Leitsatz
[1] Ein Musiker in einem Kulturorchester, der nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet ist, das Instrument "Trompete" zu spielen, hat die deutsche (sog. Konzerttrompete) und die amerikanische (sog. Jazztrompete) zu spielen. Die amerikanische ist im Vergleich zur deutschen Trompete kein anderes Instrument iSd. § 6 Abs. 1 TVK, mit dem ein Trompeter nur gegen Zahlung einer zusätzlichen Vergütung eingesetzt werden darf.
Gesetze: BGB § 133; BGB § 157; BGB § 612 Abs. 1; TVK § 3 Abs. 1 Satz 1; TVK § 6 Abs. 1; TVK § 6 Abs. 2 Buchst. d; TVK Protokollnotiz Nr. 2 zu § 6 Abs. 2; TVK § 21; TVK § 22 Abs. 2; TVK § 22 Abs. 7; TVK § 26 Abs. 3 Protokollnotizen hierzu; TVK Protokollnotiz zu § 26 Abs. 4
Instanzenzug: ArbG Augsburg 4 Ca 4347/99 vom LAG München 9 Sa 187/01 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger eine besondere Vergütung zusteht, wenn er als Musiker in einem Kulturorchester statt der deutschen Trompete (sog. Konzerttrompete) die amerikanische Trompete (sog. Jazztrompete) spielt.
Der Kläger ist seit dem in dem Orchester der Beklagten als Musiker beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung findet auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom idF vom Anwendung. In § 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom heißt es:
"Herr S ist zum Spielen des Instrumentes Trompete verpflichtet. Ihm wird die Tätigkeit eines koordinierten 1. (Solo-) Trompeters mit Verpflichtung zur 3. Trompete übertragen."
Im Orchester der Beklagten kommen deutsche und amerikanische Trompeten zum Einsatz. Diese unterscheiden sich in der Bauweise und im Klang, jedoch nicht in der Tonhöhe. Der Kläger besitzt eine deutsche und eine amerikanische Trompete, die er seit Beginn des Arbeitsverhältnisses an im Orchester der Beklagten spielt und die durch die Beklagte versichert sind. Auf Weisung des Generalmusikdirektors wurde der Kläger im Oktober 1999 in fünf Proben und zwei Aufführungen zu dem Musical "West-Side-Story" mit der amerikanischen Trompete eingesetzt.
Der Kläger hat gemeint, § 3 des Arbeitsvertrages sei so auszulegen, daß er nur zum Spielen der deutschen Trompete verpflichtet sei. Dies ergebe sich daraus, daß er sein Probespiel vor Aufnahme in das Kulturorchester der Beklagten auf der deutschen Trompete absolviert habe und auch überwiegend mit der deutschen Trompete eingesetzt worden sei. Die amerikanische Trompete sei ein anderes Instrument als die deutsche Trompete. Da sie aber kein ungewöhnliches Instrument iSv. von § 6 Abs. 2 Buchst. d TVK sei und die Beklagte ihm das Spielen der amerikanischen Trompete als Nebeninstrument im Arbeitsvertrag nicht gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 TVK übertragen habe, sei er zum Spielen dieser Trompete nicht verpflichtet. Für die Einsätze mit der amerikanischen Trompete in den Proben und Aufführungen im Oktober 1999 habe ihm die Beklagte daher gemäß § 612 Abs. 1 und Abs. 2 BGB iVm. § 315 Abs. 1 BGB eine besondere Vergütung zu zahlen. Als übliche Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB komme die Vergütung in Betracht, die die Beklagte einer Orchesteraushilfe hätte zahlen müssen, wenn er nicht freiwillig das Spielen der amerikanischen Trompete übernommen hätte. Den Orchesteraushilfen zahle die Beklagte üblicherweise 300,00 DM für jede Aufführung und 150,00 DM für jede Probe. Für zwei Aufführungen und fünf Proben ergebe sich somit ein Honoraranspruch in Höhe von 1.350,00 DM.
