Leitsatz
[1] 1. Beschäftigte in einem anderen Vertragsverhältnis iSd. § 19 BBiG können dann den Schutz des § 78a BetrVG in Anspruch nehmen, wenn sie eingestellt worden sind, um berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen zu erwerben. Voraussetzung dafür ist, dass nach Ausbildungsvertrag oder tariflichen Vorschriften ein geordneter Ausbildungsgang vorgeschrieben ist und die Dauer der Ausbildung mindestens zwei Jahre beträgt.
2. § 19 BBiG gilt nicht für Arbeitsverhältnisse. §78a BetrVG findet deshalb auf Volontäre keine Anwendung, die vorrangig die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen.
Gesetze: BetrVG § 5 Abs. 1; BetrVG § 78a; BBiG § 1 Abs. 2; BBiG § 4 Abs. 1 Nr. 1; BBiG § 19; BBiG § 25 Abs. 2 Nr. 2
Instanzenzug: ArbG Nürnberg 2 Ca 2138/02 vom LAG Nürnberg 9(3) Sa 866/02 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach § 78a BetrVG und über einen Beschäftigungsanspruch der Klägerin als Fernsehredakteurin.
Die Beklagte betreibt einen regionalen Fernsehsender. Die Klägerin leistete nach dem Studium der Theaterwissenschaft und Publizistik bei der Beklagten in der Zeit vom bis ein unbezahltes Praktikum. In der Zeit vom bis war sie im Rahmen eines entgeltlichen Praktikantenverhältnisses tätig. Am schlossen die Parteien einen befristeten Volontariatsvertrag für die Zeit vom bis Ende Februar 2002 mit dem Ziel der Vorbereitung auf den Beruf der Redakteurin. Das vereinbarte Bruttomonatsgehalt betrug 1.800,00 DM. Nach § 8 des Vertrags verpflichtete sich die Klägerin zur Arbeitsleistung im Rahmen der von der Beklagten erteilten Anweisungen. Darüber hinaus hatte sie die angebotenen Möglichkeiten zur Weiterbildung durch eigenes Bemühen voll zu nutzen.
Am wurde die Klägerin als Ersatzmitglied für den Betriebsrat gewählt. Mit Wirkung vom rückte sie wegen des Ausscheidens eines Mitglieds in den Betriebsrat nach.
Mit Schreiben vom begehrte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihre Weiterbeschäftigung gem. § 78a BetrVG ab dem . Die Beklagte verweigerte dies mit Schreiben vom . Am erteilte die Beklagte der Klägerin ein Zeugnis. Dort heißt es ua.:
"Während ihres Volontariats erlernte Frau G alle wesentlichen Aufgaben einer Fernsehredakteurin. Aufgrund ihrer erworbenen Fachkenntnisse konnte Frau G für die Erstellung von regionalen TV- Beiträgen eingesetzt werden.
Hierzu zählen insbesondere Beiträge für unsere tägliche Nachrichtensendung "Drehscheibe Franken". Hierbei erstreckte sich ihr Aufgabengebiet von der Recherche bis zur Realisierung der TV-Beiträge.
Diese Beiträge wurden von ihr auf dem Drei-Maschinen-Schnittplatz geschnitten und von ihr vertont.
Unter Aufsicht durfte Frau G zeitweise seit Juni 2001 die Aufgaben des Chefs vom Dienst (CvD) ausüben.
Weiter wurde sie in die Tätigkeit eines Ressortleiters eingewiesen.
Zum Ende ihres Volontariats wurde Frau G als Ablaufredakteurin für die täglichen Live-Sendungen eingearbeitet und eingesetzt."
Mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Weiterbeschäftigung ab dem als Redakteurin geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, bei ihrem Volontariat habe es sich um ein Ausbildungsverhältnis iSd. § 78a BetrVG gehandelt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, sie im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses über den hinaus als Redakteurin gegen Zahlung einer monatlichen Vergütung iHv. 2.500,00 Euro brutto weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Beschäftigungsanspruch weiter.
Gründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Beschäftigung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis über den hinaus. Der Volontariatsvertrag vom endete auf Grund vereinbarter Befristung zum . Die Wirksamkeit dieser Befristungsabrede hat die Klägerin nicht angegriffen. Entgegen der Auffassung der Revision ist auf Grund des Weiterbeschäftigungsverlangens mit Schreiben vom kein Arbeitsverhältnis nach § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG ab dem zustande gekommen. Denn die Klägerin stand in keinem Berufsausbildungsverhältnis zur Beklagten.
