BAG Urteil v. - 7 AZR 101/04

Leitsatz

[1] 1. Bei einer Verschmelzung von Rechtsträgern unter Auflösung ohne Abwicklung im Wege der Aufnahme nach § 2 Nr. 1 UmwG erlischt der übertragende Rechtsträger mit Eintragung der Verschmelzung, § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG.

2. Der erloschene übertragende Rechtsträger ist nicht derselbe Arbeitgeber iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG wie der übernehmende Rechtsträger.

3. War das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit dem übertragenden Rechtsträger bereits vor einem im Zuge der Verschmelzung vollzogenen Betriebsübergang nach § 324 UmwG in der bis zum geltenden Fassung, § 613a Abs. 1 BGB beendet, sind Betriebsveräußerer und Betriebserwerber nicht derselbe Arbeitgeber iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.

Gesetze: TzBfG § 14 Abs. 2 Satz 1; TzBfG § 14 Abs. 2 Satz 2; TzBfG § 17 Satz 1; UmwG § 2 Nr. 1; UmwG § 19 Abs. 1 Satz 2; UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 1; UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 2; UmwG § 324 (in der bis zum geltenden Fassung); BGB § 613a Abs. 1

Instanzenzug: ArbG Berlin 40 Ca 372/03 vom LAG Berlin 16 Sa 1698/03 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrags vom .

Die Klägerin war in der Zeit vom bis bei der D in deren Bildungszentrum in G als Lehrkraft auf Zeit beschäftigt. Die D wurde auf Grund Verschmelzungsvertrag vom zusammen mit vier weiteren Gewerkschaften durch Übertragung ihrer jeweiligen Vermögen als Ganzes unter Ausschluss der Abwicklung mit der als eingetragener Verein bestehenden Beklagten gemäß § 2 Nr. 1 UmwG verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am in das Vereinsregister des Sitzes der Beklagten eingetragen. Nachdem die Beklagte auf ihre Rechtsfähigkeit verzichtet hat und dementsprechend im Vereinsregister gestrichen ist, ist sie seit dem als nicht rechtsfähiger Verein organisiert.

Mit Vertrag vom vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis für die Zeit vom bis . Die Klägerin war als Dozentin in W tätig.

Mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrags geltend gemacht.

Sie hat gemeint, die im Arbeitsvertrag der Parteien vom vereinbarte sachgrundlose Befristung verstoße gegen das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Auf Grund ihrer vorangegangenen Beschäftigung bei der D habe bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber iSd. Vorschrift bestanden. Mit der Gesamtrechtsnachfolge im Falle der Verschmelzung trete der Nachfolger umfassend in die Rechtsstellung seines Vorgängers ein, so dass übertragender und übernehmender Rechtsträger rechtlich als Einheit anzusehen seien. Bei der D und der Beklagten handele es sich daher um denselben Arbeitgeber iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Gründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Befristungsabrede in dem Arbeitsvertrag vom ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG wirksam. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete deshalb mit Ablauf des .

I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine Entfristungsklage nach § 17 TzBfG. Der Feststellungsantrag ist dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die in § 17 Satz 1 TzBfG vorgesehene gerichtliche Entscheidung erstrebt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf Grund der im Arbeitsvertrag vom vereinbarten Befristung mit Ablauf des beendet ist. Nach der Klagebegründung macht die Klägerin ausschließlich die Unwirksamkeit dieser Befristung geltend. Andere Beendigungstatbestände, die einen allgemeinen Feststellungsantrag rechtfertigen könnten, sind nicht im Streit.

II. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auf Grund der im Arbeitsvertrag vom vereinbarten Befristung mit Ablauf des beendet worden. Die Befristungsabrede ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam. Dem steht nicht die Vorbeschäftigung der Klägerin bei der D in der Zeit vom bis entgegen. Das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nicht verletzt, weil es sich bei der Beklagten und der D nicht um denselben Arbeitgeber iSd. Vorschrift handelt.

1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Begriff desselben Arbeitgebers ist im Gesetz nicht definiert. Er bedarf daher der Auslegung.

a) Der Senat hat zu dem Begriff desselben Arbeitgebers in der Vorgängerregelung des § 1 Abs. 3 BeschFG idF des Gesetzes vom entschieden, Arbeitgeber sei der Vertragsarbeitgeber, also die natürliche oder juristische Person, die mit dem Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag geschlossen hat ( - 7 AZR 376/00 - BAGE 97, 317 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 10 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 25, zu II 1 a aa der Gründe). Dieses Ergebnis folgerte er aus der Auslegung des § 1 Abs. 3 BeschFG unter Berücksichtigung von Wortlaut, Gesetzessystematik, Sinn und Zweck der Regelung und aus der Gesetzesgeschichte. Ein vorhergehender Arbeitsvertrag hatte deshalb nur mit demselben Arbeitgeber bestanden, wenn der Vertragspartner des Arbeitnehmers bei beiden Verträgen dieselbe natürliche oder juristische Person war.

b) Die Erwägungen des Senats gelten gleichermaßen für den Begriff desselben Arbeitgebers iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (iE ebenso ErfK/Müller-Glöge 5. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 120; KR-Lipke 7. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 301 ff.; APS/Backhaus 2. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 395). Der Begriff des Arbeitgebers ist wegen der Verbindung zum Arbeitsvertrag und aus gesetzessystematischen Gründen weiterhin im arbeitsvertraglichen Sinn zu verstehen.

Die Auslegung folgt ferner aus Sinn und Zweck der Neuregelung. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4374) sollte die nach bisherigem Recht bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben bestehende Möglichkeit der unbegrenzten Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge (Kettenverträge) zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien beseitigt werden ( - BAGE 104, 244 = AP TzBfG § 14 Nr. 2 = EzA TzBfG § 14 Nr. 2, zu II 3 c der Gründe). Zur Vermeidung der unbegrenzten Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge besteht deshalb nach dem TzBfG nur für die Ersteinstellung die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung. Eine weitergehende Einschränkung der sachgrundlosen Befristung war nicht beabsichtigt. Das gilt auch für den Fall der Verschmelzung. Durch die Verschmelzung wird keine der durch die Vorgängerregelung des § 1 Abs. 3 BeschFG 1996 eröffneten Möglichkeiten zur unbegrenzten Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge wieder hergestellt. Dem mit der Neuregelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Zweck wird dadurch genügt, dass dem übernehmenden Rechtsträger als neuem Vertragsarbeitgeber nur die nach neuem Recht einmalige Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG verbleibt.

2. Die danach bei den Vertragsparteien notwendige Identität auf Arbeitgeberseite ist im Streitfall nicht gegeben. Die Beklagte und die D , mit der die Klägerin den vorhergehenden Arbeitsvertrag geschlossen hatte, sind zwei verschiedene juristische Personen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Dem ist auch die Klägerin nicht entgegen getreten. Wenn sie jedoch meint, die zum wirksam gewordene Verschmelzung der D mit der Beklagten im Wege der Aufnahme gemäß § 2 Nr. 1 UmwG führe dazu, dass die beiden juristischen Personen nunmehr als derselbe Arbeitgeber iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG anzusehen seien, verkennt sie die Rechtsfolgen der Verschmelzung für das Recht des befristeten Arbeitsvertrags.

a) Die Verschmelzung führt nicht dazu, dass übertragender und übernehmender Rechtsträger rechtlich als derselbe Arbeitgeber anzusehen sind. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG hat die Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers zur Folge, dass das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ordnet damit die Gesamtrechtsnachfolge des übernehmenden Rechtsträgers in die Rechtsposition des übertragenden Rechtsträgers an (Lutter UmwG 3. Aufl. § 20 Rn. 7). Der übertragende Rechtsträger erlischt, § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Mit der Vermögensübernahme im Wege der Gesamtrechtsnachfolge geht die gesetzliche Einschränkung, dass der übertragende Rechtsträger mit einem zuvor beschäftigten Arbeitnehmer nicht noch einmal in zulässiger Weise einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag abschließen kann, nicht auf den übernehmenden Rechtsträger über. Das nach Auffassung der Klägerin "aus einer befristungsschädlichen Vorbeschäftigung latent bestehende Befristungsverbot" gehört nicht zu den übertragbaren Rechtspositionen eines übertragenden Rechtsträgers, wobei dahin gestellt bleibt, ob die Anordnung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG von der Klägerin rechtlich zutreffend beschrieben ist und ob es sich dabei überhaupt um eine Rechtsposition handelt. Die Anordnung der Unzulässigkeit einer bestimmten Vertragsgestaltung gegenüber einzelnen Arbeitnehmern besteht nach dem Sinn und Zweck der Norm nur für den vormaligen Vertragsarbeitgeber. Sie entfaltet keine Wirkung mehr, wenn die juristische Person des Vertragsarbeitgebers erlischt, auch nicht in der Weise, dass der übernehmende Rechtsträger als derselbe Arbeitgeber iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG anzusehen ist.

b) Da die D als die juristische Person, die mit der Klägerin den vorhergehenden Arbeitsvertrag geschlossen hatte, mit der Eintragung der Verschmelzung in das Vereinsregister am erloschen ist, kommt § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Verhältnis der Klageparteien nicht zur Anwendung.

3. Die Beklagte ist auch nicht derselbe Arbeitgeber iS § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, weil im Zusammenhang mit der Verschmelzung ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Die in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG vorausgesetzte Personenidentität auf Arbeitgeberseite ist im Falle eines Betriebsübergangs nach § 324 UmwG (in der bis zum geltenden Fassung), § 613a Abs. 1 BGB nicht gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis bereits vor einem im Zuge der Verschmelzung vollzogenen Betriebsübergang beendet war und daher nicht kraft Gesetzes vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger übergegangen ist (Boewer TzBfG § 14 Rn. 235; KRLipke 7. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 305; ErfK/Müller-Glöge 5. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 120; Annuß/Thüsing-Maschmann TzBfG § 14 Rn. 76; Sievers TzBfG § 14 Rn. 225; Bauer BB 2001, 2473, 2476; Osnabrügge NZA 2003, 639, 641). Denn der übernehmende Rechtsträger ist als Rechtsnachfolger nicht Vertragsarbeitgeber des Arbeitnehmers geworden, wenn das vorhergehende Arbeitsverhältnis mit dem übertragenden Rechtsträger bereits vor dem Betriebsübergang beendet war.

Die Klägerin war zum Zeitpunkt des mit der Verschmelzung einhergehenden Betriebsübergangs aus dem Arbeitsverhältnis mit der D bereits ausgeschieden, so dass auch insoweit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG keine Anwendung finden kann. Im Übrigen war die Klägerin während der Beschäftigung bei der Beklagten nicht einmal in dem Betrieb tätig, in dem sie zuvor gearbeitet hat.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2005 S. 1343 Nr. 24
DB 2005 S. 950 Nr. 17
NJW 2005 S. 2474 Nr. 34
NWB-Eilnachricht Nr. 46/2005 S. 3888
ZAAAB-94645

1Für die Amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein