zVv., zu III 1 der Gründe).

3. Soweit sich das beklagte Land ergänzend darauf berufen hat, wegen der Planstellenknappheit sei es unerlässlich, jeden weiteren zeitweiligen Ausfall eines angestellten Mitarbeiters bei der Staatsanwaltschaft Bochum durch eine Vertretungskraft zu ersetzen, stellt dies ebenso wenig den ursächlichen Zusammenhang her. Es reicht für den Sachgrund der Vertretung nicht aus, dass der Arbeitgeber den vorübergehenden Ausfall eines Mitarbeiters zum Anlass nimmt, zeitweilig frei werdende Mittel dazu zu verwenden, andere Aufgaben durch den befristet eingestellten Arbeitnehmer erledigen zu lassen, ohne dass diese wenigstens in einer mittelbaren Beziehung zu den Arbeitsaufgaben des zeitweilig ausgefallenen Mitarbeiters stehen ( - BAGE 101, 84 = AP BAT § 2 SR 2y Nr. 21 = EzA BGB § 620 Nr. 194, zu II 1 der Gründe). Das Vorbringen enthält auch keine ausreichenden Tatsachen für den Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG.

IV. Da die Befristung wegen fehlendem sachlichen Grund rechtsunwirksam ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob das beklagte Land das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LPVG NW verletzt hat.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
DB 2005 S. 503 Nr. 9
DStR 2005 S. 933 Nr. 21
PAAAB-94683

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