I. Nach § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG gilt zwischen einem Auszubildenden, der Mitglied des Betriebsrats oder eines der anderen dort genannten Betriebsverfassungsorgane ist, und dem Arbeitgeber im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet, wenn der Auszubildende in den letzten drei Monaten vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses vom Arbeitgeber schriftlich die Weiterbeschäftigung verlangt. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die Klägerin war zwar Mitglied des Betriebsrats. Sie verlangte auch mit Schreiben vom frist- und formgerecht ihre Weiterbeschäftigung. Zwischen den Parteien bestand jedoch kein Berufsausbildungsverhältnis iSd. § 78a BetrVG. Die Klägerin war weder Auszubildende nach § 1 Abs. 2 BBiG noch befand sie sich in einem anderen Vertragsverhältnis iSv. § 19 BBiG, für das die §§ 3 bis 18 BBiG mit den vom Gesetz genannten Maßgaben gilt. Sie war Arbeitnehmerin. § 78a BetrVG ist deshalb nicht anwendbar.
II. Der Begriff des Auszubildenden ist in § 78a BetrVG nicht ausdrücklich definiert.
1. Die Vorschrift orientiert sich an den Begriffsbestimmungen des BBiG ( - BAGE 43, 115 = AP BetrVG 1972 § 78a Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 78a Nr. 11, zu II 2 a der Gründe, h M im Schrifttum: Fitting BetrVG 22. Aufl. § 78a Rn. 4; GK-BetrVG/Kreutz 7. Aufl. § 78a Rn. 12 mwN). Sie verwendet nicht die in § 5 Abs. 1 BetrVG zur Bestimmung des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs enthaltene Formulierung "der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten". Deshalb folgt aus dem durch diese Vorschrift vermittelten aktiven und passiven Wahlrecht eines zur Ausbildung Beschäftigten iSd. § 5 Abs. 1 BetrVG nicht ohne weiteres der Schutz des § 78a BetrVG. Vielmehr muss eine Ausbildung iSd. BBiG vorliegen.
2. Die Orientierung an den Bestimmungen des BBiG hat aber nicht zur Folge, dass § 78a BetrVG nur auf staatlich anerkannte Ausbildungsberufe Anwendung findet, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch auf Vertragsverhältnisse, die auf Grund Tarifvertrags oder arbeitsvertraglicher Vereinbarung eine geordnete Ausbildung von mindestens 2 Jahren vorsehen ( - 6 AZR 595/80 - BAGE 43, 115 = AP BetrVG 1972 § 78a Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 78a Nr. 11, zu II 2 a der Gründe unter Hinweis auf § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBiG).
III. Die Klägerin war während der Einarbeitung für die Tätigkeit einer Fernsehredakteurin keine Auszubildende nach den Bestimmungen des BBiG.
1. Die Klägerin befand sich nicht in einer Berufsausbildung nach § 1 Abs. 2 BBiG, die der Vermittlung einer breit angelegten beruflichen Grundbildung und der für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten Ausbildungsgang dient. Unabhängig davon, dass eine staatliche Anerkennung und eine staatliche Ausbildungsordnung nach § 25 Abs. 1 BBiG nicht vorliegen, hat die Klägerin nicht vortragen können, dass ihr Kenntnisse und Fähigkeiten in einem geordneten Ausbildungsgang vermittelt wurden. Es fehlt sogar die nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBiG geforderte Niederschrift über den wesentlichen Inhalt der Ausbildung. Der Vertrag enthält dazu keinerlei Angaben.
2. Die Klägerin erfüllte auch nicht die Voraussetzungen für die erweiterte Anwendung des § 78a BetrVG. Sie befand sich nicht in einem anderen Vertragsverhältnis nach § 19 BBiG, sondern in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Schwerpunkt des Volontariatsverhältnisses zwischen den Parteien war die Verpflichtung der Klägerin zur Arbeitsleistung und nicht die Ausbildungspflicht der Beklagten. Es handelte sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien deshalb um ein Arbeitsverhältnis.
a) Volontäre können sich in einem Arbeitsverhältnis, aber auch in einem anderen Vertragsverhältnis iSv. § 19 BBiG befinden. Ein Volontariatsverhältnis als anderes Vertragsverhältnis nach § 19 BBiG liegt vor, wenn auf Grund Ausbildungsvertrag und einschlägigen tariflichen Vorschriften ein geordneter Ausbildungsgang vorgeschrieben ist und die Dauer der Ausbildung der gesetzlichen Mindestanforderung für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe von mindestens zwei Jahren nach § 25 Abs. 2 Nr. 2 BBiG entspricht ( - BAGE 43, 115 = AP BetrVG 1972 § 78a Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 78a Nr. 11, zu II 2 a ff. der Gründe).