Der Kläger hat beantragt
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.350, 00 DM brutto = netto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, sowohl die deutsche als auch die amerikanische Trompete zu spielen. Bei beiden handele es sich um das gleiche Instrument. Die Tarifvertragsparteien hätten im TVK nicht auf die Bauart einer Trompete abgestellt und somit nicht zwischen der deutschen und der amerikanischen Trompete unterschieden. Das Spielen der amerikanischen Trompete sei daher mit der Grundvergütung abgegolten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.
Gründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger steht für das Spielen der amerikanischen Trompete eine besondere Vergütung nicht zu. Diese Tätigkeit ist mit der Grundvergütung nach § 21 TVK abgegolten.
I. Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch nicht auf § 612 Abs. 1 BGB stützen.
1. Nach dieser Vorschrift gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten war. § 612 Abs. 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Vergütung. Diese Bestimmung ist entsprechend anzuwenden, wenn über die vertraglich geschuldete Tätigkeit hinaus Sonderleistungen erbracht werden, die durch die vereinbarte Vergütung nicht abgegolten sind und weder einzelvertraglich noch tariflich geregelt ist, wie diese Dienste zu vergüten sind (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts, vgl. - 3 AZR 723/76 - AP BGB § 612 Nr. 31 = EzA BGB § 612 Nr. 8; Senat - 6 AZR 359/92 - AP BGB § 611 Musiker Nr. 22; - 5 AZR 428/96 - BAGE 86, 261). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Das Spielen der amerikanischen Trompete gehört zu den Leistungen, zu denen der Kläger nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet ist.
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, mit dem Begriff "Instrument" in § 6 Abs. 1 TVK und damit auch in § 3 des Arbeitsvertrages sei nicht ein individuelles einzelnes Instrument gemeint sondern die Instrumentenart. Zwar umfasse der Begriff des Instruments nicht die gesamte Instrumentengattung, die gesamte Instrumentenfamilie, zu der das Instrument gehöre, sondern nur das innerhalb der Instrumentengattung seiner Art nach als eigenständig anerkannte Instrument. Dies sei vorliegend die Trompete, die in § 3 des Arbeitsvertrages als Instrument vereinbart worden sei. Eine Festlegung der Bauart der Trompete, zB deutsche Trompete, sei nicht erfolgt. Vom Wortlaut aber auch vom Sinngehalt her sei davon auszugehen, daß mit dem Instrument Trompete die normale, übliche, nicht ungewöhnliche Trompete gemeint sei, also die B- und C-Trompete deutscher und amerikanischer Bauart. Diese Trompeten würden als "normale" Trompeten gewöhnlich und üblich in den Kulturorchestern im räumlichen Geltungsbereich des TVK gespielt. Die deutsche und die amerikanische B- und C-Trompete gehörten nicht nur derselben Instrumentenfamilie "Blasinstrumente" an, sondern derselben Instrumentenart. Lediglich die Bauart sei in Teilbereichen unterschiedlich, insbesondere hinsichtlich der Ventile, der Mensur, des Mundrohrs und des Trichters.
3. Dem ist im Ergebnis zu folgen. Das Landesarbeitsgericht hat die Tarifbegriffe "Instrument" und "Trompete" richtig ausgelegt und zutreffend angenommen, daß die Parteien diese Begriffe auch im Arbeitsvertrag in diesem Sinne verstanden haben. Das Instrument Trompete ist nach dem Arbeitsvertrag und dem TVK sowohl die deutsche als auch die amerikanische Trompete.
a) Nach § 6 Abs. 1 TVK ist der Musiker zum Spielen des im Arbeitsvertrag genannten Instruments in der ihm übertragenen Tätigkeit verpflichtet. In § 3 des Arbeitsvertrages der Parteien ist das Instrument Trompete genannt. Was unter "Trompete" zu verstehen ist, ist weder im Arbeitsvertrag noch im Tarifvertrag bestimmt. Der Inhalt der vom Kläger geschuldeten Tätigkeit "Spielen des Instruments Trompete" ist daher im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Da die arbeitsvertragliche Verpflichtung des Klägers zum Spielen der Trompete (§ 3 des Arbeitsvertrages) seine tarifliche Verpflichtung zum Spielen dieses Instruments (§ 6 Abs. 1 TVK) begründet, entspricht die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Dienstleistung der nach dem Tarifvertrag auszuübenden Tätigkeit. Der Senat kann die Auslegung daher selbst vornehmen. Außerdem ist der Arbeitsvertrag nach dem Muster der Anlage 1 des Tarifvertrages abgeschlossen worden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 TVK), so daß es sich um einen sog. "typischen Arbeitsvertrag" handelt, den der Senat unbeschränkt und selbständig auslegen könnte ( - BAGE 45, 330).
b) Bei der Auslegung, ob der Orchestermusiker, der das Instrument Trompete spielen muß, sowohl die deutsche als auch die amerikanische Trompete zu spielen hat, ist vom Wortlaut auszugehen, auf den es für die Tarifauslegung zunächst ankommt (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts, vgl. - 6 AZR 784/95 - AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 22 = EzA TVG § 4 Personalabbau Nr. 8). Abzustellen ist nicht nur auf den allgemeinen Sprachgebrauch sondern auch darauf, ob der Begriff bei den beteiligten Verkehrskreisen in einem bestimmten Sinne verstanden wird. Nach der einschlägigen Musikliteratur ist eine Trompete ein Blechblasinstrument aus Messing, Goldmessing oder Neusilber, seltener aus Silber oder Gold, mit enger zylindrisch-konischer, schlaufenförmig gebogener Röhre (Bügelform) und einem wenig ausladenden Schalltrichter, wobei die moderne Trompete drei Ventile mit verschieden langen, U-förmigen Ventilbogen hat, die beim Öffnen die Hauptröhre verlängern (M. Bröcker in Honegger/Massenkeil Das Große Lexikon der Musik Bd. 8 S 174; Brockhaus/Riemann Musiklexikon Bd. 2 Stichwort: Trompete).
c) Unter diese Begriffsbestimmung fallen trotz der Unterschiede in der Bauart und im Klang sowohl die deutsche als auch die amerikanische Trompete. Den Tarifvorschriften ist nicht zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien bei der Nennung der Trompeten (§ 22 Abs. 2 und Abs. 7 TVK iVm. den Protokollnotizen hierzu) und der Bezeichnung von Orchestermusikern als Trompeter (§ 26 Abs. 3 TVK) eine vom allgemeinen Sprachgebrauch und der einschlägigen Musikliteratur abweichende Begriffsbestimmung vor Augen hatten. Abgesehen von den im Katalog der ungewöhnlichen Instrumente (Protokollnotiz Nr. 2 zu § 6 Abs. 2 TVK) besonders aufgeführten Bach-Trompeten, Baß-Trompeten, D-Trompeten, Es-Trompeten, F-Trompeten und Holztrompeten wird im Tarifvertrag nicht zwischen Trompeten unterschiedlicher Bauart differenziert. Da im räumlichen Geltungsbereich des TVK in den Kulturorchestern sowohl deutsche als auch amerikanische Trompeten häufig gespielt werden, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien die Unterschiede in der Bauart und im Klang der Trompeten nicht gekannt haben. Wenn sie gleichwohl auf eine Differenzierung zwischen deutschen und amerikanischen Trompeten verzichtet und nur das Instrument Trompete in die Regelungen des TVK einbezogen haben, haben sie damit deutlich zum Ausdruck gebracht, daß der Orchestermusiker, der das Instrument Trompete zu spielen hat, kein anderes Instrument spielen muß, wenn er statt mit der deutschen mit der amerikanischen Trompete eingesetzt wird.
d) Dieses Auslegungsergebnis steht nicht im Widerspruch zu der Protokollnotiz zu § 26 Abs. 4 TVK. Diese Tarifbestimmung regelt ua., daß B- und C-Trompeten gemeinsam einen Instrumentensatz bilden und nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebeninstrument stehen. Entgegen der Auffassung der Revision zwingt diese Klarstellung der Tarifvertragsparteien nicht zu dem Umkehrschluß, daß von dieser Protokollnotiz nicht erfaßte Trompeten unterschiedlicher Bauart verschiedene Instrumente sind, die im Verhältnis Haupt- und Nebeninstrument stehen können. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß dies nach der Protokollnotiz offen bleibt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2002 S. 1920 Nr. 37
NAAAB-94503
1Für die Amtliche Sammlung: Nein; Für die Fachpresse: Ja