BAG Urteil v. - 6 AZR 78/02

Leitsatz

[1] § 14 DienstVO berechtigt den kirchlichen Arbeitgeber nicht zu einer Minderung des Ortszuschlags der Stufe 1 eines im Kirchendienst beschäftigten Angestellten, wenn dessen im öffentlichen Dienst beschäftigter Ehegatte den ungekürzten Verheiratetenzuschlag bezieht.

Gesetze: DienstVO § 14; BAT § 29 Abschnitt B Abs. 5 Satz 2

Instanzenzug: ArbG Braunschweig 6 Ca 277/00 vom LAG Niedersachsen 6 Sa 96/01 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe des Ortszuschlags.

Der Kläger ist bei der beklagten Kirchengemeinde als Organist mit wöchentlich 15,625 Arbeitsstunden beschäftigt. Die Parteien haben die Geltung der Vorschriften der Dienstvertragsordnung für die Angestellten der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers (DienstVO) vereinbart.

Die Ehefrau des Klägers war in der Zeit vom 1. August bis zum beim Land Niedersachsen als Beamtin vollzeitbeschäftigt; seit dem ist sie mit 34 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt. Sie erhielt bis zum den ungekürzten und danach den zeitanteiligen Familienzuschlag der Stufe 1 (sog. Ehegattenanteil) von monatlich 184,08 DM bzw. 156,47 DM, weil aus Sicht des Landes Niedersachsen die Beschäftigung des Klägers im Kirchendienst nicht als öffentlicher Dienst iSd. Anrechnungsvorschrift des § 40 Abs. 6 BBesG gilt.

Die Differenz des Ortszuschlags der Stufe 1 und 2 (Ehegattenanteil) hätte für den Kläger bis zum monatlich 88,53 DM und seitdem 35,93 DM betragen, wäre seine Ehefrau von der Kirche beschäftigt worden. In diesem Falle hätte den Ehepartnern als Gesamtbetrag an Verheiratetenzuschlägen monatlich 180,57 DM bzw. 114,16 DM zugestanden. Diesen Gesamtbetrag überstieg bereits der an die Ehefrau des Klägers gezahlte Familienzuschlag. Daraufhin wendete die Beklagte die Kürzungsregelung des § 14 DienstVO an. Dort heißt es:

"§ 29 BAT ist mit folgender Maßgabe anzuwenden:

Werden von anderer Seite Vorschriften über das Zusammentreffen mehrerer Ansprüche auf Ortszuschlag nicht angewandt, so ist Ortszuschlag neben den von anderer Seite gewährten Leistungen bis zu der in Satz 2 bezeichneten Höchstgrenze zu zahlen. Höchstgrenze ist die Summe der Ortszuschläge, die sich bei Anwendung der Vorschriften über das Zusammentreffen mehrerer Ansprüche auf Ortszuschlag auch auf die nicht Anspruchsberechtigten ergeben würde. Eine Tätigkeit im kirchlichen Dienst (§ 4) ist Tätigkeit im öffentlichen Dienst im Sinne des Ortszuschlagsrechtes."

Demnach zahlte sie dem Kläger in den Monaten August 1998 bis Januar 2000 keinen Ehegattenanteil (Differenz zwischen Ortszuschlag der Stufe 1 und Stufe 2) und kürzte auch noch den Ortszuschlag der Stufe 1. Die Minderung betrug monatlich von August bis Oktober 1998 3,51 DM brutto und von November 1998 bis Januar 2000 42,30 DM brutto. Insgesamt erhielt der Kläger in dieser Zeit 645,03 DM brutto weniger Ortszuschlag als er erhalten hätte, wäre ihm der volle Ortszuschlag der Stufe 1, welcher ledigen Arbeitnehmern zusteht, ausgezahlt worden.

Der Kläger ist der Auffassung § 14 DienstVO berechtige nicht zu einer Minderung des Ortszuschlags auch der Stufe 1.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 645,03 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich errechnenden Nettobetrag von jeweils 3,51 DM brutto ab , , sowie aus jeweils 42,30 DM brutto ab , , , , , , , , , , , , bis zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Kürzung des Ortszuschlags der Stufe 1 des Klägers ergebe sich aus § 14 DienstVO. Ehepartner, von denen einer im Kirchendienst und der andere im Staatsdienst beschäftigt ist, sollten nur einmal den Ehegattenanteil des Ortszuschlags erhalten. Sie stünden damit Ehepartnern gleich, die entweder beide im Kirchendienst oder im Staatsdienst beschäftigt seien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. § 14 DienstVO berechtigt die Beklagte bei einer Anwendung der Kürzungsregelung des § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT nicht auch zu einer Minderung des Ortszuschlags der Stufe 1.

1. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien ist die Geltung der DienstVO vereinbart. Nach § 14 DienstVO bestimmt sich der Ortszuschlag eines im Kirchendienst beschäftigten Angestellten grundsätzlich nach der Tarifvorschrift des § 29 BAT. Dazu zählt nicht nur die Stufenregelung für den Ortszuschlag nach § 29 Abschn. B Abs. 1 bis Abs. 3 BAT, sondern auch die Kürzungsregelung des § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT. Nach dieser Tarifbestimmung erhält der Angestellte den Unterschied zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 (Ehegattenanteil) des für ihn maßgeblichen Ortszuschlags nur zur Hälfte, wenn sein Ehegatte im öffentlichen Dienst beschäftigt ist und diesem ua. ebenfalls der Familienzuschlag der Stufe 1 oder der Ortszuschlag der Stufe 2 zustünde. Dazu schließt die Regelung des § 29 Abschn. B Abs. 5 Satz 2 BAT eine zeitanteilige Kürzung des Unterschiedsbetrags aus, wenn einer der Ehegatten vollbeschäftigt ist oder beide mit mindestens der Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beschäftigt sind. Eine weitergehende Minderung der den Ehegatten zustehenden Ortszuschläge regelt die Tarifnorm nicht. Vielmehr soll jedem Arbeitnehmer der Ortszuschlag der Stufe 1 verbleiben. Der Arbeitnehmer kann also auf Grund der Tatsache, daß er mit einem in einem anderen Beschäftigungsverhältnis des öffentlichen Dienstes stehenden Arbeitnehmers verheiratet ist, einen Ortszuschlag erwerben, der niedriger ist als der der Stufe 2, jedoch keinesfalls niedriger ist als der der Stufe 1.

2. § 14 DienstVO verwendet allerdings nicht ausdrücklich den Begriff des Ortszuschlags der Stufe 2. Gleichwohl führt die Inbezugnahme der Tarifregelung des § 29 BAT einschließlich der darin geregelten Kürzungssystematik im Eingangssatz des § 14 DienstVO bereits sprachlich dazu, daß für eine Minderung des Ortszuschlags bei Verheirateten nur der Anteil des Unterschiedsbetrags der Stufe 1 und Stufe 2, nicht jedoch der Ortszuschlag der Stufe 1 an sich zur Disposition steht.

3. Dieses Auslegungsergebnis folgt auch aus dem Sinn und Zweck der Kürzungsregelung, den sich § 14 DienstVO durch die Verweisung auf aus § 29 BAT zu eigen macht. Der Ortszuschlag der Stufe 2 soll die unterschiedlichen Belastungen auf Grund des Familienstandes berücksichtigen. Ihm kommt demnach eine soziale, familienbezogene Ausgleichsfunktion zu. Eine solche Funktion weist der Ortszuschlag der Stufe 1 nicht auf. Ihn erhalten alle Angestellten ungeachtet ihres Familienstandes. Dieser Ortszuschlag ist ausschließlich leistungsbezogen. Dementsprechend knüpft die Kürzungsvorschrift des § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT an den sozialen Bezug des sog. Ehegattenanteils an. Sie ist darauf gerichtet, bei Ehegatten, die beide im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, den einheitlichen sozialen Sachverhalt der Eheschließung nicht mehrfach zu berücksichtigen; ihnen soll jedenfalls ein Ehegattenanteil für beide gemeinsam verbleiben ( - AP BAT § 29 Nr. 14; - 6 AZR 209/01 - AP BAT § 29 Nr. 18).

Das verdeutlicht die Entstehungsgeschichte der Tarifnorm. Mit Inkrafttreten des 49. Änderungstarifvertrags zum BAT am wurde die bis dahin sinngemäß anzuwendende beamtenrechtliche Vorschrift des § 40 BBesG durch die eigenständige Tarifregelung in § 29 BAT ersetzt. § 40 BBesG sah ursprünglich für Beamte die vollen Ehegattenanteile des Ortszuschlags zugunsten beider im öffentlichen Dienst tätigen Ehepartner vor. Durch das Haushaltsstrukturgesetz vom (BGBl. I S. 3091) wurde eine entsprechende Tarifkürzungsregelung eingeführt, die mit Wirkung zum (BGBl. I S. 869) um die 2. Alt. der "entsprechenden Leistung" ergänzt wurde. Hintergrund des Haushaltsstrukturgesetzes war die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst zur Konsolidierung der Haushalte. Mit der Änderung der Ortszuschlagsregelung für beiderseits im öffentlichen Dienst tätige Ehegatten sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, daß hiermit bislang derselbe Tatbestand doppelt aus öffentlichen Kassen abgegolten wurde, was der sozialbezogene Charakter des Ehegattenanteils im Ortszuschlag nicht verlangt. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 7/4127 S. 40) sollte sichergestellt werden, daß die Ehegatten zusammen mindestens einen vollen Ehegattenanteil erhalten (BT-Drucks. 7/4127 S. 40). Damit sollte nicht die Begrenzung auf 100 % im Vordergrund stehen, sondern der Gesetzgeber wollte sicherstellen, daß trotz der Kürzung mindestens ein Ehegattenteil von 100 % für beide Ehepartner zusammen übrigbleibt. Da die Tarifvertragsparteien des BAT im Jahre 1982 diese gesetzliche Regelung unverändert in den Tarifvertrag übernommen haben, sind die Überlegungen zum Zweck der gesetzlichen Regelung auf den tariflichen Regelungszweck übertragbar. Das gilt auch für § 14 DienstVO.

4. Das Recht der Beklagten auf Minderung des Ortszuschlags auch der Stufe 1 bei Anwendung der Kürzungsregel des § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT folgt auch nicht aus der Höchstgrenzenregelung des § 14 DienstVO. Eine völlige Abkehr vom Kürzungssystem des § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT bis hin zu einer Minderung des Ortszuschlags der Stufe 1 findet im Wortlaut des § 14 DienstVO keine Stütze. Eine solche Kürzung stünde auch im Widerspruch zum Zweck der Regelung, die lediglich die doppelte Honorierung eines einheitlichen sozialen Sachverhalts verhindern soll, nicht hingegen den kirchlichen Arbeitgeber von der Zahlung des leistungsbezogenen Ortszuschlags entlasten will.

a) Die in § 14 DienstVO enthaltene Höchstgrenzenregelung verfolgt als Gegenkonkurrenzklausel das Ziel, die Eheschließung des Arbeitnehmers bei der Bemessung des Ortszuschlags der Stufe 2 auch dann zu berücksichtigen, wenn der Dienstherr des Ehepartners des im kirchlichen Dienst beschäftigten Angestellten seinerseits von der Kürzungsregelung des § 29 BAT bzw. § 40 Abs. 6 BBesG keinen Gebrauch macht. Für diesen Fall bestimmt § 14 Satz 1 DienstVO eine Höchstgrenze für die Zahlung des Verheiratetenzuschlags an den kirchlichen Angestellten.

b) Danach ist Ortszuschlag neben den von anderer Seite gewährten Leistungen bis zu der Höchstgrenze nach Satz 2 des § 14 DienstVO zu zahlen. Diese errechnet sich aus der Summe der Ehegattenanteile, die zu zahlen wären, stünden beide Ehepartner im kirchlichen Dienst. Dazu sind die jeweiligen Ehegattenanteile anhand der Kürzungsvorschrift des § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT zu ermitteln. Einen Zahlbetrag schuldet der kirchliche Arbeitgeber nur in den Fällen, in denen der dem Ehegatten des im kirchlichen Dienst stehenden Angestellten tatsächlich gezahlte Verheiratetenzuschlag diesen Betrag nicht erreicht. Danach gestattet § 14 Satz 2 DienstVO eine Kürzung des Verheiratetenzuschlags eines kirchlichen Angestellten auch auf weniger als die Hälfte - insoweit im Gegensatz zu § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT und § 40 Abs. 6 BBesG - bis hin zum völligen Wegfall des Verheiratetenzuschlags, nicht jedoch eine Minderung des leistungsbezogenen Ortszuschlags der Stufe 1.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BB 2004 S. 276 Nr. 5
UAAAB-94570

1Für die Amtliche Sammlung: Ja; Für die Fachpresse: Nein