b) Ein anderes Vertragsverhältnis besteht nach dem Eingangssatzteil von § 19 BBiG nicht, wenn die Parteien ein Arbeitsverhältnis vereinbart haben. Die Vorschrift gilt deshalb nur für solche Personen, die sich nicht wie in einem Arbeitsverhältnis überwiegend zur Leistung von Arbeit nach Weisung des Arbeitgebers verpflichtet haben, sondern bei denen der Lernzweck im Vordergrund steht. Zwar stellen auch die zur Ausbildung eingestellten Personen in einem gewissen Umfang ihre Arbeitskraft nach Weisung des Arbeitgebers zur Verfügung; wesentlicher Inhalt und Schwerpunkt ihres Vertragsverhältnisses ist jedoch die Ausbildung für eine spätere qualifiziertere Tätigkeit ( - AP BBiG § 19 Nr. 2 = EzA BBiG § 19 Nr. 4, zu I 1 der Gründe). Es kommt auf die Gewichtung der vertraglichen Pflichten an. Überwiegt die Pflicht zu Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis und nicht um ein anderes Vertragsverhältnis iSv. § 19 BBiG.
c) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Parteien am einen Arbeitsvertrag geschlossen haben. Nach der vertraglichen Vereinbarung und der tatsächlichen Durchführung des Volontariatsverhältnisses überwogen im vorliegenden Fall die Elemente eines Arbeitsverhältnisses. Schon vertraglich prägte nicht die Ausbildung zur Fernsehredakteurin, sondern die Tätigkeit nach Weisung das Rechtsverhältnis. So verpflichtete sich die Klägerin in § 8 Abs. 1 des Vertrags zur Arbeitsleistung im Rahmen der erteilten Anweisungen. Lediglich darüber hinaus hatte sie Weiterbildungsmöglichkeiten zu nutzen. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Ausbildung der Klägerin enthält der Volontariatsvertrag nicht. Insbesondere übernahm es die Beklagte nicht, die Klägerin auf das Berufsziel des Fernsehredakteurs methodisch und systematisch vorzubereiten und nur solche Leistungen zu verlangen, die mit dem Wesen der Ausbildung vereinbar sind. Dem steht die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe nicht ausreichend gewürdigt, dass die Klägerin die für den Beruf des Fernsehredakteurs grundlegenden Tätigkeitsbereiche durchlaufen habe, nicht entgegen. Auch ein Arbeitnehmer, der hauptsächlich zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, wird in seine Aufgaben eingewiesen und lernt durch fortlaufende Unterweisungen die ordnungsgemäße Erbringung der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung. Die Ausbildung ist dann nicht Zweck des Vertrags, sondern Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung. Die Tätigkeit in den verschiedenen Bereichen dient nur dem Erwerb vielfältiger Berufserfahrungen. Das wird durch das der Klägerin erteilte und von ihr nicht beanstandete Zeugnis vom bestätigt. Danach wurde sie auf Grund ihrer erworbenen Fachkenntnisse in verschiedenen Bereichen eingesetzt, wie beispielsweise zur Erstellung von regionalen TV-Beiträgen, Chef vom Dienst oder als Ablaufredakteurin für die täglichen Live- Sendungen, nachdem sie dort eingearbeitet worden war.
3. Selbst wenn zwischen den Parteien ein anderes Vertragsverhältnis nach § 19 BBiG bestanden haben sollte, weil die vertraglichen Beziehungen vom Ausbildungszweck beherrscht wurden, wäre § 78a BetrVG nicht anwendbar. Es fehlt an der Vergleichbarkeit zu einer Berufsausbildung iSd. BBiG. Weder nach dem Volontariatsvertrag noch nach einschlägigen tariflichen Vorschriften war ein geordneter Ausbildungsgang vorgeschrieben. Die einjährige Dauer des Volontariats entsprach auch nicht der gesetzlichen Mindestanforderung für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe von mindestens zwei Jahren nach § 25 Abs. 2 Nr. 2 BBiG. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Dauer des vorherigen neunmonatigen Praktikums nicht hinzuzurechnen. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass das Praktikum auf Grund eines geordneten Ausbildungsgangs der Ausbildung nach dem BBiG vergleichbar gewesen sei.
4. Die Revision rügt zu Unrecht eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch das Landesarbeitsgericht, weil das Bundesarbeitsgericht in einem entschiedenen Fall für Redaktionsvolontäre an Tageszeitungen die Anwendung des § 78a BetrVG angenommen hatte. Dem dort entschiedenen Fall lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Dort war ein schriftlicher Ausbildungsvertrag für zwei Jahre geschlossen worden. Zudem sahen Ausbildungsvertrag und Tarifvertrag einen geordneten Ausbildungsgang vor ( - BAGE 43, 115 = AP BetrVG 1972 § 78a Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 78a Nr. 11).
IV. Die Klägerin hat die Kosten der erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2005 S. 1800 Nr. 33
IAAAB-94655
1Für die Amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein