Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BetrVG § 2 Abs. 1; BetrVG § 8 Abs. 1; BetrVG § 24; BetrVG § 25 Abs. 1; BetrVG § 29; BetrVG § 40 Abs. 1; BetrVG § 78; BErzGG § 15 Abs. 4
Instanzenzug: ArbG Augsburg 8 BV 8/03 N vom LAG München 2 TaBV 5/04 vom
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem antragstellenden und zu 1) beteiligten Betriebsratsmitglied die Fahrtkosten zu erstatten, die diesem für die Fahrten zur Betriebsratssitzung während der Elternzeit entstanden sind.
Die Antragstellerin ist seit Oktober 2002 Mitglied des im Betrieb N. der Arbeitgeberin errichteten Betriebsrats. Während ihrer Elternzeit ohne Erwerbstätigkeit zog sie von N. nach K. um und nahm in der Zeit von Januar bis Juli 2003 an insgesamt sieben Betriebsratssitzungen teil. Hierzu musste sie 80 km von K. nach N. fahren. Mit Schreiben vom und vom forderte die Antragstellerin die Arbeitgeberin zur Erstattung ihrer Fahrtkosten für die Teilnahme an sechs Betriebsratssitzungen iHv. jeweils 55,80 Euro je Fahrt auf. Die Arbeitgeberin lehnte eine Erstattung der Fahrtkosten mit Schreiben vom ab.
Mit ihrem am beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Arbeitgeberin am zugestellten Antrag hat die Antragstellerin die Erstattung der Fahrtkosten für die Teilnahme an den insgesamt sieben Betriebsratssitzungen iHv. 390,60 Euro geltend gemacht.
Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe einen Erstattungsanspruch nach § 40 Abs. 1 BetrVG. Denn die Fahrtkosten seien durch ihre Betriebsratstätigkeit entstanden.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin 390,60 Euro zuzüglich Zinsen iHv. 5 % über dem Basiszinssatz seit Antragstellung zu bezahlen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat gemeint, ein Erstattungsanspruch bestehe schon dem Grunde nach nicht. Die Fahrtkosten seien nicht wegen der Betriebsratstätigkeit, sondern wegen der Elternzeit entstanden. Weiterhin hat sie die Höhe der geltend gemachten Fahrtkosten bestritten. Die Kosten der Deutschen Bahn zweiter Klasse von K. nach N. mit Rückfahrkarte betrügen ca. 24,80 Euro.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Landesarbeitsgericht dem Antrag teilweise stattgegeben und die Arbeitgeberin verpflichtet, an die Antragstellerin 173,60 Euro (24,80 Euro je Hin- und Rückfahrt) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin die Zurückweisung des gesamten Antrags. Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Arbeitgeberin nach § 40 Abs. 1 BetrVG die wegen der Teilnahme an den Betriebsratssitzungen erforderlichen Fahrtkosten des antragstellenden Betriebsratsmitglieds für die Fahrten von der Wohnung zum Betrieb in N. zu tragen hat. Weder die Elternzeit der Antragstellerin noch ihr Umzug nach K. steht diesem Erstattungsanspruch entgegen. Die Erstattung verstößt auch nicht gegen das Begünstigungsverbot nach § 78 BetrVG.
I. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Er hat die erforderlichen Aufwendungen einzelner Betriebsratsmitglieder, die ihnen bei der Wahrnehmung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben entstehen, zu erstatten ( -, zu B I der Gründe; - 7 ABR 35/93 - NZA 1995, 796 = BB 1995, 1034, zu B I der Gründe; - 7 ABR 46/90 - BAGE 68, 224 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 39 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 66, zu B II der Gründe). Hierzu gehören auch die Fahrtkosten, die das Betriebsratsmitglied zur Durchführung konkreter Betriebsratstätigkeit aufgewendet hat ( - aaO, zu B II der Gründe).
1. Die Teilnahme an den Sitzungen des Betriebsrats gehört zu den gesetzlichen Aufgaben eines Betriebsratsmitglieds nach § 29 BetrVG (vgl. zur Teilnahme an den Sitzungen des Gesamtbetriebsrats: - BAGE 88, 322 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 58 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 82, zu B II 4 der Gründe).
2. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin entfiel diese gesetzliche Aufgabe für die Antragstellerin nicht deshalb, weil sie sich während der Teilnahme an den Betriebsratssitzungen in Elternzeit befand. Die Elternzeit eines Betriebsratsmitglieds führt weder zum Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat nach § 24 BetrVG noch zwangsläufig zu einer zeitweiligen Verhinderung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.
a) Das Betriebsratsamt eines Betriebsratsmitglieds endet nicht nach § 24 Nr. 3 BetrVG wegen der Inanspruchnahme der Elternzeit. Denn das Arbeitsverhältnis bleibt bestehen. Es ruhen lediglich die beiderseitigen Hauptleistungspflichten (zum Erziehungsurlaub vgl. - AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 9 = EzA BetrVG 1972 § 44 Nr. 9, zu 1 der Gründe). Ruht das Arbeitsverhältnis wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit, bleibt die Zugehörigkeit zum Betriebsrat erhalten (ErfK/Eisemann 5. Aufl. § 24 BetrVG Rn. 6; Fitting BetrVG 22. Aufl. § 24 Rn. 13; DKK/Buschmann BetrVG 9. Aufl. § 24 Rn. 20).
b) Ebenso wenig endet das Betriebsratsamt gemäß § 24 Nr. 4 BetrVG wegen des Verlusts der Wählbarkeit. Das Betriebsratsmitglied verliert während der Elternzeit nicht seine Wählbarkeit nach § 8 Abs. 1 BetrVG. Das Arbeitsverhältnis besteht fort. Die für die Wählbarkeit erforderliche tatsächliche Beziehung zum Betrieb endet nicht deshalb, weil der Arbeitnehmer während der Elternzeit nicht im Betrieb eingegliedert ist. Denn es ist eine Rückkehr in den Betrieb nach Ende der Elternzeit vorgesehen (vgl. - BAGE 106, 64 = AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 1 = EzA BetrVG 2001 § 9 Nr. 1, zu II 2 b der Gründe).
c) Ein Betriebsratsmitglied ist während der Elternzeit nicht an der Ausübung seines Betriebsratsamts iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zeitweilig verhindert. Es kann an den Sitzungen des Betriebsrats teilnehmen. Eine Verhinderung tritt nicht allein deshalb ein, weil das Betriebsratsmitglied seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann oder hierzu nicht verpflichtet ist. Selbst eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss nicht zu einer Verhinderung im Betriebsratsamt führen ( - BAGE 47, 201 = AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 58, zu B IV 1 der Gründe). Während der Elternzeit ist ein Hinderungsgrund erst recht nicht ohne besondere Anhaltspunkte anzunehmen. Während der Elternzeit ist sogar eine Teilzeittätigkeit möglich, § 15 Abs. 4 BErzGG.
d) Da die Antragstellerin infolge dessen mit der Teilnahme an den sieben Betriebsratssitzungen von Januar 2003 bis Juli 2003 ihre gesetzlichen Aufgaben wahrgenommen hat, steht ihr dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten zu.
3. Zu Unrecht meint die Arbeitgeberin, die Fahrtkosten seien nicht zusätzlich durch die Betriebsratstätigkeit, sondern auf Grund der Elternzeit entstanden. Denn ohne die Elternzeit hätte die Antragstellerin die Kosten für die Fahrten zur Arbeitsstätte selbst tragen müssen. Eine Erstattung verstieße deshalb gegen das Begünstigungsverbot.
a) Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Eine Erstattung von Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verstößt nur gegen den Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Betriebsratstätigkeit und gegen das Begünstigungsverbot, wenn die Kosten für das Betriebsratsmitglied nicht zusätzlich wegen der Erledigung von Betriebsratstätigkeiten angefallen sind, sondern auch angefallen wären, wenn die Betriebsratstätigkeit nicht zu leisten gewesen wäre ( - BAGE 68, 224 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 39 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 66, zu B II 1 der Gründe).
b) Das ist hier aber nicht der Fall. Die Antragstellerin hätte wegen ihrer Elternzeit nicht an den Tagen der Betriebsratssitzung im Betrieb der Arbeitgeberin erscheinen müssen. Während des ruhenden Arbeitsverhältnisses in der Elternzeit hat der Arbeitnehmer keine Arbeitspflicht. Er muss sich deshalb auch nicht am Sitz des Betriebs bereithalten. Ohne die Teilnahme an den Betriebsratssitzungen hätte die Antragstellerin nicht zum Betrieb fahren müssen. Fahrtkosten wären ihr nicht entstanden. Deshalb stellen die Fahrtkosten, die sie für die Fahrten zu den Betriebsratssitzungen aufgewendet hat, allein durch die Betriebsratstätigkeit entstandene Aufwendungen dar, deren Erstattung weder gegen den Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Amtsführung noch gegen das Begünstigungsverbot verstößt (vgl. - BAGE 60, 385 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 60, zu B II 2 der Gründe).
4. Rechtsfehlerfrei ist auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Fahrten der Antragstellerin seien erforderlich gewesen, um die ihr obliegenden Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen.
a) Wegen des in § 2 Abs. 1 BetrVG enthaltenen Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit hat der Arbeitgeber nur die für eine sachgerechte Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten zu tragen ( - BAGE 60, 385 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 60, zu B II 1 der Gründe). Die Würdigung des Beschwerdegerichts, ob die vom Betriebsrat oder einem Betriebsratsmitglied verursachten Kosten für die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben erforderlich waren, unterliegt in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur einer eingeschränkten Nachprüfung. Bei dem Begriff der Erforderlichkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung dem Beschwerdegericht ein Beurteilungsspielraum zusteht. Das kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Würdigung übersehen hat ( - BAGE 92, 26, zu B II 2 der Gründe).
b) Derartige Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts sind weder von der Rechtsbeschwerde aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Die Arbeitgeberin wendet zu Unrecht ein, die Erforderlichkeit der Fahrtkosten sei deshalb nicht gegeben, weil die Antragstellerin von ihrer vom Betriebssitz 80 Kilometer weit entfernten Wohnung in K. zur Betriebsratssitzung nach N. angereist sei. Dieser Einwand betrifft nicht die Erforderlichkeit der Kosten, sondern deren Verhältnismäßigkeit. Die Erforderlichkeit ist schon deswegen nicht zweifelhaft, weil die Antragstellerin zum Ort der Betriebsratssitzung anreisen musste, um ihrer Pflicht zur Teilnahme zu entsprechen.
5. Die zu erstattenden Kosten sind auch verhältnismäßig. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich für den Betriebsrat die Verpflichtung, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er der Sache nach für verhältnismäßig und deshalb auch für den Arbeitgeber zumutbar halten darf. Er hat deshalb darauf bedacht zu sein, die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken ( - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 26 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 52, zu II 3 der Gründe). Diese Pflicht gilt auch für das einzelne Betriebsratsmitglied. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts handelt es sich bei den zugesprochenen Fahrtkosten um die entstandenen Kosten für die Hin- und Rückfahrt in der 2. Klasse mit der Deutschen Bahn. Andere kostengünstigere Fahrtmöglichkeiten sind nicht ersichtlich.
II. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Grund der Zustellung des Antrags beim Arbeitgeber am . Der Kostenerstattungsanspruch eines Betriebsratsmitglieds nach § 40 Abs. 1 BetrVG ist nach den gesetzlichen Vorschriften zu verzinsen (vgl. - BAGE 60, 385 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 60, zu B III 4 der Gründe).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2005 S. 1976 Nr. 36
NWB-Eilnachricht Nr. 37/2005 S. 3112
XAAAB-94624
1Für die Amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein